Facholympisch (12):Der olympische Eid

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Für jeden Sportler des Gastgeberlandes ist es eine besondere Ehre, dieses Gelöbnis bei der Eröffnungsfeier vorzutragen - solange das Lampenfieber nicht zuschlägt.

Melanie Breuer

Edwin Moses war in den achtziger Jahren einer der Superstars der Leichtathletik. Er hielt den Weltrekord über 400 Meter Hürden und gewann zwei Mal olympisches Gold. Eine Hürde war aber selbst ihm zu hoch: der olympische Eid.

Der US-Hürdenläufer Edwin Moses gewann zwischen 1977 und 1987 gleich 122 Rennen in Folge. (Foto: Foto: imago)

Nach dem Moskau-Boykott der Amerikaner war Moses 1984 bei den Heimspielen in Los Angeles eine der Gold-Hoffnungen im US-Team. Geblieben ist von damals auch die Erinnerung, dass der sonst so redegewandte Moses einen spektakulären Aussetzer hatte: Als er bei der Eröffnungsfeier den olympischen Eid sprechen sollte, stockte er - und das sekundenlang. Peinliche Stille herrschte im Los Angeles Memorial Coliseum, bis dem Ausnahmeathleten kurze Zeit später der Rest des Textes wieder einfiel.

Schon die Teilnehmer der antiken Olympischen Spiele hatten einen Eid zu leisten. In Olympia geschah dies vor der Statue des Zeus, an der eine Bronzetafel mit Versen angebracht war, die vor der Missachtung der Regeln warnte. Mit ihrem Schwur verpflichteten sich die Athleten im Angesicht des Zeus dazu, keinen Verstoß gegen die olympischen Regeln zu begehen. Jeder Teilnehmer schwor, dass er sich mindestens zehn Monate lang durch intensives Training auf die Spiele vorbereitet hatte. Auch die männlichen Verwandten und Trainer des Sportlers mussten diesen Eid leisten und sich damit den Regeln und der Autorität des Zeus unterordnen. Ein Verstoß war ein Frevel gegen die Gottheit, der hart bestraft werden musste.

Neuzeitliche Premiere 1920

An diese Tradition knüpfte man 1920 an. Nach dem Ersten Weltkrieg sollte Antwerpen einen sportlichen Neuanfang markieren. Im Stadion weht erstmals die von Pierre de Coubertin kreierte Fahne mit den fünf ineinander verschlungenen Ringen. Neben der Fahne erlebt auch der olympische Eid seine neuzeitliche Premiere. Der belgische Fechter Victor Boin gelobte stellvertretend für alle ein regelgerechtes und ehrenvolles Auftreten. Bis 1964 lautete die Fassung des Schwurs:

"Wir schwören, dass wir an den Olympischen Spielen als ehrenwerte Kämpfer teilnehmen, die Regeln der Spiele achten und uns bemühen werden, ritterliche Gesinnung zu zeigen, zur Ehre unseres Vaterlandes und zum Ruhme des Sports."

Die darauffolgende Modifizierung nahm dem Text den Charakter eines Schwurs und wurde eher zu einem Versprechen:

"Im Namen aller Teilnehmer verspreche ich, dass wir uns bei den Olympischen Spielen als loyale Wettkämpfer erweisen, ihre Regeln achten und teilnehmen im ritterlichen Geist zum Ruhme des Sports und zur Ehre unserer Mannschaften."

Ergänzung der Doping-Klausel

Seit den Olympischen Sommerspielen in Mexiko-Stadt 1968 werden mit einem ähnlichem Gelöbnis auch die Kampfrichter vereidigt. Im Jahr 2000 hat man ein Versprechen zum Dopingverzicht in die offizielle Formel aufgenommen. Diese lautet nun wie folgt:

"Im Namen aller Wettkämpfer gelobe ich, dass wir im Geiste der Sportlichkeit, zum Ruhme des Sports und zur Ehre unserer Mannschaften an diesen Olympischen Spielen teilnehmen und dabei die Regeln, die für sie gelten, achten und befolgen und uns einem Sport ohne Doping und Drogen verpflichtet fühlen."

Die Eröffnungsfeier ist der erste Höhepunkt bei Olympischen Spielen. Die Fackel, das olympische Feuer, der Eid: Gerne verwendet man eine Art Symbolik oder ein Zeremoniell, damit sich alle noch möglichst lange an das sportliche Großereignis erinnern. In diesem Jahr könnte das Gelöbnis übrigens wieder von einem Hürdenläufer vorgetragen werden: Liu Xiang, Olympiasieger im 110-Meter-Hürdenlauf 2004, ist bei seinen Landsleuten äußerst beliebt und Chinas größte Gold-Hoffnung in der Leichtathletik. Den Text wird er sicher schon geübt haben.

Alle Athleten, die den Eid bei Olympischen Sommerspielen seit 1972 gesprochen haben im Überblick:

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