Fifa-Affäre:Vergesslicher Bundesanwalt

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Warum hat die Schweizer Bundesanwaltschaft Treffen mit Verfahrensbeteiligten, dem Fußball-Weltverband Fifa, nicht protokolliert? Der Behördenchef kann das noch immer nicht erklären.

Von Thomas Kistner, München/Bern

Es wird eng für Michael Lauber, Chef der Schweizer Bundesanwaltschaft (BA). Bereits am Donnerstag übte das Aufsichtsorgan der Berner Bundesbehörde (AB-BA) scharfe Kritik an Laubers Vorliebe, Treffen mit Verfahrensbeteiligten ohne Protokoll abzuhalten - so hatte es der Schweizer Chefankläger bei zwei Meetings im Frühjahr 2016 mit Gianni Infantino gehalten. Erst im März flog ein drittes Treffen mit dem Boss des Fußball-Weltverbandes (am 16. Juni 2017) auf, aber an dieses kann sich der Berner Bundesanwalt partout nicht erinnern. Es geht noch bizarrer: Zufällig plagt diese Teil-Amnesie alle vier am Treffen Beteiligten: Laubers Sprecher, Infantino sowie dessen mit Fifa-Geschenken überhäuften Freund, einen Walliser Juristen. Am Samstag äußerte sich Lauber erstmals selbst zur Sache. Im Schweizer Radio SRF räumt er das dritte Treffen "aufgrund der Agendeneinträge" ein, behauptet aber weiter, er erinnere sich nicht daran: "Das mag schwer nachzuvollziehen sein, da habe ich volles Verständnis, aber ich lüge nicht." Noch erstaunlicher die Antwort auf die Frage, wie oft er sich insgesamt mit Infantino traf: "Ich gehe davon aus, dass es nach heutigem Wissenstand diese drei Treffen sind."

Es könnten also noch mehr sein. Und kein Beteiligter erinnert sich daran? Dabei bringt Lauber schon das dritte Treffen heftig in Bedrängnis. Dem vergesslichen Bundesanwalt, der im Juni für weitere vier Amtsjahre an der BA-Spitze kandidiert, schlägt seit Ruchbarwerden der Dates mit Infantino, um dessen Fifa zahlreiche Ermittlungen laufen, öffentliche Skepsis und viel Kritik in der Justiz entgegen. Hans-Peter Uster, Chef des Aufsichtsorgans AB-BA, hat kein Verständnis für Laubers Neigung, Treffen mit Verfahrensbeteiligten nicht aufzuzeichnen. Dass dies gesetzlich vorgeschrieben sei und in die Verfahrensakte gehöre, schon wegen der "Transparenz gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten - das habe ich vor 26 Jahren im Kanton Zug gelernt", schimpfte Uster vor der Presse.

Laubers Behauptung, das Meeting in einem Edellokal vor kaum zwei Jahren völlig vergessen zu haben, dazu die Andeutung, mehr Rendezvous' mit dem affärenumwitterten Fifa-Boss seien nicht auszuschließen - das offenbart eine absurd Befangenheit. Zudem hat Lauber, laut Chefaufseher Uster, am 12. November 2018 gegenüber der AB-BA die Frage, ob es weitere Treffen mit Infantino neben den beiden 2016 gab, so beantwortet: "Nein, nie auf Stufe Bundesanwalt!" Das wirkt nun wie ein strategischer Umgang mit den Fakten. Es gab ja zumindest ein weiteres Treffen "auf Stufe Bundesanwalt"; zudem schließt Laubers Formulierung explizit nicht aus, dass es unter der "Stufe Bundesanwalt" mehr Zusammenkünfte mit der Fifa gab.

Kurz nach Laubers SRF-Auftritt steuerte dann die Fifa ein unfreiwillig erheiterndes Statement bei: "Die Tatsache, dass der Fifa-Präsident den Bundesanwalt in öffentlichen Lokalen und in völliger Transparenz getroffen hat (...) ist nur ein Beispiel für die Bereitschaft der Fifa zur vollen Unterstützung der Arbeit der Bundesanwaltschaft." Die völlige Transparenz wird Infantino, der bisher wie Lauber von erstaunlicher Amnesie geplagt wurde, bald gegenüber der AB-BA zeigen können. Usters Aufseher sind gewillt, das größte Schweizer Justiz-Rätsel zu lösen: "Zu klären ist, wieso alle befragten Personen sich nicht mehr an den Termin am 16. Juni 2017 erinnern können."

Wird das nicht schlüssig dargelegt, droht Lauber ein Disziplinarverfahren. Nur kratzt auch das den Chefankläger wenig. Im SRF sagte er, seine Kandidatur hielte er auch in dem Fall aufrecht. Das ist eine gute Nachricht: für die vergesslichen Tafelfreunde von der Fifa.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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