FC Ingolstadt:Oberbayerische Gesetzlosigkeit

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Ein Bussi zum Heimsieg: Ingolstadts Torschütze Romain Brégerie feiert auf die romantische Art. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Nach dem kurios erreichten Heimsieg gegen Mainz fühlt sich der FC Ingolstadt vor dem Derby beim FC Augsburg in seiner Zuversicht bestärkt, das Wunder Klassenverbleib vollbringen zu können.

Von Maik Rosner

Der Ausdruck der Glückseligkeit kam so knallig-plakativ daher wie die Werbesprüche des Trikotsponsors. "Mega zufrieden" sei er, sagte Romain Brégerie, nachdem er den 2:1-Sieg des FC Ingolstadt gegen den FSV Mainz 05 mit seinem dritten Saisontor eingeleitet hatte. Später trafen auch die Kollegen Marvin Matip ins eigene Tor, jedenfalls nach offizieller Auslegung der Deutschen Fußball Liga, und Florent Hadergjonaj in das der Mainzer. So unterschiedlich alle drei Treffer dieses Sonntagsspiels in der 10., 71. und 73. Minute auch waren, jedes passte für sich gut ins Bild des angestrebten Wunders, das die Ingolstädter in der Endphase der Saison vollbringen wollen.

Ins Schlachtengemälde fügte sich auch die Glückseligkeit des Innenverteidigers Brégerie, nachdem der erste Teil des verwegenen Auftrags erfüllt worden war. Mit "mega zufrieden", wie der Franzose gesagt hatte, konnte ja nur das Ergebnis gemeint sein. Andererseits mussten die Ingolstädter sich wegen des Sieges nicht beschweren über ihre Defizite, die auch gegen den Abstiegskonkurrenten Mainz sichtbar geworden waren, vor allem in der zweiten Halbzeit. "Wir müssen einfach 90 Minuten durchspielen - und das Woche für Woche. Über die Phase müssen wir noch einmal sprechen", sagte Trainer Maik Walpurgis. Wegen des dritten Heimsieges in dieser Saison war aber auch er zufrieden, wenngleich nicht mega.

Vielleicht lässt sich die Situation der Ingolstädter und ihr Umgang mit dieser schlicht nicht mit handelsüblichen Denkmustern beschreiben. Sieben Punkte beträgt ihr Rückstand auf den Relegationsplatz und auf Mainz, das nur dank der besseren Tordifferenz über dem Strich steht. Über dem FC Augsburg also, dem kommenden Gastgeber für den FCI am Mittwochabend (20 Uhr) im bayerischen Abstiegskrimi. Vermutlich ist es sogar so, dass sich der FCI allen Gesetzmäßigkeiten der Branche widersetzen muss, wenn er tatsächlich vollbringen möchte, was noch keinem Verein in einer derartigen Lage geglückt ist.

Das Spiel gegen Mainz hielt schon einmal alle Zutaten für wundersame Fügungen bereit: Reduziert auf die Tore waren dies Brégeries planmäßig erzielter Kopfballtreffer, der nur deshalb möglich war, weil die Mainzer vergessen hatten, welche Sofortmaßnahmen sie gegen ihre chronische Schwäche beim Verteidigen von Standardsituationen vereinbart hatten. Hinzu kam jenes, nun ja, Eigentor von Kapitän Matip, das normalerweise ausgereicht hätte, um eine abgeschlagene Mannschaft zu brechen. Doch es folgte prompt Hadergjonajs verrutschte Flanke, die sich einen Spaß draus machte, ihre Reise im Tor zu beenden, obwohl die Flugbahn des Balles eigentlich etwas anderes vorhatte. Einen Bogen vom Tor weg beschrieb diese ja, und hätte der Pfosten 30 Zentimeter näher an ihrem Ausgangspunkt gestanden, wäre der Ball an der Restchance auf die Versetzung des FCI vorbeigeflogen. Dass Walpurgis später sagte, er habe das Tor nicht gesehen, weil er gerade mit einem Briefing für eine Einwechslung beschäftigt war, unterfütterte das kuriose Bild. Ebenso wie sein Befund, "den trifft er sehr gut". Gemeint war Hadergjonaj. Zur Ehrenrettung sei erwähnt, dass Walpurgis die gehörige Portion "Matchglück", wie er sagte, sehr wohl bewusst war. Immerhin war es ein insgesamt verdientes Glück.

Hadergjonajs krummes Tor darf als prominentestes Beispiel für die Ingolstädter Gesetzlosigkeit gelten, wenn man so will. Vorangegangen war dem Spiel schon ein trotziger Optimismus, der sich gegen alles stellte, was in der Branche sonst gepredigt wird. Zum Beispiel, nie über das nächste Spiel hinauszublicken und rosarote Hochrechnungen anzustellen. Beim FCI wissen sie ganz genau, dass sie eine Mission verfolgen, die nicht wenige für ziemlich impossible halten. In ihrer Zuversicht bestärkt fühlen sie sich dennoch. Zumal sie am Mittwoch mit einem Sieg bis auf vier Punkte an Augsburg heranrücken könnten - und womöglich auch an Mainz, das zeitgleich den Tabellenzweiten RB Leipzig empfängt.

Zehn Punkte Rückstand auf Platz 16 hatte der FCI vor dem Wochenende, nun steht binnen vier Tagen der Anschluss in Aussicht. Und am Sonntag gegen Darmstadt der direkte Kontakt zur Konkurrenz. "Wir haben wieder eine Chance", frohlockte Defensivspieler Roger. Das hatten die anderen Ingolstädter schon vor dem Sieg ausgerechnet - wider alle Gesetzmäßigkeiten.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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