Flügelflitzer:Leuchtend rote Stirn

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Ein Ukrainer hat einen Rekord im Ballhochhalten aufgestellt: Er jonglierte 42 Kilometer weit. Er ist nicht der einzige Verrückte in der Welt der Rekordjäger.

Michael König

Der Künstler Andy Warhol sagte einst voraus, in der Zukunft könne jeder Mensch für 15 Minuten berühmt sein. Er müsse dazu nur die Klaviatur der Massenmedien beherrschen, sprich: etwas Außergewöhnliches tun.

Nikolai Kutsenko verweigerte seinem Ball jeglichen Bodenkontakt - 42 Kilometer lang. (Foto: Foto: Reuters)

Fußballer haben gute Karten, denn ihr Sport lebt von außergewöhnlichen Dingen. Ball-Akrobaten, die ihre Dribblings mit Kunststücken verzieren, sind schnell über die 15 Minuten hinaus berühmt, weil die Medien sie besonders lieb haben.

Spieler ohne Zaubertalent müssen sich anders behelfen. Mit wichtigen Toren, zum Beispiel. Jürgen Sparwasser war vor allem deshalb bekannt, weil er im einzigen deutsch-deutschen Duell für die DDR traf. Der Stürmer Oliver Bierhoff wird in erster Linie mit seinem Golden Goal bei der EM 1996 in Verbindung gebracht.

Furchterregend hässliche Frisur

Auch äußerliche Merkmale und Kosenamen sind hilfreich: Olaf Marschall setzte beim 1. FC Kaiserslautern auf eine furchterregend hässliche Frisur, deren Berühmtheit die seines fußballerischen Wirkens überstrahlte. Bielefelds Ansgar Brinkmann ist vielen nur deshalb ein Begriff, weil er "der weiße Brasilianer" genannt wurde.

Falls das fußballerische Können nicht ausreicht, um in der Nationalmannschaft oder der Bundesliga zu spielen, kann man auf Nischen der medialen Berichterstattung zurückgreifen. Der Ukrainer Nikolai Kutsenko hat das zu seinem Hobby gemacht. Kutsenko kann stundenlang den Ball hochhalten, das Leder also immer wieder in die Luft kicken und dafür sorgen, dass es nicht den Boden berührt.

Das allein würde noch nicht zur Berühmtheit reichen, weshalb Kutsenko die Sache etwas verschärft: Er geht spazieren, während er den Ball hochhält. Vorgestern lief er über 42 Kilometer - die volle Marathon-Distanz - quer durch Kiew, zehn Stunden lang, stets den Ball in der Luft haltend. 47.000 Mal habe er das Leder gekickt, sagte Kutsenko. Das sei ein neuer Rekord, berichten ukrainische Medien - die Kutsenko voll auf den Leim gegangen sind.

Mit seinem Hobby ist er beileibe nicht allein. Agim Agushi aus dem Kosovo ließ sich 2004 mit einem Cabriolet durch Antalya in der Türkei fahren. Auf einer Strecke von sieben Kilometern hielt Agushi den Ball mit dem Kopf in der Luft. Ein Jahr zuvor hatte Agushi seinen Neffen mit nach München gebracht, wo sich die beiden einen Fußball 11.111 Mal zuköpften. Über die Auswirkungen ist nichts bekannt, zumindest eine leuchtend rote Stirn dürfte dem Duo aber sicher gewesen sein.

Berühmtheit dank Büchsen

Das Problem der Kutsenkos und Agushis dieser Welt ist, dass Berühmtheit offenbar süchtig macht. Der Ukrainer will deshalb 690 Kilometer von Kiew nach Warschau laufen, den Ball hochhaltend, um einen neuen Langstreckenrekord aufzustellen.

Als Starttermin für sein Kunststück hat sich Kutsenko den 1. Mai ausgesucht. Man wird ihm die Frage stellen, ob er denn nicht Besseres zu tun habe, als ausgerechnet am Tag der Arbeit mit dem Ball am Fuß durch Osteuropa zu marschieren. Kutsenko sollte sich deswegen nicht grämen. Er könnte denjenigen, die sein Treiben als unsinnig erachten, ein Werk von Andy Warhol vorhalten: Der wurde schließlich unter anderem dadurch berühmt, dass er Konservenbüchsen malte.

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