Entlassung von Thomas Doll:Nichts ist einfach an der Elbe

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An Trainer Doll lag es nicht, dass sich der HSV auf dem letzten Tabellenplatz wiederfindet. Der Absturz ist vor allem eine Folge der Selbstüberschätzung eines Vereins, der sich stets für einen Weltklub hielt - auch wenn er zwanzig Jahre in der Versenkung verschwunden war.

Ralf Wiegand

Von 18 auf 18 in gut zwei Jahren: Wie ein ordentlicher Reiseleiter hat Thomas Doll nach einer schönen Rundfahrt die Mannschaft des HSV wieder dort abgeliefert, wo er sie am 18.Oktober 2004 abgeholt hatte - auf dem letzten Platz der Bundesliga.

Für die Schlussetappe des aufregenden Trips, dem Stück vom Champions-League- zum Abstiegsplatz, brauchte der stolze Klub nicht mal ein halbes Jahr. Insofern kommt jetzt wohl der richtige Trainer: Felix Magath würde mit seiner Unterschrift den Sturzflug aus der Champions League ans Tabellenende in kaum 48 Stunden schaffen. Sie müssten also gut zusammenpassen.

Aber stopp - die Rettung des Bundesliga-Dinosauriers ist eine ernste Angelegenheit und birgt eine Menge Risiken. Eines zum Beispiel ist die Annahme, dass die Chancen auf den Klassenerhalt sich allein dadurch schlagartig verbessern, dass ein neuer Trainer kommt. Diese These ist genauso falsch wie es die vorangegangene war, der HSV würde deshalb nicht absteigen, weil der alte Trainer bleibt. Nichts ist so einfach an der Elbe, aber alles kompliziert.

Ob Meistertrainer Magath den Hanseaten Bescheidenheit beibringen kann?

Es liegt nämlich gar nicht am Trainer. Mit einem schlechten Coach hätte der HSV nicht - trotz zeitweise neun verletzter Stammspieler - die fünftbeste Abwehr, hätte nicht nur ein Spiel mehr verloren als die Bayern, hätte gegen Cottbus keine drei Großchancen herausgespielt oder sich in Partien wie Aachen oder Bielefeld die Tragik verdient, Siege in letzter Sekunde herzuschenken.

Mannschaften im Abstiegskampf mit schlechtem Trainer fallen auseinander. Wenn aber beim HSV etwas eine Einheit war, dann Trainer und Team. Deswegen hat sich Doll für seine Abfindung so lange quälen müssen, während Magath in München schon für so wenig Leiden den goldenen Handschlag bekam.

Ob Meistertrainer Magath den Hanseaten Bescheidenheit beibringen könnte? Der Absturz des HSV ist ja vor allem eine Folge der Selbstüberschätzung eines Vereins, der sich stets für einen Weltklub hielt - auch wenn er zwanzig Jahre in der Versenkung verschwunden war.

Dolls größter Fehler ist es daher gewesen, sich den Fantasien der Bosse, nach nur einer guten Saison schon zu den europäischen Topteams gehören zu wollen, nicht vehement widersetzt zu haben. Die Folge ist nun ein am Ende panisch ergänzter Star-Kader ohne Perspektive. Da ist es schon fraglich, ob der nächste HSV-Reiseleiter auf seinem Trip noch einmal so weit nach oben kommt wie Doll.

© SZ vom 2.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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