FC Ingolstadt:Abschied vom Schlüsselspieler

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Ende der Zusammenarbeit: Ingolstadts Trainer Maik Walpurgis (links) muss in der zweiten Liga ohne Thomas Linke auskommen. (Foto: DeFodi/imago)

Nach sechs Jahren im Verein bittet Sportdirektor Thomas Linke um die Auflösung seines Vertrags. Er sagt, er brauche eine Pause vom Fußball - und hinterlässt ein paar Fragen.

Von Sebastian Fischer

Im Büro von Thomas Linke auf der Geschäftsstelle des FC Ingolstadt steht seit Jahren ein Regiestuhl. "Thomas Linke" steht auf der Rücklehne geschrieben, den Stuhl hatte er als Gast einer Fußball-Talkrunde im Bezahlfernsehen geschenkt bekommen. Linke mag solche Besuche nicht, vielleicht sogar überhaupt gar nicht - aber stolz, da gewesen zu sein, war er dann schon irgendwie, sonst hätte er ja nicht diesen Stuhl dort hin gestellt, wo er ihn jeden Tag sah. Wenn man Linke in der Vergangenheit darauf ansprach, dann lächelte er viel und sagte wenig. Es wirkte, als wollte da einer, der schon als Verteidiger in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern zu den zurückhaltenden Spielern gehört hatte, zum Fußball dazugehören, ohne so richtig im Fußballgeschäft mitzumachen.

Nun macht er vorerst nicht mehr mit.

Linke, 47, ist nicht mehr Sportchef des FC Ingolstadt. Der Bundesliga-Absteiger verschickte am Mittwochnachmittag eine Mitteilung, wonach der Manager den Klub nach sechs Jahren auf eigenen Wunsch verlasse und sein bis 2018 gültiger Vertrag zum 30. Juni vorzeitig aufgelöst werde. Es ist ein Entschluss, der ein paar Fragen hinterlässt. Er habe, so wird Linke in der Mitteilung des Vereins zitiert, mit Ablauf der vergangenen Saison das Gefühl gehabt, "dass ich der Mannschaft und dem Verein nicht mehr die nötigen Impulse geben kann, die sie brauchen, um erfolgreich zu sein." Er habe zunächst Abstand zum Tagesgeschäft gewinnen wollen, doch im Urlaub sei er zu dem Entschluss gelangt, eine Pause einzulegen.

Zuletzt war Linke selten zu sprechen, er wirkte genervt und zog sich sehr zurück

Linke kam im Herbst 2011 nach Ingolstadt. Beim FCI wirkte er stets in betulichem Umfeld, er machte Fehler und es war nicht so schlimm, er machte etwas richtig und es war keine Sensation. "Man sollte beim Einstieg zunächst einen Ort finden, an dem Fehler nicht so schwer wiegen", sagte er mal. Linke holte die Trainer Marco Kurz im Jahr 2013 und Markus Kauczinski 2016, die er nach wenigen Monaten wieder entlassen musste. Aber er war es auch, der Ralph Hasenhüttl verpflichtete, unter dem der FCI aufstieg, was vor allem dem Trainer angerechnet wurde. Dabei war es durchaus auch Linkes Verdienst gewesen, einem über Jahre nicht mehr als grundsoliden Spielerstamm derart zu vertrauen, dass daraus irgendwann ein Erstligakader werden konnte. Linke hat zum Beispiel 2012 ablösefrei den Mittelfeldspieler Pascal Groß verpflichtet, der in diesem Sommer für drei Millionen Euro in die Premier League wechselte. Die aktuellen Verkäufe eingerechnet, ist Linkes Transferbilanz trotz der gestiegenen Anforderungen nach dem Aufstieg nur rund fünf Millionen Euro im Minus.

Doch die vergangene Saison, in der Ingolstadt am vorletzten Spieltag den Kampf um den Klassenverbleib verlor, hat ihn angestrengt. Selten war Linke zu sprechen, er wirkte genervt und aus dem Klub heißt es, er habe sich sehr zurückgezogen. Im Winter fand er keine Spieler, um die Mannschaft noch mal zu verstärken. Gleich nach dem Abstieg gab er dann aber dem Klub-TV ein Interview, in dem er mit trauriger Miene, aber bestimmt sagte: "Wir hatten zwei Jahre ein Geschenk mit der Bundesliga in Ingolstadt. Wer einmal da oben war, will auch wieder hin." Und nun? Wollte er erst mal doch nicht wieder da hin?

Am Donnerstag bemühten sie sich beim FCI, Gedanken an Meinungsverschiedenheiten im Vorstand oder Kritik an Linkes Arbeit zu zerschlagen. Geschäftsführer Harald Gärtner, der mit Linke am Mittwoch zusammensaß, sagt dazu: "Nein, nein, nein. Unser Verhältnis ist absolut intakt." Und erklärt: "Er braucht eine Pause, das muss man respektieren. Ich denke, dass das menschlich ist." Linke habe ihn nach dem 34. Spieltag über seine Bedenken informiert, dann machte er Urlaub, bis Mittwoch. Er habe "alles probiert", Linke umzustimmen, sagt Gärtner, er bedaure dessen Entschluss. "Es ist ein enormer Einschnitt für den Verein, weil es gut gepasst hat."

Der Geschäftsführer hat in den vergangenen Wochen Linkes Job miterledigt. Es seien zwar schon ein paar Vorbereitungen getroffen worden, sagt er, doch er regelte etwa die Verpflichtung von Stürmer Stefan Kutschke für geschätzte 1,5 Millionen Euro aus Nürnberg selbst. Der Kader soll eine Woche vor dem Trainingsauftakt weitgehend feststehen, allerdings gibt es noch Gerüchte um die Verkäufe wichtiger Spieler wie Stürmer Dario Lezcano und Verteidiger Marcel Tisserand. Gärtner will den Job des Sportdirektors vorerst weitermachen, "übergangsweise". Die Aufgaben, die ja durchaus ermüdend sein können, sollen auf mehreren Schultern verteilt werden, die Scouting-Abteilung mehr eingebunden werden. Ja, sagt Gärtner, es sei eine "schwierige Situation" für den Klub, ein wenig erinnert sie an den Sommer 2016, als der FCI von Trainer Hasenhüttl verlassen wurde und neu planen musste, ohne darauf richtig vorbereitet gewesen zu sein. "Key-Player", so haben sie Hasenhüttl und Linke beim FCI gerne genannt. Trotzdem wollen sie sich mit der Suche nach Linkes Nachfolger Zeit lassen. "Es gibt noch kein Anforderungsprofil", sagt Gärtner.

Auch Thomas Linke will sich Zeit lassen, bis er sich dem Fußballgeschäft wieder nähert, heißt es. Er selbst ist nicht zu erreichen, sein Handy ist ausgeschaltet. Sein Stuhl im Büro steht noch an seinem Platz, noch hat Linke es nicht aufgeräumt. In den kommenden Tagen will er sich von den Mitarbeitern verabschieden.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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