Flügelflitzer: Meisterfeier:Magath, der Balkon-Kini

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Der Wolfsburger Trainer Felix Magath gibt ein Interview auf dem Münchner Rathausbalkon. Doch die Münchner wissen: Die Schlacht um den Marienplatz steht noch aus.

Thomas Hummel

In München, das muss selbst der münchnerischste Münchner grantelnd anerkennen, bilden die Schwaben eine Bevölkerungsminderheit beträchtlichen Ausmaßes. Spätestens in den ersten Nachschuljahren, im Zivildienst, im Hörsaal oder bei Lehrlingstreffen werden die Einheimischen mit allerlei Leuten konfrontiert, die Vokale seltsam in die Höhe ziehen und hie und da ein "da wo" benutzen, wenn der Münchner längst zum "ja mei" übergeht.

Zweimal (2005 und 2006) durfte Felix Magath auf dem Münchner Rathausbalkon die Meisterschale stemmen. (Foto: Foto: dpa)

Doch was den Münchner dabei ernstlich irritiert, kann selbstredend nicht ein wie auch immer gearteter Dialekt (immer noch besser als Schriftdeutsch!) sein. Nein, es ist der Umstand, dass der Schwabe einen gar fürchterlichen Ehrgeiz besitzt. Einen calvinistischen Ehrgeiz, der im katholischen Altbayern von jeher mit Misstrauen beäugt wird. Dieser Ehrgeiz geht soweit, dass sich die schwäbischen Münchner ihren Dialekt abgewöhnen.

Auch deshalb wirkt die schwäbische Minderheit in der bayerischen Landeshauptstadt bestens integriert. Doch dieser Eindruck kann sich am Samstag ein für allemal erledigen. Am Samstag steht nämlich eine Völkerschlacht epischen Ausmaßes an: Es geht um nichts weniger als um die existenzielle Frage: Wem gehört der Münchner Marienplatz?

Vor Wochen, als beim VfB Stuttgart erste leise Hoffnung aufkam, am 23. Mai beim FC Bayern noch um die deutsche Fußball-Meisterschaft spielen zu dürfen, kündigten schwäbische Bewohner jedem Altbayern, der es hören wollte oder nicht, an: "Wenn unser VfB in München Meister wird, dann lauf ich in der Unterhose über den Marienplatz." Die zunächst vereinzelten Bekanntmachungen wurden bald zu einer vielstimmigen Drohung. Und welcher Münchner den FC Bayern in der zweiten Halbzeit in Hoffenheim gesehen hat, dem kann schier Angst und Bange werden. Er sieht Tausende, Zehntausende Schwaben im Unterhoserl rennend auf dem Marienplatz, badend im Fischbrunnen, die Mariensäule erklimmend! Das Rathaus stürmend, sich den Weg zum Balkon freiprügelnd! Selbst Anhänger des TSV 1860 müssen da ins Grübeln kommen.

Und doch kann Entwarnung gegeben werden. Die Schwaben mögen auf dem Rathausbalkon tanzen und singen, sie mögen im Tanga-Slip springen, der wahre, der einzige Sieger, der Herrscher über den Münchner Marienplatz und speziell über den Rathausbalkon steht fest: Felix Magath.

Der Trainer des VfL Wolfsburg hat dort bereits seine Fahne gehisst. Am Montagnachmittag gab Felix Magath dem Bayerischen Rundfunk auf dem Rathausbalkon, dort, wo jährlich der FC Bayern seine x-te Meisterschaft feiert, ein Interview. Magath, der Balkon-Kini. Er sei, sagte der 55-Jährige, eigentlich nicht ganz glücklich mit der Wahl des Ortes. "Aber als Münchner habe ich vielleicht doch ein gewisses Recht, hier zu stehen."

Als Münchner! Im "Aktuellen Sportstudio", im DSF-"Sonntagsstammtisch" und nun in "Blickpunkt Sport" tauchte Felix Magath plötzlich in München als Münchner auf. Er besitzt im Stadtteil Harlaching noch eine Wohnung, und der Erfolgstrainer scheint den Verweis darauf auszukosten wie seinen späten Torhüterwechsel beim 5:1-Erfolg zu Hause gegen die Bayern.

Bei Felix Magath ist durchaus ein vor langer Zeit angelegter Plan anzunehmen: Als ihn vor zwei Jahren der FC Bayern vom Hof gejagt hatte, behielt er aus Trotz seine Anschrift und schwor: Ich kehre zurück, werde Interviews geben und mein Münchnersein betonen, und Uli Hoeneß muss öffentlich den Kopf zwischen die Schultern stecken und sagen: "der alte Schlawiner".

Nun gibt es in Bayern kaum eine größere Wertschätzung als "alter Schlawiner", mit ihm kann es höchstens noch der "Hundling" aufnehmen. Und die Münchner, die noch nicht dem Hoeneß'schen (Schwabe!) Ehrgeiz erlegen sind, haben auch ein wenig Mitleid mit ihrem Mitbewohner Magath-Felix, der in Wolfsburg ja keinen Balkon auf einem 1909 fertiggestellten Rathaus als Meisterfeierort hat, sondern bei glücklichem Ausgang am Samstag gegen Bremen eine im Mai 2009 erbaute Stahltribüne.

Selbst bei Uli Hoeneß wollte sich bei all der Magath-Gala nicht die ihm eigene Wutröte im Gesicht einstellen. Schließlich weiß der eingemünchnerte Schwabe selbst am besten, dass ein einziger Aschaffenburger den Marienplatz zwar zum Schweigen bringen, aber niemals einnehmen kann. Bei Tausenden, ja Zehntausenden bis aufs Unterhoserl ausgezogenen Schwaben schaut das ganz anders aus.

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