FC Ingolstadt:Der Arbeiter und seine Buden

Lesezeit: 3 min

Erlebt die achte Saison in Ingolstadt: Moritz Hartmann hat in der dritten, zweiten und ersten Liga gespielt. (Foto: Stefan Bösl/imago)

Moritz Hartmann dachte vor zehn Jahren nicht an die Bundesliga, heute ist er dort regelmäßiger Torschütze. Doch seine größte Stärke, sagt sein alter Trainer, ist sein Charakter: "Er spielt keinen Heldenfußball."

Von Sebastian Fischer

Es ist nicht lange her, da dachte der Fußballer Moritz Hartmann etwas für Fußballer eher ungewöhnliches. Der FC Ingolstadt gewann in seiner ersten Bundesligasaison so oft, wie es die kühnsten Optimisten Oberbayerns nicht erwartet hatten, der Klub war nie in Abstiegsgefahr, und Hartmann traf das Tor so oft wie niemand in seine Team. Moritz Hartmann dachte: Das geht nicht mehr lange gut.

Der FC Ingolstadt bereitet sich gerade in Längenfeld in Österreich auf seine zweite Bundesligasaison vor, am Dienstag verlor er einen Test gegen den FC Turin 0:1; die Arbeit unter dem neuen Trainer Markus Kauczinski ist eine Zeit der Eingewöhnung. Sie ist auch von der Ungewissheit geprägt, wie die Spieler auf seine Ideen reagieren, und ober er seine Ideen an die Stärken der Spieler anzupassen vermag. Am Dienstag stand die Verpflichtung von Verteidiger Anthony Jung von RB Leipzig bevor, der 24-Jährige sollte noch den Medizincheck absolvieren. In der Abwehr benötigt der FCI Verstärkung, die Saison wird schwierig, schwieriger wohl als die vergangene. Doch spricht man in diesen Tagen mit Hartmann, klingt er sehr gelassen: Er hat am Sonntag seinen Vertrag verlängert; vorzeitig, erstmals in seiner Karriere.

Es ist eines der Merkmale von Geschichten über Fußballer, dass sie einander ähneln. Sie handeln zum Beispiel vom Denken von Spiel zu Spiel. Doch die von Hartmann, 30, ist anders. Er hat nun in Längenfeld nicht übers nächste Spiel, sondern über die vergangenen zehn Jahre nachgedacht und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen: "Es ist schon ein krasser Weg, das macht mich stolz."

Vor elf Jahren spielte Hartmann, geboren in Oberviechtach, aufgewachsen im Rheinland, noch in der Verbandsliga beim VfL Rheinbach und dachte nicht an die Bundesliga, noch nicht mal an die zweite. Er machte in Rheinbach "seine Buden", so sagt Hartmann das gerne, als handle es sich beim Toreschießen um ein schlichtes Handwerk. Er wechselte zum 1. FC Köln, wo er sich an den neuen Trainingsrhythmus gewöhnen musste, fünfmal in der Woche statt dreimal, er musste an seiner Athletik arbeiten und seiner Technik, musste gegen Spieler bestehen, die schon als Kinder unter feinsten Bedingungen trainierten.

Christoph Daum, damals Kölns Profitrainer, zählte nicht zu seinen Förderern. Bei den Profis hatte Hartmann kaum Chancen, doch weil er seine Buden machte, holte ihn 2009 der Zweitliga-Absteiger Ingolstadt in die dritte Liga. An die Bundesliga dachte Hartmann noch immer nicht.

Im April dieses Jahres hat Hartmann in Ingolstadt mit Frank Schaefer zu Mittag gegessen, es war nach dem Wochenende, an dem der FCI den Klassenverbleib besiegelte und Hartmann sein zehntes von zwölf Saisontoren schoss. Schaefer, einst Hartmanns Trainer in der zweiten Mannschaft des 1. FC Köln, hospitierte beim FCI unter Ralph Hasenhüttl. Schaefer lobte seinen alten Spieler, und er sagte ihm, dass er schon damals eine Eigenschaftin ihm gesehen hatte, die ihn zum erstligatauglichen Fußballer macht. Hartmann, sagt Schaefer, "spielt keinen Heldenfußball".

Wer mit Schaefer über Hartmann spricht, der hört einem Mann beim Schwärmen zu: "Mo war immer total teamfähig. Er hat die Fähigkeit, mit einem Team zu wachsen, sich an ein höheres Niveau anzupassen. Das haben nicht viele, denn das braucht harte Arbeit."

In diesem Sommer war etwas anders: Der FCI kam früh auf ihn zu, um den Vertrag zu verlängern

Hartmann geht nun in seine achte Saison in Ingolstadt, er hat in der dritten, in der zweiten und auch in der ersten Liga seine Buden gemacht, in der vorigen Saison acht per Elfmeter. Schaefer sagt, es sei der richtige Weg gewesen, von Liga zu Liga als Spieler zu wachsen. Doch Hartmanns Weg ist eben auch einer, der schnell vorbei sein kann, wenn ein Klub plötzlich einen Künstler haben will und keinen Arbeiter, auch wenn er noch so gut ins Ingolstädter Pressingsystem passt. Es war Ausweis seiner Stärke, dass er sich im Moment des Erfolgs seiner Schwächen bewusst war.

"Hin und wieder", sagt er also nun im Trainingslager in Längenfeld, "kam der Gedanke, es könnte jetzt auch bald in Ingolstadt vorbei sein." Er dachte: Setzt der Manager vielleicht bald eher auf Talente? "Das war eine Zwickmühle, eine Ungewissheit." Doch dann war in diesem Sommer etwas anders. Bislang war es in seiner Karriere ja stets so gewesen, dass seine Verträge immer kurz vor knapp verlängert worden waren: Ach ja, der Hartmann, den brauchen wir noch. Nun kam der Verein früher auf ihn zu, Hartmann hatte noch einen Vertag bis 2017, war erstmals in der besseren Verhandlungsposition. Er unterschrieb mit 30 seinen bislang besten Vertrag.

Wenn ein neuer Trainer kommt, dann führt er mit den wichtigen Spielern Antrittsgespräche, und natürlich hat Markus Kauczinski schon mit Moritz Hartmann gesprochen. Er ist Teil der Achse aus Kapitän und Innenverteidiger Marvin Matip und Spielmacher Pascal Groß, die auch in diesem Sommer ihre Verträge verlängert haben. Kauczinski fragte Hartmann nach einer Selbsteinschätzung, und Hartmann sagte, er sei flexibel einsetzbar, "außen oder vorne, Hauptsache ich spiele". Es war die Forderung eines Fußballers, der von seinem Weg überzeugt ist.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: