FC Bayern will Lincoln:Bereit zum Risiko

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Ob der Schalker Mittelfeldstar nach München wechselt, ist eine Frage des Feilschens.

Philipp Selldorf

Als Cassio de Souza Soares Lincoln gefragt wurde, ob er zum FC Bayern wechseln wolle, wunderte er sich über den merkwürdigen Antrag. "Bayern? Was soll ich denn da?", antwortete er.

Diese Äußerung ist aber nicht dazu geeignet, die Sorgen der Fans von Schalke 04 zu zerstreuen, dass ihr Mittelfeldregisseur in der nächsten Saison in München spielen könnte - die Aussage hat Lincoln nämlich zu Saisonbeginn getroffen.

Aktuell besteht sehr wohl Anlass zur Unruhe beim Schalker Publikum.

Der FC Bayern möchte Lincoln, 27, gern verpflichten, die seit rund zwei Wochen kursierenden Gerüchte haben einen wahren Kern. "Wir sind interessiert", bestätigt Manager Uli Hoeneß.

Bis auf weiteres ist das jedoch nur eine Absichtserklärung. Lincoln steht bei den Schalkern bis 2008 unter Vertrag, für den Verlust könnte der Klub eine Entschädigung verlangen. Und das Interesse an dem Spieler ende dort, wo die "verrückten Preise" anfangen, sagt Uli Hoeneß.

Eine Frage des Feilschens also, es sei denn, der FC Schalke würde von seinen Rechten Gebrauch machen und Vertragserfüllung anordnen.

Aus Zwischentönen, die in den vergangenen Wochen vor allem von Schalkes Sportchef Andreas Müller zu hören waren, lässt sich jedoch schließen, dass die Verhandlungen zu einem Abschluss führen könnten.

Müller hatte unter anderem angedeutet, dass Lincoln ("ein schwieriger Spieler") in der Schalker Mannschaft nicht unumstritten sei.

Den Vorbehalt, dass er generell "unverkäuflich" sei, hat er ausdrücklich nicht gesetzt, obwohl Lincoln die zentrale Figur des Schalker Spiels ist und äußerst schwer zu ersetzen wäre.

Als eher folkloristisch waren dagegen Aussagen von Manager Rudi Assauer zu verstehen, der meinte: "Die sollen mich ruhig anrufen, dann werden Sie den Preis erfahren." Eine Ablöse von zehn Millionen Euro sei "deutlich zu wenig".

Beim FC Bayern ist man nicht erstaunt darüber, dass die Annäherung an Lincoln in der Fachwelt mehr Unverständnis als Beifall findet.

"Bedenkenträger gibt es immer, wenn wir etwas machen", reagiert Hoeneß gelassen. "Wenn wir auf die hören würden, dann dürften wir gar keinen Spieler mehr holen."

Das Risiko, dass der sensible Brasilianer in der ständig angespannten, gelegentlich auch aggressiven Münchner Umgebung Probleme bekommen könnte, seine ganze Kunst zur Geltung zu bringen, wollen die Münchner eingehen.

Neue Impulse notwendig

Veränderungen im Kader sind nach Meinung der Klubführung unumgänglich. Die Mannschaft braucht neue Impulse. Michael Ballack hinterlässt eine tiefsitzende Lücke im Mittelfeld - allerdings nicht dort, wo Lincoln zu Hause ist.

Ein paar Bedenken begleiten aber trotzdem die Saisonplanungen an der Säbener Straße. Gern würde man zur Abwechslung mal mit bescheidenerem Anspruch in eine Saison starten dürfen.

Durch die Erfolge und die nationale Dominanz der vergangenen Jahre herrscht mittlerweile im Fußballvolk die Meinung, dass es eine Blamage bedeutet, wenn die Bayern nicht wenigstens das Double gewinnen.

Die Auswirkungen dieses Ansehens haben die Verantwortlichen soeben nach dem Pokalsieg in Berlin zu spüren bekommen. Das Ausmaß der Münchner Freude hielt sich offensichtlich in Grenzen, die öffentliche Meinung erkannte einen Alarmzustand: Von "Endzeitstimmung statt Pokalfeier" berichtete eine Zeitung.

Was Hoeneß übrigens nicht bestätigt: "Die Leute haben ja keine Ahnung. Es liegt doch in der Natur des Spielplans, dass die Freude gebremst ausfiel: Sonst war das Pokalfinale immer am Ende der Saison - und dann konnte man die Sau rauslassen."

Vielleicht wird die Münchner Sehnsucht, mal nicht als der alles überragende Favorit, sondern als einer von vielen Favoriten in die Bundesliga-Saison zu gehen, aber doch noch Wirklichkeit.

Hoeneß arbeitet zwar an der Verpflichtung von neuen Spielern, er will beim Einkauf aber auf den Preis achten. "Zwei, drei wirkliche Top-Spieler" sollen es sein, "aber nicht zu Beträgen, die uns krank machen."

Mit Rücksicht auf die Gesundheit sind die Bayern offenkundig bereits auf Distanz zum Wunschkandidaten Daniel van Buyten, 28, gegangen. Der Hamburger SV hatte es zwar, ebenso wie Schalke, abgelehnt, den vertraglich noch zwei Jahre gebundenen Verteidiger für "unverkäuflich" zu erklären.

Aber das ist wohl eine Definitionsfrage. Die Hamburger haben sehr offensive Preisvorstellungen, die von ihrem neuen Selbstbewusstsein und ihren großen Ambitionen zeugen.

Was die Sorgen der Fans von Schalke 04 angeht, hat Hoeneß im Übrigen doch noch etwas Trost zu bieten. Meldungen, die besagten, dass sich die Bayern von van Buyten abgewendet hätten, um sich statt dessen um Marcelo Bordon, 30, zu bemühen, weist Hoeneß zurück. Bordon sei "kein Thema".

© SZ vom 3.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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