Entlassung von HSV-Trainer Doll:Abschied vom Gute-Laune-Flummi

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Thomas Doll hat sein Reservoir an allerletzten Chancen aufgebraucht. Nach der Trennung vom allzeit hüpfender Mutmacher an der Außenlinie soll der einstige HSV-Profi Felix Magath den Abstieg verhindern.

Ralf Wiegand

Nicht einmal mehr ärgern wollten sie sich. Für ein paar Sekunden nur flammte die Wut der Fans auf wie die letzte Glut eines erlöschenden Feuers.

Thomas Dolls letzte Fahrt vom Trainingsgelände des HSV. (Foto: Foto: Reuters)

,,Wir ham die Schnauze voll, wir ham die Schnauze voll'', tröteten sie zwar, aber ehe es wirklich ungemütlich hätte werden können für die da unten auf dem Rasen, war es schon wieder vorbei. Die Zuschauer schlichen nach Hause, desillusioniert, aber irgendwie auch gefasst.

Es war gerade so, als hätte das 1:1 gegen Cottbus alles Leben aus dem HSV weichen lassen, aus dem Verein, seinen Anhängern und vor allem aus Trainer Thomas Doll.

Der Gute-Laune-Flummi der Bundesliga, allzeit hüpfender Mutmacher an der Außenlinie, hatte seine Spannkraft verloren. In der Pressekonferenz nach dem bedauerlich einfallslosen Spiel versuchte er eine letzte Analyse, auf geradezu rührende Weise skizzierte er Ursachen und Entstehung dieses zwölften Unentschiedens der Saison, als dürfte er noch einmal versuchen, es bis zum Wochenende besser zu machen. Im Doll-Stenogramm las sich das Spiel des HSV dann so: Viel vorgenommen...gut reingekommen...früh geführt...unerklärlichen Fehler gemacht...Ausgleich bekommen...unruhig in den Aktionen geworden...nicht verstanden, zweites Tor zu machen.

,,Wir haben ihm nicht geholfen''

Fazit: ,,Das war einfach viel, viel zu wenig.'' Und dann fügte Doll, der zum traurigen Blick ein schwarzes Hemd trug, hinzu: ,,Es geht weiter. Wichtig ist jetzt, dass man an sich glaubt, dass man nicht aufgibt.'' Man - nicht mehr wir wie in all den quälenden Monaten anhaltender Erfolgslosigkeit zuvor. Er wusste Bescheid.

Thomas Doll, 40, hat sein Reservoir an allerletzten Chancen aufgebraucht. Mit dem Schlusspfiff und nach nur einem Sieg in 18 Bundesligaspielen hatte die endgültige Abwicklung dieser Personalie begonnen, am Morgen danach war sie vollzogen: Doll brauste, nachdem er sich per Handschlag von jedem einzelnen Spieler verabschiedet hatte (,,Ich bin stolz, Trainer dieser Mannschaft gewesen zu sein''), im Porsche vom HSV-Betriebsgelände. Sein mutmaßlicher Nachfolger Felix Magath war ein paar Stunden zuvor mit dem Flugzeug in Fuhlsbüttel gelandet.

Die Spieler schlichen in dieser eigenartigen Zwischenzeit am Tag danach - den Kumpel Dolly hinter sich, die Drohung Magath vor sich - wie geprügelte Hunde aus der Stadion-Kabine. Die meisten blieben wortlos, hatten die Kapuze ihrer Rapper-Shirts tief in die Augen gezogen.

Wenn doch welche stehen blieben vor den Dutzend Kameras, sagten sie pathetische Sachen, etwa ,,Abschiede sind schwer'' (Collin Benjamin), oder ,,wir haben ihm nicht geholfen'' (David Jarolim).

Das wird ihnen Felix Magath als erstes austreiben müssen, diesen Irrglauben, mit einer Pfadfinder-Romantik a là Doll ließe sich in der Bundesliga ein Sportunternehmen wie der HSV erfolgreich führen. Das Seelchen von einem Trainer glaubte bis zur letzten Sekunde an seine ,,Jungs'', an den Zusammenhalt, das HSV-Herz. Er glaubte, die Spieler seien wie er. Aber um ihn herum war nichts mit heiler Welt.

Das Publikum spielt seit geraumer Zeit schon die eingeborenen Hamburger im Team und die Zukäufe aus aller Welt gegeneinander aus, feiert den HSV-Amateur Berisha und pfeift bei Ljuboja, bejubelt das Ochsenzoll-Unikum Volker Schmidt und stöhnt beim Kameruner Atouba. Spielern wie Rafael van der Vaart, der als ewiges Versprechen auf Besserung mal verletzt, mal gesperrt oft nur zuschauen konnte, werden bereits Abwanderungspläne nachgesagt. Dazu herrscht schon seit Monaten Uneinigkeit in der Vereinsspitze über die Rolle des Trainers - Mitglieder des Gremiums äußern sich mal hier, mal da, aber selten übereinstimmend.

Alternativ-Kandidat Stevens

Und der Vorstand, eingeschüchtert von den eigenen Vereinsmitgliedern, die vor Weihnachten auf spektakuläre Art eine Hauptversammlung haben platzen lassen, scheute die Entlassung des populären Doll schon im Winter, setzte sich aber gleichzeitig spürbar von ihm ab. Nicht hü, nicht hott. Nur Doll war das egal. Gegen Cottbus, versprach er unter der Woche überzeugt wie immer, werde es ,,ein Feuerwerk geben''.

Herausgekommen ist nicht mal ein Knallfrosch. Das 1:1 gegen Cottbus erstickte in der Klubführung um den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann auch den letzten Willen, den Gesetzen der Branche weiter zu widerstehen und am Trainer festzuhalten. ,,Aufgrund der aktuellen Situation sahen wir uns zu der Entscheidung gezwungen'', sagte Hoffmann, ,,sie war unausweichlich.''

Direkt nach dem Spiel hatten sich der Vorstand und acht Aufsichtsräte in der Geschäftsstelle verbarrikadiert. Die Entlassung der HSV-Ikone Magath am Morgen in München dürfte die Entscheidung beschleunigt haben; die Mehrheit des Aufsichtsrats soll sich sofort für ihn als neuen Trainer ausgesprochen haben. Um 23.40Uhr verließ zunächst Doll das Stadion, kurz nach Mitternacht löste sich auch die Versammlung der Chefs auf.

Hoeneß mit aufmunternden Worten

Am Morgen des Donnerstags schließlich fand sich Doll zu einer letzten Unterredung im Büro von Hoffmann ein. Seinen Wagen parkte er entgegen sonstiger Gepflogenheiten in der Tiefgarage, wohl um schnell und ungefragt verschwinden zu können.

Es folgten: Entlassung und Abgang Dolls, Abfahrt der Vorstandsmitglieder Bernd Hoffmann und Katja Kraus sowie Dietmar Beiersdorfer in getrennten Fahrzeugen, gefolgt von Journalisten. Kurze Zeit später sickerte die Personalie Magath durch. Mal soll er sich mit Sportchef Beiersdorfer, der als eingeschworener Doll-Befürworter eher überraschend noch im Amt ist, auf dem Airport getroffen haben, mal soll Magath schon Mittwochnacht zugesagt haben.

Mehr als Verhandlungen aber bestätigte der Umworbene nicht. Der HSV, ließ er wissen, sei ,,eine Herzensangelegenheit'', sonst hätte er Gesprächen erst gar nicht zugestimmt. Immerhin wusste sogar Bayern-Manager Uli Hoeneß, dass der Münchner Ex-Coach am Donnerstag die erste Maschine gen Norden genommen hatte und versprach dem HSV die Rettung, sollte er Magath bekommen und nicht etwa den Alternativ-Kandidaten Huub Stevens: ,,Ich bin total überzeugt, dass Felix den Abstieg verhindern kann. Mit seiner Art, Disziplin reinzubringen, wird er schnell Erfolg haben.'' Könnte auch Thomas Doll gesagt haben.

© SZ vom 2.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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