FC Ingolstadt:Heilende Hände, junge Beine

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Härter als gedacht? Trainer Jens Keller bleibt nach seinem Einstand Tabellenletzter mit dem FC Ingolstadt. (Foto: Jan Huebner/imago)

Ingolstadts neuer Trainer Jens Keller setzt bei seinem Einstand auf zuletzt wenig beachtete Spieler und eine junge Abwehr. Die Taktik geht fast auf - doch dann fällt ein Darmstädter über den Ball und wird mit einem Elfmeter belohnt.

Von Johannes Kirchmeier, Darmstadt/München

Es schien am frühen Samstagnachmittag schon so, als hätte Jens Keller vor einer Woche schamlos gelogen. Der neue Trainer des Fußball-Zweitligisten FC Ingolstadt saß da zum ersten Mal in seiner neuen Funktion im Stadion der Oberbayern und sagte in die Kameras: "Ich werde hier nicht die Hand auflegen können und alles ist gut." Er lächelte immer wieder bei seiner Vorstellung. Wohl auch ein bisschen, weil er nach diesem Satz wusste, dass er damit einerseits alle Hoffnungen der Ingolstädter Fans schnell gedrosselt hatte - und andererseits nun nur noch gewinnen konnte.

Danach sah es am Samstag auch gleich aus: Der FCI legte in Kellers erstem Spiel beim SV Darmstadt 98 furios los, passte sich nach 20 Sekunden in den Darmstädter Strafraum, wo der Spielmacher Sonny Kittel alleine auf Torwart Daniel Heuer Fernandes zu flitzte und an ihm vorbei war, als er von Fernandes mit einer Hand aus dem Tritt gepatscht wurde. Elfmeter für den FCI. Der neu ins Team gerückte und zuvor nur einmal in dieser Saison als Torschütze in Erscheinung getretene Angreifer Darío Lezcano trat an, er traf nach etwas über einer Minute. Ist Keller also doch der Messias, den sie nach zwei Trainerentlassungen beim Tabellenletzten erwarteten? "Wir wollten, dass die Mannschaft fightet, Mentalität zeigt bis zum Schluss - das hat sie gemacht", sagte Keller später bei Sky. Doch er fügte an: "Wenn das Tor nicht fällt, gewinnen wir. Das ist natürlich ärgerlich, aber wir nehmen den Punkt mit."

"Eine klare Fehlentscheidung"

Die Antwort sollte also lauten: Nein. Ingolstadt kassierte zehn Minuten vor dem Ende noch das 1:1 bei den zuvor dreimal unterlegenen Hessen - wenngleich dem Elfmetertor von Tobias Kempe eine "klare Fehlentscheidung" vorausging, wie nicht nur Keller fand. Darmstadts Fabian Holland rutschte auf dem Ball aus, und wurde anders als von Schiedsrichter Alexander Sather vermutet, von Kittel nicht getroffen. Trotzdem kassierten die Ingolstädter nach gerade einmal 16 Spieltagen bereits zum achten Mal ein Gegentor per Strafstoß - eine Horrorquote. Ebenso wie die folgenden Statistiken, die Kellers zwei Hände nach dem ersten Auflegen erst einmal noch nicht hinbekommen haben: Bisher blieb der Klub nie ohne Gegentor. Der Nachfolger von Stefan Leitl, Alexander Nouri und Interimstrainer Roberto Pätzold übernahm so nicht nur das Amt der Vorgänger, sondern baut auch deren Serie aus: Zwölf Spiele hat der Tabellenletzte nicht gewonnen. "Es gibt immer Gründe, warum man nach 15 Spieltagen auf dem letzten Platz steht", sagte der neue Trainer am vergangenen Sonntag.

Dennoch war er sechs Tage danach mit seinem Debüt zufrieden: "Wir waren füreinander da, haben klar und deutlich den Abstiegskampf angenommen." Zuletzt hatte er vor fast genau einem Jahr sein letztes Zweitligaspiel angeleitet, als Trainer des 1. FC Union Berlin.

Was er positiv vermerken konnte: Seine Wechsel und der verstärkte Fokus auf die Defensive haben im Grunde funktioniert. Anders als die Vorgänger setzte er auf den bisher verschmähten Robert Leipertz und eine Abwehr der 21-Jährigen mit Torhüter Fabijan Buntic, Rechtsverteidiger Frederic Ananou und den Innenverteidigern Phil Neumann und Benedikt Gimber. Lediglich Linksverteidiger Marcel Gaus, 29, war älter. Viel mehr als von seinen heilenden Händen erwartet Keller also von vielen jungen Beinen die Rettung des FC Ingolstadt.

© SZ vom 09.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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