Football:Genug Klamauk

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Höhen und Tiefen - im Leben wie im Spiel. Die Leistung von Clevelands exzentrischem Quarterback Johnny Manziel war beim Saisonauftakt durchwachsen. (Foto: Ed Mulholland/USA Today Sports)

Die NFL fiel zum Saisonauftakt durch teils lächerlich schlechtes Spiel auf. Jetzt will sogar Johnny Manziel seriös auftreten.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Für all jene Menschen, die Sport eher als Unterhaltung denn als Wettkampf begreifen, verkündete der Footballverein Cleveland Browns am Freitag eine verzückende Nachricht: Johnny Manziel wird am Sonntag bei der Partie gegen die Tennessee Titans von Beginn an auf dem Feld stehen. Ein paar Fans der Browns dürften gejubelt haben, schließlich gilt Manziel als einer der aufregendsten Spielmacher der nordamerikanischen Profiliga NFL - am vergangenen Sonntag warf er für einen Raumgewinn von 182 Yards und einen Touchdown, dazu erlief er selbst 35 Yards. Die Spielweise von Manziel ist spektakulär, unvorhersehbar, atemraubend.

Auch in Tennessee dürfte es am Freitag freudige Gesichter gegeben haben, weil Manziels Spielstil eben auch schrecklich, unplanbar und nervtötend sein kann - am ersten Spieltag hatte er sich drei Ballverluste (eine Interception, zwei Fumbles) erlaubt. Doch müssen die Browns Manziel wohl aufs Feld schicken - nach der Gehirnerschütterung von Josh McCown bleibt ihnen keine andere Wahl, als den 22-Jährigen spielen zu lassen, der bislang eher abseits des Spielfelds für Schlagzeilen sorgte (nach der vergangenen Saison begab er sich in eine Entzugsklinik) und der so selbstbewusst war, sich seinen Spitznamen Johnny Football markenrechtlich schützen zu lassen.

Peyton Manning spielt miserabel - und führt Denver doch zum Sieg

"Ich habe bislang nicht gezeigt, wozu ich fähig bin, daran bin alleine ich Schuld", sagt Manziel: "Ich werde nun spielen und mein Bestes geben. Dann werden wir sehen, was passiert." Das hätte ja nun wirklich kaum noch jemand für möglich gehalten, dass eine Aussage von Manziel derart akkurat ist - und dass er tatsächlich die Symbolfigur dieser Liga sein könnte. Denn tatsächlich weiß in der NFL derzeit kaum jemand, was als nächstes passieren wird.

Noch ein Beispiel? Bei der Partie am Donnerstag zwischen den Kansas City Chiefs und den Denver Broncos agierte Broncos-Spielmacher Peyton Manning dreieinhalb Viertel lang derart miserabel, dass zahlreiche Fans bereits während des Spiels auf Twitter dessen Ablösung durch Ersatzmann Brock Osweiler forderten. Zu alt sei Manning mittlerweile, zu langsam, zu ungenau. Dann jedoch gelang Manning eine ordentliche Serie und der Ausgleich - und weil sich die Chiefs gleich danach einen bösen Fehler leisteten, lautete die Kurz-Zusammenfassung des Spiels plötzlich: Manning führt die Broncos zum Comeback-Sieg gegen die Chiefs, der Verein ist noch immer ohne Niederlage.

Auch am ersten Spieltag gab es so ein Comeback, es gelang Tony Romo von den Dallas Cowboys gegen die New York Giants. Nur: Romo hatte nur deshalb ausreichend Zeit für eine Angriffsserie, weil sich die Giants zum einen eine überflüssige Strafe eingehandelt hatten und sich Spielmacher Eli Manning (Peytons jüngerer Bruder) danach nicht in den Schmutz warf, sondern den Ball der Sicherheit wegen in Richtung Tribüne pfefferte - zwei schlimme Fehler, die Romo 97 Sekunden für seine Serie gestatteten anstatt nur etwa 40 Sekunden.

Tannehills Ballverlust ist eine Lachnummer im Internet

Es gab auch noch Calvin Johnson von den Detroit Lions, nach allgemeinem Dafürhalten der beste Passempfänger der Liga. Der wurde am ersten Spieltag nur vier Mal angespielt, was Offensivtrainer Joe Lombardi als "statistische Anomalie" zu verkaufen versuchte. Es gab Brian Hoyer von den Houston Texans, der als Spielmacher derart verrückt agierte, dass er noch während der Partie am vergangenen Wochenende ausgewechselt und nun beim Spiel gegen die Carolina Panthers auf der Bank sitzen wird. Und es gab Ryan Tannehill von den Miami Dolphins, der sich gegen die Washington Redskins einen derart ulkigen Ballverlust leistete, dass er mittlerweile mit noch ulkigeren Geräuschen und Liedern hinterlegt bei Youtube zu finden ist.

Natürlich dienen solche Fehler der Unterhaltung, diverse Sammlungen grotesker Momente sehen sich die Menschen auch Jahre später noch vergnügt an. Es sorgt für ein wenig Heiterkeit in einer Liga, die acht Monate lang die Fans mit der nicht enden wollenden Farce um zu wenig aufgepumpte Footbälle genervt hat und die nun wieder mal mit einer neuen Studie umgehen muss, bei der die Gehirne von 91 verstorbenen NFL-Spielern untersucht worden sind - 87 davon wiesen Schädigungen auf.

Der erste Spieltag und auch die erste Partie der zweiten Woche sind absolviert. Es ist nun an der Zeit, all jene Fans zu begeistern, die aufgrund taktischer Leckerbissen und sportlich herausragender Leistungen zusehen. Das weiß selbst Johnny Manziel: "Ich habe in der Vorbereitung und auch in dieser Woche hart gearbeitet, ich werde am Sonntag meine beste Leistung abrufen können." Das muss er auch. In der kommenden Woche dürfte McCown genesen sein. Will Manziel künftig nicht nur auf der Bank sitzen, dann braucht er eine herausragende Leistung. Vor allem aber eine ohne groteske Fehler.

© SZ vom 20.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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