Eishockey:Wie an der Brehmstraße

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Eine Tradition, die von der Brehmstraße übernommen wurde: Kontrolliertes Feuerspiel von Flammenwerfern und Wunderkerzen prägt das Einlaufen. (Foto: Imago)

Düsseldorf feiert mit der unerwarteten Halbfinal-Teilnahme ein beachtliches Comeback - allerdings gleicht Ingolstadt zum 1:1 aus.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Die Eishockeyspieler Travis Turnbull und Jakub Ficenec wissen, wie man als Außenseiter deutscher Meister wird. Vor einem Jahr ist ihnen das mit dem ERC Ingolstadt gelungen. In diesem Frühjahr wollen sie das Kunststück mit der Düsseldorfer EG wiederholen und müssen dazu im Halbfinale ausgerechnet den ERC Ingolstadt ausschalten. Liebesbeziehungen sind im Eishockey von begrenzter Dauer - wie sich überhaupt vieles in dieser rastlosen Branche blitzschnell ändert.

Die Düsseldorfer, in den vergangenen beiden Spielzeiten mangels Sponsoren monetär abgebrannt und sportlich abgeschlagen Tabellenletzter, blühen dank zweier neuer Großgesellschafter in dieser Saison auf und träumen nun sogar ein kleines bisschen vom ersten Meistertitel seit 1996. Nach ihrem 2:1-Overtime-Sieg am Freitag in Ingolstadt verloren sie am Sonntag zwar das zweite Spiel der Halbfinalserie daheim mit 2:5 (0:0, 2:4, 0:1), bleiben aber aussichtsreich im Rennen. Im anderen Halbfinale ging Mannheim durch einen 5:3-Sieg in Wolfsburg am Sonntag 2:0 in Führung.

Düsseldorfs Trainer Christof Kreutzer schneidet angesichts der neuen Euphorie in der Stadt und einer erstmals seit langem mit 12 373 Zuschauer nahezu ausgefüllten Arena bereits demonstrativ die alten Zöpfe der ruhmreichen DEG-Historie ab: "Das lässt die Brehmstraße vergessen." Acht Meistertitel hatte man dort im alten Eisstadion gewonnen, ehe ein 20-Millionen-Mark-Schuldenberg die DEG Ende des Jahrtausends für zwei Jahre in die zweite Liga zwang und beinahe das Ende des Traditionsklubs bedeutet hätte. Das erste Comeback gelang dem Verein 2001 mit dem Engagement eines örtlichen Handelskonzerns, der die DEG in 'Metro Stars' umbenannte und ihr 2006 und 2009 sogar zwei Mal ins (jeweils gegen Berlin verlorene) Endspiel verhalf. Doch als der Sponsor sich 2012 zurückzog, wandelten sich die Düsseldorfer Meisterträume sogleich wieder in Existenznöte. Vor einem Jahr erbarmten sich die Unternehmer Peter Hoberg und Mikhail Ponomarev der DEG, übernahmen je ein Drittel der Anteile und brachten je geschätzte 1,5 Millionen Euro in einen Saisonetat ein, den der frühere Stuttgarter und Hoffenheimer Fußballmanager Jochen Rotthaus verwaltet. Düsseldorf war wieder konkurrenzfähig und steigerte sich in den Playoffs mit einem strapaziösen Viertelfinalsieg über die Hamburg Freezers (2:1-Auswärtssieg im ultimativen siebten Spiel) zur aktuellen Form.

Hunderte von Wunderkerzen funkelten am Sonntag vor dem zweiten Spiel in einer Tradition, die man 2006 beim Umzug von der Brehmstraße mitgenommen hatte. Die Düsseldorfer Euphorie war greifbar. Obwohl das erste Tor bis zur 25. Minute auf sich warten ließ, zeigten beide Mannschaften jenes schnelle, dynamische und kompromisslose Eishockey, wie es in dieser Form in der Deutschen Eishockey-Liga wirklich nur in den Playoffs zu sehen ist. Nach viereinhalb Minuten im zweiten Drittel schnappte sich der Düsseldorfer Alexander Preibisch den Puck im eigenen Drittel, raste über das Feld und drosch die Hartgummischeibe in den Winkel des Ingolstädter Tors. Zweieinhalb Minuten später erhöhte Thomas Dolak auf 2:0 - aber in den Düsseldorfer Jubel hinein verkürzte Thomas Greilinger 26 Sekunden später für Ingolstadt auf 1:2. Noch mal drei Minuten darauf glich Petr Taticek zum 2:2 aus und in der 33. und 40. Minute brachte John Laliberte die Bayern gar mit 4:2 in Führung. Ein 0:2-Rückstand binnen zweieinhalb Minuten und die Wende binnen zwölfeinhalb - es war ein Wahnsinn.

Wegen Problemen mit dem Eis war der Wahnsinn nach dem zweiten Drittel leider für eineinhalb Stunden unterbrochen. Brandon Buck erhöhte danach nur noch auf 5:2 für den ERC. Am Dienstagabend findet in Ingolstadt das dritte Spiel statt.

Der Trainer Kreutzer, 47, sein Bruder Daniel, 35, als Mannschaftskapitän, der kanadische Torwart Tyler Beskorowany, der norwegische Topscorer Ken André Olimb und die beiden Zugänge aus Ingolstadt (der dritte, Tim Conboy, ist seit November verletzt) spielen relevante Rollen in diesem Düsseldorfer Eishockey-Märchen. Es erwärmt die erkaltete Liebe der Stadt zu ihren Kufenstars gerade rechtzeitig wieder, da die örtlichen Zweitligafußballer im Mittelfeld der zweiten Liga dümpeln. Und so ein Comeback ist ja noch schöner, wenn niemand damit rechnet. Das gilt auch für den Trainer Kreutzer: "Viele Experten hatten prognostiziert, dass wir wieder Letzter werden, und wenn mir vor der Saison jemand vorhergesagt hätte, wo wir heute stehen, dann hätte ich ihn zu unserem Psychologen auf die Couch geschickt."

Die Entwicklung kam gar so überraschend, dass die Mannschaft bislang nicht mal eine Meisterprämie ausgehandelt hat. Aber auch in dieser Hinsicht könnten Turnbull und Ficenec über die nötige Erfahrung verfügen.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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