FC Ingolstadt:Appell von unten

Lesezeit: 3 min

Entsetzte Blicke: Methew Leckie erhält beim 2:0 in Frankfurt die rote Karte, seine Mitspieler Florent Hadergjonaj (links) und Alfredo Morales können es nicht fassen. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Verschwörungstheorien möchten die Verantwortlichen des FCI nicht befeuern - aber sie wollen die Schiedsrichter mit ihrer ausgiebigen Kritik sensibilisieren.

Von Maik Rosner

Auch unter der Woche war das umstrittene Handtor von Lars Stindl noch sehr präsent beim FC Ingolstadt, wenngleich sie inzwischen beschlossen haben, sich nun lieber auf das Spiel in Hoffenheim am Samstag auszurichten. Trösten konnten sie sich beim FCI ohnehin kaum mit den vielen Debattenbeiträgen, die in der Mehrzahl ihrer Argumentation folgten, das vorentscheidende 0:1 durch Mönchengladbachs Kapitän am Sonntag sei nicht regelkonform gewesen. Das galt auch für jene Expertise, die vom wohl weltweit größten Fachmann für die Koexistenz von Pech und Glück im Fußball eingereicht worden war. Gefühlte oder tatsächliche Ungerechtigkeiten pendelten sich im Saisonverlauf mit günstigen Fügungen ein, sagte Christoph Kramer. Ergänzt hat Kramer als schwachen Trost für den FCI noch seine Sicht auf die Gesamtbilanz der Borussia: "Wir hatten in der Szene vielleicht Glück, aber wir sind trotzdem insgesamt noch ein bisschen auf der Pechseite."

Christoph Kramer hat das Zusammenspiel von Pech und Glück schon einmal besonders gebündelt erlebt. Er weiß also, wovon er redet, jedenfalls im Nachhinein. Kramer hatte im WM-Finale 2014 ja das Pech, so heftig mit dem Argentinier Ezequiel Garay zusammenzuprallen, dass er sich eine Gehirnerschütterung zuzog und beim Schiedsrichter erkundigen musste, ob er gerade in einem WM-Finale mitspiele. Er hatte aber auch das Glück, dass ihn die Kollegen bald darauf Weltmeister nannten, ohne dass er dies zunächst wirklich nachvollziehen konnte.

"Ich hoffe, dass niemand gegen uns ist. Das wäre sehr, sehr schlimm", sagt Morales

Beim Tabellen-17. Ingolstadt wären sie schon froh, wenn sie sich nach dieser Saison weiterhin als Erstligist bezeichnen dürften. Nicht schlecht wäre es aus ihrer Sicht zudem, wenn nicht nur das Glück, sondern auch die Gerechtigkeit es langsam mal mit ihnen halten würde. Einige Spieler haben das vorgetragen, am markantesten Alfredo Morales. Es habe zuletzt oft Schiedsrichter-Entscheidungen gegeben, "bei denen man sich an den Kopf packt", sagte er. "Ich hoffe, dass niemand gegen uns ist. Das wäre sehr, sehr schlimm."

Verschwörungstheorien wollen sie beim FCI nicht befördern, aber auch Geschäftsführer Harald Gärtner sah sich in dieser Woche mehrfach veranlasst, öffentlich eine faire Behandlung für die kleinen Klubs mit der geringeren Lobby anzumahnen. Im Ringen um die Versetzung dürfe man "eine neutrale Leitung der Spiele durch die Unparteiischen erwarten", sagte er, "leider entsteht bei uns nach nunmehr 22 Spielen jedoch der Eindruck, dass wir wiederholt benachteiligt wurden". Unbewusst, betont Gärtner. Genau deshalb zielt er nun mit seinem Appell von unten darauf ab, die Schiedsrichter zu sensibilisieren, damit sie im Zweifel nicht zu Gunsten der Großen pfeifen.

Es ist natürlich meist ein subjektiver Befund, ob Spielleiter richtig oder falsch entscheiden. Bei Stindls Handtor gingen die Meinungen darüber sogar unter unbeteiligten Schiedsrichtern auseinander, weil die entsprechende Regel nicht präzise genug ist. Aber auch bei den anderen Regeln sind in der Summe jene strittigen Situationen in der Mehrzahl, die gegen den FC Ingolstadt gewertet wurden. Diesen Befund legen auch Einschätzungen unabhängiger Beobachter nahe.

Der Einspruch gegen die Sperre Leckies ist in der zweiten Berufung am DFB-Bundesgericht

Zu diesen Szenen gehört das Abseitstor des Kölners Anthony Modeste zum 1:0 aus dem Oktober ebenso wie ein verweigerter Foulelfmeter im Dezember, als Bremens Torwart Jaroslav Drobny Mathew Leckie zu Fall brachte. Beide Auswärtsspiele verloren die Ingolstädter 1:2. Hinzu kamen nach unterschiedlicher Zählung drei bis fünf weitere wichtige und strittige Entscheidungen gegen den FCI sowie zwei bis drei zu dessen Gunsten. Zum gefühlten Malus gehört auch Leckies rote Karte in Frankfurt, die zwar keinen Einfluss auf den 2:0-Auswärtssieg hatte, aber auf die Partie gegen Gladbach und wohl ebenso noch auf die anstehende in Hoffenheim. Es sei denn, die Ingolstädter haben an diesem Freitag mit ihrem weiteren Einspruch gegen Leckies Zwei-Spiele-Sperre in der nächsten Instanz Erfolg, beim DFB-Bundesgericht. Die erste Berufung wegen des ihrer Meinung nach keineswegs rohen Spiels war vom DFB-Sportgericht abschlägig beschieden worden.

Gärtner hat vor der Reise nach Hoffenheim noch seine Überzeugung formuliert, dass in der Mannschaft "eine Jetzt-erst-recht-Stimmung" Einzug gehalten habe. Er dürfte hoffen, dass diese auch das Glück honorieren wird. Wie am Samstag beim Ligakonkurrenten aus Berlin. Herthas Trainer Pal Dardai hatte jüngst nach dem Gegentor des Meisters aus München zum 1:1 in der sechsten Minute der Nachspielzeit einen vermeintlichen "Bayern-Bonus" beklagt. Eine Woche später durfte er nach dem 2:0-Sieg gegen Frankfurt und einem irregulären Tor über einen "Hertha-Bonus" scherzen.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: