Erstliga-Comeback der Lausitzer:Einladung aus Cottbus

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Nach drei Jahren in der zweiten Liga kehrt der gewandelte FC Energie in die Bundesliga zurück.

Javier Cáceres

Auch das politische Berlin war ergriffen, als der FC Energie Cottbus in die Bundesliga aufgestiegen war, sogar der Sprecher der Bundesregierung wurde am späten Sonntagabend aktiviert. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ ausrichten, sie habe sich "sehr" über den Wiederaufstieg der Lausitzer gefreut.

Kevin McKenna schreit es heraus: Cottbus ist wieder erstklassig. (Foto: Foto: dpa)

War sie nicht in einem dieser Fälle von fußballerischer Bigamie neben dem FC Bayern München auch Hansa Rostock zugeneigt? Es sei "gut für den deutschen Fußball und gut für unser Land, dass wieder ein Verein aus Ostdeutschland in der ersten Fußballbundesliga spielt", übermittelte der Regierungssprecher.

Die Chance, ihrem politischen Rivalen Kurt Beck (SPD) eins auszuwischen, weil sein Kaiserslautern aus der Bundesliga abgestiegen war, ließ sie aus.

Es ist nicht überliefert, welchen Niederschlag die Verlautbarungen der Exekutive bei den Cottbusern fand und wie viele überhaupt noch im Stande waren, Informationen zu verarbeiten. Immerhin hatten die Cottbuser schon einen reichlich diffizilen Alkoholparcours zu bewältigen: Auf dem Platz, in der Kabine, in einem offenen Wagen, auf dem Stadthallenbalkon, wo sie Tausenden zujubelten, waren stets die Flaschen im Anschlag.

Sogar der eher introvertierte Petrik Sander, Trainer des FC Energie, war im Banne einer uferlosen Euphorie, die Papa ausgerechnet am Muttertag ausgelöst hatte: Papa, so nennen die Cottbuser den Verteidiger Vragel da Silva, der beim 3:1 gegen TSV1860 München das elementare 2:1 erzielt hatte. Papa wird er genannt, weil er so erfahren aussieht, dabei ist es doch nur Pipi, der sogar vom ersten Aufstieg erzählen könnte, sechs Jahre ist er her. Pipi alias Tomislav Piplica, der Torwart "mit dem Fransenlook unter dem hässlichen Haargummi" ( Berliner Zeitung). Es sind viele neue Gesichter da.

Nach Geyers Entlassung hieß es für Sander: "Du machst das jetzt"

Statt des so selbstherrlichen wie grobschlächtigen Dieter Krein führt nun der stille Michael Stein das Präsidium an, statt Klaus Stabach ist nun Ralf Lempke sportlicher Leiter, und als Trainer fungiert Sander. Er hatte es in den vergangenen Wochen schwer, mit seiner Bedächtigkeit durchzukommen. Als in Cottbus aller Augen schon vorfreudig funkelten, mühte er sich, die Fans daran zu erinnern, dass die Leistung des Vorjahres "viel größer und wichtiger" war als der jetzt umjubelte Aufstieg. Am letzten Spieltag der Saison 2004/05 hatte Energie sich die Zugehörigkeit zur Zweiten Liga gesichert, in letzter Minute.

"Ich möchte fast bezweifeln, dass es diesen Klub noch geben würde, wenn wir abgestiegen wären", sagt Sander. Nun darf er versuchen, aus einem 19,7-Millionen-Euro-Etat das Beste zu machen.

Dabei war es nie seine Intention gewesen, Trainer zu werden. Doch als Geyer nach geschätzten 346 Dienstjahren entlassen wurde, durfte er, damals Assistent, weder überlegen noch "nein" sagen: "Du machst das jetzt", haben sie ihm gesagt. Von seinem Zivilberuf als Krankenkassenangestellter ließ er sich nach Energies erstem Bundesligaaufstieg beurlauben - die drei vorhergehenden Jahre hatte er halbtags gearbeitet.

"Jungs, auch da oben könnt ihr euch wehren"

Daher rührt auch, dass er die Trainerlizenz noch nicht erworben hat. Dass er das nun an der Sporthochschule in Köln nachholen soll, sieht er ein, "so ist halt die Regelung." Die Vorstellung, wie es bewerkstelligt werden soll, fehlt ihm allerdings: Eine Bundesligaelf leiten, wenn er von Juli bis Dezember montags bis donnerstags in Köln ist? "Es darf nicht sein, dass diejenigen, die den Trainerschein machen, dadurch ihren Job verlieren."

Natürlich wollen sie die Klasse halten, Verrücktheiten oder Sünden wie die Verpflichtung überteuerter Spieler à la Paulo Rink werden sie aber nicht begehen. Das eigentliche Ziel ist ja, "den Profifußball dauerhaft in Cottbus zu etablieren", wie Präsident Stein sagt, da fällt es leichte, auf den großen Umbruch zu verzichten. Sander will größtenteils dem Kader vertrauen, den er im Sommer zusammengestellt hat, und seinen Schülern sagen: "Jungs - auch da oben könnt ihr euch wehren."

Und die Rolle als galliger Rächer den Enterbten des Ostens, in der sich Krein gefiel? "Dies ist nicht das alte Cottbus, dies ist ein anderes Cottbus", sagt Stein. "Die Bundesliga bricht nicht zusammen, wenn keine Mannschaft aus dem Osten da ist", sagt Sander. "Alle Mannschaft aus der Bundesliga müssen hierher. Müssen hierher. Das ist doch großartig.", sagt er, und ein wenig klingt es nach einer Einladung.

© SZ vom 16.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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