Flügelflitzer: Transfer-Theater:Die Raststätten-Diplomatie

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Der Fußball-Frühling ist gekennzeichnet von konspirativen Geheimtreffen. Der beliebteste Ort dafür liegt an der Autobahn.

Thomas Hummel

Der Legende nach spielte im Maritim-Hotel am Flughafen Hannover-Langenhagen eine Kriminalgeschichte wie aus einem Mafia-Roman von Mario Puzo. In einem der 528 Zimmer sollen die Männer mit dem dicken Festgeldkonto gesessen, der umgarnte Überläufer in spe mit seinem Fahrzeug in die Tiefgarage gefahren sein. Mit einer Mütze tief im Gesicht und weitem Gewand soll er aus dem Untergeschoss in den Fahrstuhl und ins verabredete Zimmer entschwunden sein. Niemand sollte ihn sehen, niemand ihn bemerken. Es sollte - es musste - geheim bleiben.

Nein, das ist kein Schnappschuss aus einer geheimen Hotel-Lobby. Diego sitzt nur in der Loge des Weserstadions und schaut Fußball. (Foto: Foto: ddp)

Ein paar Tage später berichteten die Zeitungen über das Treffen. Der Überläufer in spe hatte entweder nicht aufgepasst oder einfach Pech gehabt. Zwischen Tiefgarage und Geheimzimmer hatte ihn wohl ein anderer Gast oder ein Hotelportier oder eine Reinemachekraft bemerkt und erkannt. Miroslav Klose war im April 2007 schon eine weitläufig bekannt Person. Oder ließen die Kontaktmänner, Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld, die nötige Vorsicht beiseite? Stellte sich die durchaus berühmte Abordnung des FC Bayern breit in die Hotel-Lobby, um gerade das zu provozieren: Dass es ein paar Tage später in der Zeitung steht?

Die Spekulationen blühten im April 2007, als der FC Bayern gerade in Stuttgart beim 0:2 gedemütigt worden war, und auszog, um seine Ehre als Branchenführer mit allen Mitteln wiederherzustellen. Auf jeden Fall spielte der Noch-Bremer Miroslav Klose zwei Tage nach dem Geheimtreffen im Halbfinale des Uefa-Cups gegen Espanyol Barcelona wie ein Überläufer in spe, Bremen verlor 0:3 und die Aufregung war riesig. Kurz darauf lief Miroslav Klose nach München über.

Dies ist freilich eine der dramaturgisch schöneren Geschichten des jährlich sich wiederholenden Transfer-Theaters im Fußballfrühling. Wer will wohin wechseln? Wer verhandelt mit wem? Wem kauft der FC Bayern den nächsten Star vor der Nase weg? Auf welchem Bauernhof übernachtet Schalkes Aufsichtsrat Clemens Tönnies diesmal? Wobei der betuchte Fleischhändler bei seiner "emotionalen Aufladung" von Felix Magath kaum erträgliche Lasten auf sich nahm: "Wir haben die ganze Nacht diskutiert und dann beim Zähneputzen gefroren", erzählte er hinterher stolz. In einigen Jahren wird die Legende lauten, der Mann habe seine Gesundheit, ja sein Leben für den FC Schalke riskiert. Auf einem Bauernhof!

Der beliebteste Ort der Fußball-Branche für konspirative Zusammenkünfte ist allerdings kein Flughafen-Hotel und auch kein kalter Ort bei Tieren. Es ist die Autobahnraststätte. "Hallo, Herr Özil. Ich würde Sie gerne persönlich kennenlernen. Vielleicht bei einem Schnellgericht an der Raststätte Gütersloh Nord?" So könnte der Annäherungsversuch von Christian Hochstätter, einst Manager von Hannover 96, an Mesut Özil, einst verfügbarer Jungstar von Schalke 04, gelautet haben. Sie trafen sich jedenfalls irgendwo auf halbem Wege zwischen Gelsenkirchen und Hannover an der A 2.

Nun überrascht schon, dass sich eine Branche gekennzeichnet von Brillis im Ohr, 250-PS-Schiffen und Vororts-Villen ihre wichtigsten Zukunftsentscheidungen inmitten rauer Fernfahreridylle und 50-Cent-Toilletten treffen. Der Otto-Normal-Autobahnraststätten-Besucher dürfte jedenfalls nicht überrascht sein, dass sich in Mesut Özils Gedanken dort keine rosa Zukunft mit Christian Hochstätter abbilden mochte. Özil sagte Hannover ab.

In München verärgerte zuletzt Manager Uli Hoeneß die nach Geheimtreffen-Schnappschüssen trachtenden Paparazzi mit der Aussage: Er werde den Ort, an dem der Bayern-Vorstand zu der Überzeugung kam, Jürgen Klinsmann zu feuern, nicht nennen. Man brauche auf für künftige Anlässe einen Rückzugsort, meinte Hoeneß.

Also aufgepasst, ihr Hotelportiers, Reinemachefrauen, ihr Tankstellenwärter und besonders ihr Hundeausführer im Tegernseer Land: Irgendwo, vielleicht ganz in eurer Nähe könnten die nicht ganz unbekannten Herren Hoeneß, Rummenigge oder gar Beckenbauer jetzt sitzen und sich zum Beispiel mit Djair Ribas da Cunha unterhalten. Oder gar mit dessen Sohn selbst, namens Diego.

Gut möglich auch, dass die Macher des FC Bayern gerade in einem Hinterzimmer einer Autobahnraststätte warten. Ein 1,89 Meter großer Mann, etwa 23 Jahre alt, die dunklen Haare schauen unter der tief ins Gesicht gezogenen Mütze heraus, der Körper steckt im weiten Gewand, huscht zur Hintertür herein und auf direktem Weg ins Hinterzimmer.

Doch weil die Bayern sich nie mit dem Gewöhnlichen zufriedengeben, und auch einen Mario Gomez sicher im besonderen Ambiente zum Überlaufen überzeugen wollen, haben wir einen sicheren Tipp: Raststätte Gruibingen-Süd, an der A 8 zwischen Stuttgart und München. Die erste Feng-Shui-Autobahnraststätte in Deutschland.

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