Federer kehrt mit Niederlage zurück:Falsch gezwinkert

Lesezeit: 3 min

"Ich bin nicht so geschockt, dass ich verloren habe. Ich wusste, dass ich gegen Tommy verlieren könnte": Roger Federer gratuliert Tommy Haas. (Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Nach seiner Pause verliert Roger Federer in Stuttgart gegen Tommy Haas. Vor Wimbledon kann er seine Form nur noch in Halle testen.

Von Gerald Kleffmann, Stuttgart/München

Roger Federer besitzt eine spezielle Fähigkeit. Er kann in mehrere Rollen schlüpfen. Kürzlich schilderte ein Ex-Profi bei einem Plausch, wie er den Schweizer gefragt habe, wie der an Tagen klarkomme, wenn er sich nicht gut fühlt. Federer sagte, er stelle sich dann den idealen Federer vor, wie der agieren würde. Er imitiert sich quasi selbst. In Stuttgart, auf dem Killesberg, nahm er nun eine andere Rolle ein. "Ich gönne es ihm sehr, als Außenstehender, wenn Sie so wollen", sagte Federer, "wenn ich mich kurz wegnehme vom Match." Federer schlüpfte aus sich heraus und würdigte Tommy Haas wie einer der vielen Zuschauer an diesem schönen Sommertag.

Federer habe "zu viele einfache Asse" geschlagen, sagte er - das hatte Folgen für sein Spiel

Während die Aufregung groß war auf der Anlage des TC Weissenhof, weil der 39-jährige Deutsche 2:6, 7:6 (8), 6:4 das ATP-Turnier seiner Hauptattraktion beraubt hatte und nach dem kleinen Coup von einem "Schock" sprach, blieb der 35-jährige Federer nach dem Oldie-Duell ruhig in Gestik und Analyse. Zuerst gratulierte er Haas herzlich, sie sind eng befreundet. Auch er habe etwa gesehen, wie inniglich die kleine Valentina Papa Tommy angefeuert habe, "das war sehr süß", sagte Federer, dem der Moment so vorkam, "wie wenn mich meine Töchter anfeuern". Er sei aber nicht abgelenkt gewesen, auch wenn es anders sei, gegen einen Freund zu spielen. Sich selbst als Profi betrachtend, sagte Federer daher: "Ich bin nicht so geschockt, dass ich verloren habe. Ich wusste, dass ich gegen Tommy verlieren könnte."

Weil er wusste: 2017 gab es den Federer vor der Sandplatzsaison, der nach sechs Monaten Verletzungspause die Australian Open sowie die Turniere in Indian Wells und Miami gewann. In der Sandplatzsaison gab es 73 Tage lang gar keinen Federer, weil er seinen ungeliebten Belag der Konkurrenz überließ. Nun ist er wieder aufgetaucht, und selbst einer wie er, Inhaber von 18 Grand-Slam-Titeln, muss sich immer noch neu justieren. Im Tennis sei nichts sicher, gab er zu. Es gehe immer weiter.

Den Umstand, dass Federer ein Mensch im fortgeschrittenen Sportleralter ist mit seinen 35 Jahren, scheinen manche vor Heiligsprechung gerne zu vergessen. In seiner Selbstreflexion machte er klar, aus welch komplexen Bausteinen sein Spiel besteht, es ist jedenfalls nicht so, dass er dank einer Fügung nur den Schläger ergreifen muss, schon fällt ihm das Glück zu. Er habe die fehlende Matchpraxis insofern gespürt, weil mehr Gedanken als sonst auftauchten. Dinge wie: "Beweg dich schneller zur Vorhand, bleib tief beim Return, spring mehr beim Aufschlag." Manche Automatismen fehlten. " Zu viele einfache Asse" habe Federer geschlagen, was komisch klingt, aber deren Auswirkungen er plausibel erklärte. Er vernachlässigte "mein Serve-and-Volleyspiel", blieb zu oft an der Grundlinie. Als Haas besser wurde, fand Federer unter Druck nicht mehr den Weg, den taktischen Fehler zu revidieren. Was auch an der Besonderheit des Belages lag. "Die Marge auf Rasen ist gering", sagte er. "Einmal mit dem falschen Auge beim Return gezwinkert, schon ist es passiert."

In seinem Fall passte dieses Bild. Im Tie-Break hatte er Matchball, den Haas mit eigenem Aufschlag abwehrte. Federer hat nun zweimal in diesem Jahr verloren, beide Male fehlte ihm ein Punkt zum Sieg. In Dubai gegen den Russen Jewgeni Donskoi waren es gar drei Matchbälle. Damals war es nach vier Wochen sein erstes Turnier nach dem Triumph von Melbourne. Als wäre er ein Orakel, hatte Rafael Nadal nach seinem French-Open-Sieg gemeint: "Was Federer gemacht hat, ist riskant." Er meinte: dass der die Sandplatzsaison ausließ.

Diese Annahme mag angesichts Federers Auftritt in Stuttgart richtig klingen, doch genau so richtig ist, dass Federer auf Asche mehr hätte verlieren können. Sich gegen Wühler aufzureiben, um spätestens gegen den wiedererstarkten Nadal zu verlieren, war ihm keine Option - als Vorbereitung auf sein großes Ziel. In Wimbledon den achten Titel zu holen, "ist irgendwo bei mir im Hinterkopf sehr präsent".

Federer trainiert nun diese Woche in der Heimat, dann bleibt ihm das Turnier in Halle, um mit besserem Gefühl nach London zu reisen. Immerhin, ein Ass hat er im Ärmel. Vielleicht tauche er in Westfalen, sagte er in Anspielung an die Hilfe von Valentina Haas, "mit zwei auf", dann sei er im Vorteil - er meinte seine älteren Kinder, die Zwillingsmädchen. Und in Wimbledon "mit vier, wenn es sein muss" - er meinte die kleinen Zwillingsjungs. Bei Haas (am Freitag gegen Mischa Zverev) sah man, was diese Claqueure bewirken können.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: