EM 2008: Blumentopf:Die Verbal-Fußballer

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Nach dem Spiel ist vor dem Rap: Blumentopf fassen die Spiele der deutschen Mannschaft wieder musikalisch zusammen.

Jürgen Schmieder

Es war am 14. Juni 2006: Die deutsche Nationalelf hatte gerade mit 1:0 gegen Polen gewonnen und damit das Achtelfinale der Weltmeisterschaft erreicht. Günter Netzer und Gerhard Delling zerlegten das Spiel in seine Einzelteile, analysierten sich die Lippen fusslig und staunten über die Kondition der Fähnchenschwenker im Stadion. Da rutschte es aus dem sonst so nüchternen Netzer heraus: "Ja, ich bin begeistert!" Der Satz war eine Steilvorlage für fünf Hip-Hopper der Münchner Band Blumentopf, die jedes Spiel der deutschen Elf rappend zusammenfasste. "So etwas lässt sich natürlich gut verarbeiten", sagt Bandmitglied Roger Manglus.

Die Band "Blumentopf" fasst auch während der EM die Spiele der Deutschen wieder in Reime. (Foto: Foto: dpa)

Einer der Reime zum Polen-Spiel lautete: "Und dann einmal Latte, zweimal Latte - Tooor Odonkor, Abseits, Kacke!" Vor der WM waren die fünf Musiker trotz einer Auszeichnung als beste Live-Band Deutschlands eher Kennern der Hip-Hop-Szene bekannt, danach gehörten sie zur Fußballkultur. Bei der Europameisterschaft gibt es eine Fortsetzung der so genannten RAPortagen - und sogar eine Erweiterung. "Es wird eine Art Making-of geben", sagt Cajus Heinzmann. "Die Zuschauer können uns über die Schulter schauen, wie die Zusammenfassungen zu den Spielen der deutschen Mannschaft entstehen."

Klassentreffen inklusive Trainingslager

Nach zahlreichen Soloprojekten der Bandmitglieder stellt die EM eine Art Klassentreffen für Blumentopf dar - inklusive Trainingslager. "Wir treffen uns zur Probe und spielen mit Worten herum. Man beginnt mit einfachen Reimen", sagt Manglus - und spricht dann so, als müsste er die Worte im Maschinen- gewehrtakt abfeuern: "Bei Klose gibt es Hose, Dose, Rose, lose. Das sind aber nur die einfachen Assotiationen."

Probleme machen nur mangelnde Synonyme bei vielen Fußballbegriffen. "Es gibt Strafstoß. Es gibt Elfmeter. Aber das war's dann auch schon", sagt Heinzmann. Einen Spickzettel mit möglichen Reimen gibt es nicht, wie Manglus verrät: "Die Texte enstehen spontan während des Spiels." Meist schlägt ein Mitglied eine Textzeile vor - die anderen beurteilen die Qualität, feilen herum, machen manchen Reim noch filigraner - und tippen die fertige Zeile in einen Computer.

Während den Spielen der deutschen Elf sitzen die Bandmitglieder im Studio vor dem Fernseher und sehen sich das Spiel an. "Wir würden gern im Stadion sein, aber das ist technisch und zeitlich leider nicht möglich", sagt Heinzmann. Während der Begegnung machen sich alle Mitglieder Notizen von dem, was ihnen auffällt. "Spielverlauf, Stimmung und etwas Gossip. Eine gute Mischung ist wichtig", sagt Bernhard Wunderlich. Dabei stehen Blumentopf in ständigem Kontakt mit den Redakteuren der ARD, damit die passenden Bilder zu den Raps geschnitten werden.

Deshalb fällt die Begeisterung über ein gutes Spiel der deutschen Mannschaft eher kurz aus. "Nach dem Viertelfinalsieg bei der WM gegen Argentinien standen wir schon jubelnd im Studio", sagt Manglus. "Danach ging es aber sofort an die Arbeit." Nur wenige Stunden nach dem Abpfiff muss schließlich ein fertiges Video über die Bildschirme flimmern, das bedeutet Reime im Akkord. "Dieser positive Druck fördert aber unsere Kreativität. Durch diese Herausforderung macht es erst richtig Spaß", sagt Manglus.

Mehr als nur ein Geheimtipp

Bei der WM hätte es durch die spannenden Spiele, die ausgepflippten Fans und das Geschehen auf der Tribüne viel Stoff gegeben für witzige Texte. "Bei einem langweiligen Nullnull wäre es vielleicht schwieriger geworden", sagt Heinzmann. Dann lieber das tragische Ausscheiden wie gegen Italien. "Künstlerisch wäre eine Niederlage gegen Österreich eine Herausforderung. Aber das hoffen wir natürlich nicht", sagt Florian Schuster.

Bei der ARD jedenfalls ist man angetan von den Verbal-Fußballern. "Wir bekommen durchweg positives Feedback, vor allem Monica Lierhaus ist begeistert", sagt Heinzmann. Die musikalischen Zusammenfassungen von Blumentopf sind mittlerweile mehr als nur ein Geheimtipp. Nach jeder begegnung mit deutscher Beteiligung sowie vom Halbfinale an bei jedem Spiel gibt es eine Raportage, Start ist am Sonntag nach dem Spiel gegen Polen.

Aus den Lautsprechern auf den Fanmeilen wird wohl Oliver Pochers "Bringt ihn heim" dröhnen und auf den Straßen viel zu oft "Schlaaaaand" gebrüllt. Die witzigen und fachkundigen Zusammenfassungen der fünf Münchner jedoch sind das wohl einzig wirklich gelungene Zusammenspiel von Fußball und Musik.

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