Floorball:Ein Nationalspieler als Brückenbauer

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Die Bundesliga-Floorballer des VfL Kaufering kooperieren mit dem UHC Waldkrich St. Gallen - in der Schweiz ist ihre Sportart weitaus populärer.

Von Christian Bernhard

Auf der Landkarte trennen Kaufering und das schweizerische St. Gallen nur 171 Kilometer. In Sachen Floorball sind der 10 000-Einwohner-Ort südlich von Augsburg und die Ostschweizer Stadt aber deutlich weiter voneinander entfernt. "Die Schweiz ist das Eldorado der bayerischen Floorballspieler", erklärt Markus Heinzelmann, Trainer des Bundesligisten VfL Red Hocks Kaufering. In der Schweiz ist das dem Hallenhockey ähnliche Spiel, das einige Parallelen zum Eishockey aufweist, da auch hinter den Toren gespielt werden kann, eine große Nummer; wichtige Spiele werden live im staatlichen Fernsehen übertragen. "In Deutschland musst du dir die Weltmeisterschaften auf Youtube ansehen", ordnet Heinzelmann ein.

Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll nun dazu führen, dass auch in Bayern von der Schweizer Expertise profitiert werden kann. Die Kauferinger haben mit dem Schweizer Erstligisten UHC Waldkirch-St. Gallen eine Kooperation abgeschlossen, im Mittelpunkt stehen dabei der sportliche und organisatorische Wissenstransfer, Testspiel- sowie Trainingscamps-Zusammenarbeiten und die Betreuung von Gastspielern.

Anders als anderenorts in Deutschland fehlt es in Kaufering definitiv nicht an Floorball-Begeisterung, sie sei "in der Vereins-DNA integriert", sagt Nationalspieler Tino von Pritzbuer. Der 23-Jährige weiß, wovon er spricht, denn seinetwegen machte sich im Februar eine 40-köpfige Kauferinger Fan-Delegation auf den Weg in die Schweiz, um ihn und sein Team in den Playoffs anzufeuern. Von Pritzbuer stammt aus dem Red-Hocks-Nachwuchs - und ist jetzt ein Brückenbauer in die Schweiz: Er spielt seit zwei Jahren für den jetzigen Partnerklub UHC Waldkirch-St. Gallen.

Die Red Hocks, die unter dem Dach der Leichtathletik- und Turn-Abteilung eine Sparte beim Hauptverein VfL Kaufering bilden, haben 280 Mitglieder. Um die 45 Trainer kümmern sich um Jugend-, Wettkampf- und Hobbymannschaften. Die besonders in Skandinavien populäre Sportart wird in Kaufering seit 2004 praktiziert, die VfL-Sparte entstand "aus einer wilden Schülerhorde", erzählt Nachwuchsleiter Rasso Schorer. Angefangen von der U7 sind alle Jugendstufen abgedeckt, ein Frauenteam gibt es auch. "Bei uns kann man als Vierjähriger einsteigen", berichtet Schorer. Die beeindruckenden Zahlen führt Heinzelmann auf zwei Faktoren zurück. "Zuerst hat der Mehrfach-Aufstieg der ersten Mannschaft eine Sogwirkung gehabt", erklärt er, "mittlerweile erzielen auch die Titel im Jugendbereich diese Wirkung."

Die U17-Mannschaft etwa wurde im vergangenen Jahr Deutscher Meister. "Im Jugendbereich gehören wir in Deutschland zur Spitze", betont Heinzelmann. Der Männer-Trainer sieht die jetzige Herausforderung darin, diesen Schwung aufrecht zu erhalten, was gar nicht so einfach sei. Er hofft, dass die Kooperation mit St. Gallen dabei "ein zusätzlicher Push" ist. Ein großer Schritt sei sie allemal, sagt Heinzelmann, "weil wir ein bisschen isoliert sind, was das Spitzen-Floorball betrifft."

Der VfL ist der einzige bayerische Erstligist, das nächste Bundesliga-Team Schriesheim (Baden-Württemberg) ist 300 Kilometer entfernt. Die Red-Hocks-Jugend hat im Vergleich zum Fußball oder Eishockey deutlich weniger Wettkämpfe, statt jedes Wochenende kann sie nur alle drei oder vier Wochenenden Spielpraxis sammeln. "Im Moment schwimmen wir so ein bisschen in unserer eigenen Suppe", sagt Heinzelmann. "Da tun so externe Impulse richtig gut." Der Kooperation sollen keine Grenzen gesetzt werden. "Ausprobieren, versuchen, ausbauen oder wieder verwerfen - alles ist erlaubt", sagt Kauferings Spartenleiter Kevin Keß.

"Wir werden uns ein bisschen strecken müssen, aber es kann gut werden", sagt Schorer. Der Nachwuchsleiter, der das Floorball-Geschehen in Deutschland seit 15 Jahren verfolgt, erhofft sich durch die Kooperation mit St. Gallen auch Impulse in Sachen Trainerausbildung. "Wir tun uns schwer, eine wirkliche Trainerausbildung auf die Beine zu stellen", erklärt er, diese sei hierzulande noch ganz am Anfang: "Bei uns ist alles ein bisschen learning by doing." Viele der Trainer beim VfL sind Spieler oder Quereinsteiger, wie etwa Eltern von Jugendspielern. "Ihnen was gutes an die Hand zu geben, ist uns wichtig."

Bundesliga-Trainer Heinzelmann hat sich in der Corona-Pause "wahnsinnig viel mit Theorie" beschäftigt und konzeptionell gearbeitet. In der Mitte März aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochenen Saison hatte sich sein Team nach schwachem Start im neuen Jahr gefangen, die Playoffs waren in Reichweite. Dieser Schwung soll in die neue Spielzeit mitgenommen werden. Das Saisonziel ist schon klar: die Integration der jungen Spieler vorantreiben und aus ihnen "gestandene Bundesligaspieler" machen.

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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