FC Bayern:Himmlischer Traum vom Höllenritt

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Uli Hoeneß ersehnt den großen Transfer, doch der FC Bayern hat in diesem Jahr wieder auf Sicherheit gesetzt.

Christian Zaschke

Menschen, die den FC Bayern nicht mögen, beschreiben das Ziel der Transferpolitik des Vereins so: Schwächung der Konkurrenz in der Bundesliga.

Uli Hoeneß: So langsam hat er den Fall van Nistelrooy verdaut. (Foto: Foto: ddp)

Tatsächlich kommen die neuen Spieler häufig von den Klubs, die dem FC Bayern gefährlich zu werden drohen, allein in den vergangenen Jahren wären unter anderem zu nennen: Ballack, Zé Roberto und Lúcio von Bayer Leverkusen, Frings von Borussia Dortmund, Ismaël von Werder Bremen und nun van Buyten vom Hamburger SV.

Dass Podolski gekauft wurde, um den 1.FC Köln zu schwächen, würden selbst die größten Verschwörungstheoretiker unter den Feinden des FC Bayern nicht behaupten (außer jenen aus Köln), doch ansonsten könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, der Klub reiße den Konkurrenten ein lebenswichtiges Organ aus dem Leib, um es sich selbst einzupflanzen.

Diese gern angeführte These mag einiges für sich haben, doch natürlich ist die eventuelle Schwächung lediglich ein Nebeneffekt. Es geht dem Klub darum, sich zu stärken, und es kauft sich leichter, was man schon kennt. Außer über van Buyten und Podolski hatte man im Klub auch länger über Lincoln nachgedacht, den Spielmacher von Schalke 04, Gegner im Halbfinale des Ligapokals am heutigen Mittwochabend.

Die Konkurrenz in der Champions League kauft überall

Dieser Transfer hätte einerseits gut ins Muster der Verschwörungstheoretiker gepasst, besser aber noch passt er in ein anderes Muster, das die Transferpolitik des Klubs prägt: Es gibt keine Überraschungen, der große Knall bleibt aus. In diesem Jahr hätte die Verpflichtung des Stürmers Ruud van Nistelrooy so ein Knall sein können, doch das Geschäft kam nicht zustande.

Die Konkurrenz in der Champions League kauft überall und so gut wie nie in der Bundesliga (Ausnahmen sind Aliaksandr Hleb, der vom VfB Stuttgart zu Arsenal nach London wechselte und natürlich Ballack, der zum FC Chelsea ging) - der FC Bayern kauft fast ausschließlich in der Bundesliga. Stellt sich die Frage, warum das so ist.

Es ist nicht so, als würde der Klub es nicht probieren. "Kalou wollten wir zum Beispiel holen", erzählt Manager Uli Hoeneß. Salomon Kalou ist ein 20 Jahre altes Talent, das kürzlich von Feyenoord Rotterdam zum FC Chelsea wechselte.

Die Geschichte geht so: "Marco van Basten hatte sich sehr für Kalou eingesetzt", erzählt Hoeneß, "also bin ich mal hingefahren und habe mir den in einem Pokalspiel angeschaut. In der ersten Halbzeit war er zweimal am Ball. In der zweiten Halbzeit war er einmal am Ball und wurde auswechselt. Nach dem Spiel habe ich dann mal vorsichtig gefragt, was der denn kosten soll. So acht Millionen sollen es schon sein, hat man mir gesagt. Das konnte ich nicht glauben. Ich habe dann Egon Cordes, einen unserer Scouts, nochmal hingeschickt. Es war wieder das gleiche Spiel. Zwei Wochen später lese ich, dass Kalou zu Chelsea wechselt. Die probieren es eben einfach."

Investition ins sichere Wertpapier, nicht in die Aktie

Der Kern der Geschichte ist: Hoeneß gibt nicht acht Millionen Euro für einen Spieler aus, wenn er sich nicht absolut sicher ist. Ähnlich geht die Geschichte mit Sergio Agüero, der als Riesentalent des argentinischen Fußballs gilt. "Alle haben gesagt, dass der fantastisch ist", sagt Hoeneß. Also fuhr er hin, und was sah er? "Der hatte in 90 Minuten zwei Ballkontakte. Das ist ein ganz fauler Hund. Am Ball war er super, aber sonst?"

Felix Magath fuhr dann noch einmal hin, sah ein Spiel, flog zurück und sagte: "Was soll ich sagen über einen, der zweimal am Ball war?" Agüero wechselte für angeblich 23 Millionen Euro zu Atletico Madrid, und nun sagt Hoeneß: "Es kann sein, dass der in zwei, drei Jahren richtig gut ist. Aber so lange haben wir nicht Zeit. Wenn wir einen Transfer dieser Größenordnung machen, dann muss der sitzen." Die beiden Episoden sagen viel über die Transferpolitik des Klubs.

Als optimale Ergänzung zur Erklärung der grundsätzlichen Haltung der Vereinsführung bietet sich der Transfer von van Buyten an. "Dieser Kauf wird auf jeden Fall eines sein: okay", sagt Hoeneß, "vielleicht wird es super, vielleicht wird es gut, vielleicht befriedigend, aber es wird nie eine Katastrophe sein."

Die Vorliebe für Spieler aus der Bundesliga entspringt also nicht dem Willen, die Konkurrenz zu schwächen, sondern der Suche nach Sicherheit. Es ist im Grunde ganz einfach: Der FC Bayern investiert nicht in die Aktie, die neben der Chance auf den Riesengewinn auch die Möglichkeit des Totalverlusts in sich birgt, sondern in das sichere Wertpapier.

Nun ist es aber so, dass Hoeneß durchaus gern mal in so eine Risikoaktie investieren würde. Er möchte allerdings das Risiko minimieren. "Ich stelle mir einen 25-Jährigen mit einem tollen Charakter vor", sagt er, "von der Qualität her einen jungen Ronaldinho. Da kann man dann schon mal an 25, 30 oder 40 Millionen Euro denken.

Alle müssten von ihm überzeugt sein, und er müsste sagen: Ich will zum FC Bayern. Dann müsste man mit Sponsoren reden und ihn als Figur aufbauen. Wenn das alles passt - dann kann man schon einmal so einen Höllenritt machen." Was Hoeneß beschreibt ist allerdings eher ein Höllenritt unter Umgehung der Hölle - es ist ein nachgerade himmlischer Transfer. Ein Traum.

Lucio ging freiwillig zum Laufen

In diesem Jahr hat sich der FC Bayern dazu entschlossen, mit einer unausgereiften Mannschaft in die Saison zu gehen. "Es ist eine Mannschaft für die nächsten zwei, drei Jahre, deshalb sind auch unsere Ziele nicht so festgezurrt wie sonst", sagt Hoeneß. Das bedeutet allerdings allenfalls, dass man nicht unbedingt Deutscher Meister werden muss, aber die Champions-League-Qualifikation sollte schon drin sein.

Das Wichtigste aber ist für Hoeneß, dass sein Gefühl ihm sagt: Es stimmt in der Mannschaft. "Deshalb bin ich ja immer so nah dran", sagt er. Er erfreut sich dann an kleinen Zeichen: Kürzlich, im Trainingslager in Rottach-Egern, ging Lúcio freiwillig um 7.30 Uhr zum Laufen, weil er das Gefühl hatte, er müsse mehr tun. "Ich habe gedacht, ich hör' nicht recht", sagt Hoeneß, und er lächelt, weil er solche Zeichen mag.

Im Grunde kann also wieder einmal nicht viel schief gehen, es wird aller Voraussicht nach eine gute Saison für den Klub werden, trotz Ballacks Weggang. Und doch bleibt da eine unerfüllte Sehnsucht. "Ich bin auf dem Sprung, so einen besonderen Spieler zu holen", sagt Hoeneß, "der Tag wird kommen." Er lehnt sich vor: "Zehn solche Spieler schlummern auf der Welt, irgendwo. Jeden Tag kann einer durchs Isartor kommen. Aber an dem Tag - da musst du dastehen." Und ihn erkennen.

© SZ vom 02.08.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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