Europa setzt den USA zu:Im Bann von Moliwood

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Am zweiten Tag des Ryder Cups baut Europas Team seine Führung aus und geht mit einem 10:6 in den letzten Tag. Doch obwohl namhafte Akteure unter Form spielen, sind die USA noch nicht geschlagen.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Der Moment hatte nichts mit dem Ausgang dieses zweiten Tages beim Ryder Cup zu tun. Wenn sich jemand eine Jacke anzieht, ist das nicht relevant für das Ergebnis. Aber symptomatisch für das Ereignis. Da stand also Tiger Woods, nach dem zweiten Schlag auf der fünften Bahn - und versuchte, sich einen Windbreaker überzustülpen. Erst fummelte er ewig herum an den Ärmeln, dann setzte er zum Versuch an. Schon rief ein mutiger Fan vom Rand: "Falsche Richtung, Tiger!" Vielleicht hatte es der 42-Jährige gehört, er setzte jedenfalls neu an. Wieder sah es aus, als beschäftige er sich wie Houdini mit einer Zwangsjacke. Aber dann klappte es. Ein wenig verkniffen sah Woods trotzdem aus.

Es war ein Eindruck, der dann eben doch Symbolkraft hatte. Denn die USA, der Titelverteidiger, taten sich erneut schwer, im Le Golf National bei Paris zu überzeugen, bei der 42. Ausgabe des Kontinental-Wettstreits. Am Samstagnachmittag agierte die Auswahl von Kapitän Jim Furyk besser, doch der Vier-Punkte-Rückstand blieb der gleiche.

Europa geht daher mit einer 10:6-Führung in den Schlusstag, 14,5 Punkte braucht es zum Sieg. Den USA reichen 14 Punkte. Am Sonntag in den Einzeln werden noch einmal zwölf Punkte vergeben.

Tiger Woods hat in Paris drei Partien bestritten - und alle verloren

Der Tag hatte für die USA mit der Hoffnung begonnen, sich den Frust des Freitagnachmittages aus dem Körper geschlafen zu haben. Nach den ersten vier Matches im Vierball-Format hatte das Gästeteam noch 3:1 geführt, doch dann brach die Auswahl ein, verlor erstmals seit 1989 alle vier Nachmittags-Partien im Vierer-Format (ein Ball pro Duo). Der 3:5-Rückstand klang nicht hoch und er war es auch nicht, aber in den US-Medien setzten bereits Krisenberichte ein, als stünde Schlimmes bevor. Besonders der indisponiert spielende Phil Mickelson wurde angegriffen und aufgefordert, zu pausieren, er helfe gerade nicht. Und so kam es auch. Mickelson musste am Samstag komplett pausieren. Schon sehr ungewöhnlich für den fünfmaligen Major-Champion.

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(Foto: Paul Childs/Reuters)

Auf einem Höhenflug: Francesco Molinari (l.) und Tommy Fleetwood gewannen beim Ryder Cup alle ihre vier Matches.

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(Foto: Carl Recine/Reuters)

Weniger gut läuft es für Tiger Woods - er war bisher in noch keinem einzigen Match erfolgreich.

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(Foto: Franck Fife/AFP)

Überhaupt scheint die Sonne von Paris eher für die europäischen Golfer (im Bild Rory McIlroy).

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(Foto: Mike Ehrmann/Getty Images)

Der US-Golfer Bubba Watson besticht dafür mit modisch interessanten Details.

Sein Fehlen änderte wenig am Charakter, den dieser Ryder Cup seit Freitagnachmittag angenommen hatte: Europa dominierte oft ein kleines bisschen mehr, angeführt von einem überragenden Duo: Francesco Molinari aus Italien und Tommy Fleetwood aus England. Die beiden entwickelten sich zu einem elektrisierenden Element, das auch die Kollegen stimulierte. Molinari und Fleetwood, nun schon Moliwood getauft, fügten Tiger Woods erneut eine Niederlage beim 4&3-Erfolg im Vierball zu (vier Lochgewinne Vorsprung bei nur noch drei zu spielenden Bahnen). Paul Casey und Tyrrell Hatton besiegten Dustin Johnson und Ricky Fowler 3&2, Rory McIlroy und Sergio Garcia gewannen 2&1 gegen Tony Finau und Brooks Koepka. Damit hatte Europa in zwei nacheinander folgenden Sessions - je vier am Freitagnachmittag und dann drei am Samstagvormittag - sieben in Serie gewonnen. Das hatte letztmals ein Team 1981 geschafft, damals war es die USA. Einzig Justin Thomas und Jordan Spieth konnten in einem engen Duell Ian Poulter aus England und Jon Rahm aus Spanien mit 2&1 auf Distanz halten. Aber es stand eben 8:4 für Europa. Die Lage für die USA blieb prekär.

Die Nachmittagsschichten im klassischen Vierer waren entscheidend, unter welchen Vorzeichen die zwölf Einzel am Sonntag starten würden. Würde sich der panikartige Zustand der Amerikaner vergrößern? Würden sie wieder kontern und ihre Chance wittern? Die Stimmung auf der Anlage wurde in jedem Fall dem Anlass entsprechend leidenschaftlicher. Gute Schläge der eigenen Mannschaft wurden ohne Unterlass bejubelt, Fehlschläge der Gegner grölend begleitet. Die Masse pilgerte mit, teils doch etwas vom Bier betört, das nun mehr floss als am Freitag.

Europa war auf Kurs, doch das Ringen wurde zäher. Molinari und Fleetwood setzten ihre Serie zwar fort und fertigten den armen Woods gleich noch mal ab, mit 5&4. Nicht mal einen halben Punkt hat Woods nun in Paris beigesteuert. Doch Garcia und Noren kassierten gegen Bubba Watson und Webb Simpson eine 3&2-Niederlage. Wie auch McIlroy und Poulter gegen die furiosen Thomas und Spieth mit 4&3 das Nachsehen hatten. Justin Rose und Henrik Stenson retteten dafür eine lang währende Führung ins Ziel gegen Dustin Johnson/Brooks Koepka (2&1).

Man versuche nun, irgendwie die fehlenden viereinhalb Punkte am Sonntag zu erringen, sagte Molinari, dem mit Fleetwood ein Rekord gelang: Noch nie hatte ein europäisches Duo bei vier gemeinsamen Einsätzen vor den Einzeln viermal gesiegt. Moliwood gelang es. Die USA benötigen acht der zwölf Punkte, eine doch größere Hürde ist das. Aber nicht uneinholbar. 2012 hatte Europa im amerikanischen Medinah ein 6:10 aufgeholt und in einen Triumph verwandelt.

© SZ vom 30.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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