Fecht-WM:Kerzengerade Sturzangriffe

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Verlor zwar das Degen-Halbfinale bei der Fecht-WM in Leipzig, freute sich am Ende jedoch über Bronze: Richard Schmidt, hier nach seinem Achtelfinal-Sieg. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Richard Schmidt holt bei der Fecht-WM die erste deutsche Medaille. Bislang war der Bronze-Gewinner mit dem Degen nur Insidern bekannt - der Tauberbischofsheimer kommt von Platz 135 der Weltrangliste.

Von Volker Kreisl, Leipzig

Auch der zweite Tag der Fecht-Weltmeisterschaft war schon kurz davor, mit den gewohnten deutschen Enttäuschungsszenen zu enden. Solche spielen sich ja schon nachmittags ab, wenn feststeht, wer beim abendlichen Halbfinale und Endkampf dabei ist, und wer nicht. Die Deutschen warteten seit Beginn dieser Heim-WM natürlich auf das frühe Erfolgserlebnis, das die anderen mitreißt. Doch am Freitag verloren schon im Achtelfinale die hoch favorisierten Säbelfechter, so ging es im Frauenflorett weiter, am Samstag verabschiedeten sich dann der Reihe nach der erste Degenfechter, dann die erste und zweite Säbelfechterin, im Viertelfinale dann die dritte, und schon wieder sanken Schultern und Köpfe. Aber dann kam der Auftritt von Richard Schmidt.

Um kurz vor halb fünf war alles rosa. Die Deutschen hatten nicht nur plötzlich mindestens eine Bronzemedaille, bei der es am Abend nach dem Goldgewinn von Paulo Pizzo/Italien auch blieb. Sondern es war auch noch eine WM-Medaille im Männerdegen. Das gab es seit 16 Jahren nicht mehr, Männerdegen war ja aus einer Parade- zu einer Sorgendisziplin geworden. Dass sich seit dem Umbau im vergangenen Sommer mit dem neuen Trainer auch neuer Schwung aufgebaut hatte, war in den Platzierungen des Degenteams schon erkennbar gewesen, dass es zu einer Einzelmedaille reichen würde, allerdings nicht.

Schmidt nennt sich selbst eine "Flash-Machine"

Der 25-jährige Richard Schmidt aus Tauberbischofsheim, die Nummer 135 der Weltrangliste, hatte in seinem Tableau-Lauf nicht die allerschwersten Gegner, doch die waren ihm laut Weltrangliste immer noch meilenweit voraus. Schmidt ist ja einer von acht WM-Debütanten, die der Deutsche Fechter-Bund in Leipzig ins Rennen bringt. Den weltweit Führenden, Sangyoung Park aus Korea, hatte ihm freundlicherweise ein Luxemburger aus dem Weg gefochten, den Schmidt dann seinerseits besiegte. Darauf folgten noch der Kasache Ruslan Kurbanow (Nr. 28) und der Japaner Satoru Uyama (Nr. 32).

Schmidt zeigte sich aber unbeeindruckt. Wirklich in Bedrängnis geriet er nie, wohl auch, weil die anderen die Situation unterschätzten. Für sie mag dieser unbekannte Schmidt so beliebig gewesen sein wie sein Nachname. Dass so einer durch den Lärm des Heimpublikums zusätzliche Kräfte entfachen kann, dass er trotz seiner dreistelligen Ranglistennummer einige Vorzüge auf der Planche haben kann, vergessen dann eben doch viele.

Schmidt nennt sich selber an manchen Tagen "Flash-Machine", er kann sogenannte Flashs, also Sturzangriffe, recht gut setzen, an diesem Samstag gelang es ihm regelmäßig. "Ich konnte beide Gegner heute kerzengerade angreifen", sagte er später, auch durch Rückstände ließ er sich nicht von seiner konsequenten Vorwärtsrichtung abbringen. Im Grunde waren seine letzten Gefechte schon kurz vor dem Ende entschieden. Schmidt führte jeweils mit zwei Punkten und brachte diese dann recht abgeklärt per Doppeltreffer ins Ziel.

Alles fügt sich in eine allgemeine Aufbruchstimmung

Schmidts unerwarteter Gefechtsverlauf entsprach in etwa Max Hartungs Niederlage gegen den ungarischen Säbelfechter Andras Szatmari, nur mit vertauschten Rollen. Hartung war am Freitag der Unterschätzende. "Ich habe Szatmari schon zweimal hoch besiegt", sagte er danach, diesmal ist es nicht gelungen. Weshalb, das konnte sich der aktuelle Europameister auch nicht genau erklären. Mit Sicherheit lag es aber auch daran, dass Szatmari an diesem Tag Bestform hatte, er wurde dann später Weltmeister. Hartungs Teamkollege Matyas Szabo schied ebenfalls im Achtelfinale aus, allerdings hatte er sich im Verlauf des Gefechts verletzt. Szabo war im Rückwärtslaufen auf den Rücken gestürzt, womit ein soeben gestoppter Verspannungsschmerz aus den Tagen zuvor wieder aufbrach. Im Teamwettkampf am Montag will er dennoch antreten.

Claudia Bokel, die Präsidentin des DFeB, zog ein positives erstes Fazit: "Ich habe sehr gute Gefechte gesehen, ich bin zwar noch nicht euphorisch, aber zufrieden, wir machen unsere Arbeit bis 2024 weiter", sagte sie. Es sollen ja über die nächsten Jahre in allen Bereichen neue Teams geformt werden, und bei näherem Hinsehen gab es außer der Bronzemedaille doch einige Ansätze. Zum Beispiel den konsequenten Auftritt von Anna Limbach, 28, am Säbel und von Anne Sauer, 26, die mit dem Florett zwei nominell hoch überlegene Gegnerinnen entnervte, einmal, in dem sie einen Acht-Punkte-Rückstand egalisierte und im Sudden Death gewann.

All das fügt sich nun in die allgemeine Aufbruchsstimmung, ebenso wie die neue Weltranglistenposition von Richard Schmidt. Genau steht sie noch nicht fest, aber die Nummer 135 ist er jedenfalls los.

© SZ vom 23.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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