Fifa-Diktatur:Fouls der Funktionäre

Lesezeit: 3 min

"Was müssen wir tun, dass es wenigstens ein bisschen so aussieht, als habe die Fifa Geschäftsethik?", heißt es in einer Mail aus der Fußballzentrale.

Thomas Kistner

Jetzt hilft nur noch Wolfgang Amadeus. "Mozart meets football" heißt das Motto, das die Fifa für ihre Weltfußballer-Ehrung ersonnen hat, oder besser: ausgeheckt. De Gala im Zürcher Opernhaus mit dem branchenüblichen Auflauf aus Kicker- und Kommunal-Adel soll ja auch die Affären gnädig zudecken, die sich der Weltverband im ablaufenden WM-Geschäftsjahr wieder geleistet hat.

Von den präpotenten Auftritten im WM-Veranstalterland über die Ticketschiebereien ihrer Vorstandsmitglieder bis zum jüngsten Sündenfall: die betrügerischen Ausbootung des langjährigen Topsponsors Mastercard aus dem Werbegeschäft. Kurz vor Weihnachten wurde noch rasch die Fifa-Marketing AG enthauptet, Direktor Jerome Valcke nebst drei Mitarbeitern gefeuert. Was die Affäre nur schmutziger macht, weil das amerikanische Gerichtsurteil detailliert einen von oben gesteuerten Deal zugunsten von Mastercards Marktrivalen Visa entlarvt.

"Was müssen wir tun, dass es wenigstens ein bisschen so aussieht, als habe die Fifa Geschäftsethik?", heißt es in einer Mail aus der Fußballzentrale - ein amüsanter Kontrast zu Sepp Blatters zwanghaft wirkender Fairplay-Rhetorik. Visa prüft eine Klage, das könnte teuer zu werden. Der im April 2006 geschlossene und von US-Richterin Loretta Preska nun aufgelöste Vertrag für die zwei WM 2010/2014 war 195 Millionen Dollar schwer.

Nun ist Mastercard wieder im Geschäft. Wie man bei den anderen fünf Topsponsoren über die mafiöse Einlage denkt, ist nicht bekannt. In Zeiten von Siemens und anderen Affären erhält solche Zurückhaltung einen Beigeschmack: Sind dies also die üblichen Methoden im Sportsponsoring? Beunruhigend wirkt das gesammelte Schweigen, wenn zugleich klar ist, wie hart der Sportwerbemarkt umkämpft ist: Siehe Nike, das beim DFB mit einer auf 50 Millionen Euro geschätzten Offerte pro Jahr Konkurrent Adidas vom Markt drängen will. Letztere investieren rund 15 Millionen.

Es hat gewisse Logik, dass sich die Athleten zurückhalten, wenn die Fouls der Funktionäre in den Blickpunkt rücken. So passte gut ins Bild, dass auch die drei Weltfußballer-Kandidaten 2006 angeknockt wirkten: Ronaldinho kam als Verlierer des Weltpokalfinales nach Zürich, Fabio Cannavaro hatte just per Platzverweis das Fußballjahr vorzeitig beendet.

Und dass es Zinedine Zidane unter die weltbesten Drei schaffte, der 34 Jahre alte Fußballruheständler und passionierte Kopfstoßtechniker, sagt so viel über den sportlichen Gehalt des WM-Jahres wie die Nominierung der beiden anderen. Titelverteidiger Ronaldinho war beim WM-Turnier ein Totalausfall, im ganz auf die Seniorenriege um Ronaldo zugeschnittene Spielkonzept Brasiliens wirkte er wie ein Jagdfalke im Wellensittichkäfig.

Der Italiener Cannavaro ist ein omnipräsenter Abwehrprellbock, dafür wurde er schon Europas Fußballer des Jahres. Im gesegneten Alter von 33 hat es der stellungssichere Spielzerstörer (nach dem Zwangsabstieg von Juventus Turin) zu Real Madrid geschafft.

Beweismittel verfälscht?

Die Auswahl bestätigt, dass diese WM wohl in der Tat nur ein Sommermärchen war. Märchenhaft für die Gastgeber, die als einziger Teilnehmer Angriffsfußball spielten und deren Schwachstelle, die Abwehr, erst im Halbfinale gegen Italien der ersten WM-reifen Prüfung unterzogen wurde. Und nur ein Märchen für all diejenigen, die glaubten, so eine WM würde Spitzenleistungen kreieren, Standards und Trends setzen.

Die wahre Leistungsmesse findet längst in der Champions League statt, hier hat auch Ronaldinho mit dem Titelhalter FC Barcelona seine Meriten erworben. Für die WM gilt indes: Nach Oliver Kahn 2002 hätte diesmal getrost Italiens Ballfänger Luigi Buffon das Prädikat des wertvollsten Akteurs erhalten dürfen.

Stattdessen also Kollege Cannavaro, nachdem spanische Medien in der Vorwoche auf Ronaldinho gesetzt hatten. Fehler bei der Auszählung, hieß es nun, Italiens WM-Kapitän Cannavaro wurde gleich mit der angeblich amtlichen Stimmenzahl von 498 Voten präsentiert. Jedenfalls spielt er bei Real im Verein des neuen Ehrenmitgliedes Sepp Blatter, und im Titanenkampf mit den verhassten Barcelonesen hat Real großes Interesse daran, den besten Kicker des Planeten zu präsentieren.

Der Tipp Cannavaro stammte jedenfalls aus Real-Quellen, und gemessen am breiten Grinsen, mit dem er Montagabend in Zürich ankam, hatte ihn der Verteidiger selbst schon vernommen. Auch sonst schien das Mienenspiel der Kandidaten aufschlussreich. Während Ronaldinho vor der Presse um sein Lächeln rang, bat Cannavaro um Geduld: "Ich bin froh, hier sein zu dürfen. Alles andere später."

Die Zauberflöte im Opernhaus übrigens hätte sich die Fifa gestern sparen können, Unterhaltsames hat sie ja selbst viel zu bieten. Es hätte genügt, die span-nendsten Sequenzen aus dem US-Urteilsspruch nachzuspielen. Etwa die, als Blatters Fifa-Exekutive Ende 2005 über die Sponsoringverträge diskutierte und im Moment, als die Sprache auf Mastercard kam, der Tonbandmitschnitt versagte. Zufälle gibt's! Wie es zu der technischen Panne kam, vermochte Blatter dem Gericht so wenig zu erklären wie den Umstand, dass auch die schriftlichen Aufzeichnungen der Sitzung nicht mit dem Tonband übereinstimmt.

Beweismittelfälschung, heißt das unter Juristen, und es gibt mehr davon. Am 4. April hatten die ausgebooteten Mastercard-Manager die Fifa vor einem Ab-schluss mit Visa gewarnt. Trotzdem unterschrieben die beiden Parteien zwei Tage später das Papier. Das besagt Visas Originalvertrag, datiert auf den 6. April. Indes trägt das Dokument, das die Fifa ans US-Gericht schickte, das Datum 3. April. Zudem sollen sich auch die beiden Unterschriften von Visa-Präsident Christopher Rodrigues signifikant unterscheiden.

© SZ vom 19.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: