Eishockey:Wenn der Maurer hämmert

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Pendelt zwischen Baugerüst und Lasershow: Nürnbergs Leo Pföderl. (Foto: imago/Bernd Müller)

Leo Pföderl aus Bad Tölz ist der Mann der Stunde in der DEL. Doch anstatt sich allzu große Gedanken über seine Karriere zu machen, arbeitet er lieber regelmäßig auf dem Bau.

Von Christian Bernhard, Nürnberg

Ein Blick auf die Scorerliste der Deutschen Eishockey-Liga war aus Nürnberger Sicht in den vergangenen Jahren ziemlich langweilig. Weit vorne waren stets Patrick Reimer und Steven Reinprecht zu finden. Die einzige offene Frage war: Wer von beiden hat die Nase vorn? Reimer, der Knipser? Oder Reinprecht, der Vorbereiter? Auch in diesem Jahr ist das Top-Duo der Nürnberg Ice Tigers wenig überraschend ganz vorne zu finden. Reimer ist einmal mehr einer der besten Torjäger der Liga (18 Tore), Reinprecht weiterhin - trotz seiner 40 Jahre - einer der versiertesten und zuverlässigsten Vorbereiter (25 Assists) zwischen Bremerhaven und München.

Auf Platz eins steht aber ein anderer Nürnberger: Leo Pföderl, 23, aus Bad Tölz. Er führt vor dem Spitzenspiel zwischen dem Tabellenführer und amtierenden Meister, dem EHC Red Bull München, und den zweitplatzierten Ice Tigers am Sonntag (19 Uhr) zusammen mit Münchens Keith Aucoin die Scorerliste an (jeweils 36 Punkte). Seine bisherige Scoring-Bestmarke aus der vergangenen Saison (33 Punkte) hat Pföderl schon jetzt, 15 Spiele vor Ende der Hauptrunde, übertroffen. Und die Frage ist: Wie hat dieser junge Mann aus Bad Tölz das geschafft?

"Ich versuche einfach, ihre Zuspiele zu nutzen. Das klappt ganz gut."

Tiefgründig analysieren will und kann der Nationalspieler seine Topform nicht. "Es läuft halt ganz gut", sagt er trocken und knapp, er hat "keine besonderen Gründe" für seinen guten Lauf ausgemacht. Der Angreifer fühle sich neben seinen Reihenkollegen David Steckel und Brandon Prust "einfach sehr wohl" und profitiere davon, dass diese ihm "immer wieder wichtige Räume" schaffen. "Ich versuche einfach, ihre Zuspiele zu nutzen. Das klappt ganz gut." Um nicht zu sagen: sehr gut.

Besonders Steckel, der einer der besten Bully-Spieler der Liga ist, ergänzt sich blendend mit Pföderl. Die Kombination aus Steckels Stärke beim Anspiel und Pföderls beeindruckendem Handgelenkschuss bekam auch der Meister aus München bereits zu spüren. Beim wilden Nürnberger 6:5-Sieg nach Verlängerung im November gewann Steckel im Startdrittel ein Anspiel, spielte es direkt zu Pföderl und der hämmerte die Scheibe unhaltbar zum 1:0 ins Kreuzeck. "Den hat er gut reingehauen, der Maurer", sagte Münchens Verteidiger Konrad Abeltshauser. Er kommt wie Pföderl aus Bad Tölz, die beiden kennen sich gut.

Es ist auch seine Herkunft und eine gewisse Bodenständigkeit, die Pföderl dabei hilft, die gesteigerte Aufmerksamkeit an seiner Person wegzustecken. Als er bereits in der DEL spielte, machte er daheim in Bad Tölz im Betrieb seines Vaters eine Maurer-Lehre und spulte dabei eine 40-Stunden-Woche auf dem Bau ab - neben seiner Eishockey-Karriere. "Nach 40 Stunden Arbeit in der Woche ist es für ihn ein Vergnügen, zu uns zu kommen", sagte sein damaliger Nürnberger Trainer Jeff Tomlinson. In der Sommerpause steht Pföderl heute noch auf dem Bau.

Sein Erfolg? "Ein Wunder", sagt Pföderl

In diesen Tagen, in denen er der ganzen Liga vorauseilt, wird Pföderl allerdings weniger auf sein Handwerk angesprochen, sondern vielmehr auf seine Ambitionen. Ob er manchmal an die NHL denke? "Den Traum von der NHL hatte ich noch nie", sagte er in dieser Woche. Die "da drüben", in Nordamerika, haben seiner Meinung nach so viele gute junge Spieler, "da werden die keinen 23-jährigen Deutschen holen." Überhaupt ist es für ihn "eh ein Wunder, wie das hier alles für mich gelaufen ist". Pföderl lässt sich von äußeren Faktoren nicht verrückt machen. Noch so ein Beispiel: 2011 war er für die Junioren-Weltmeisterschaft nominiert worden. Er sagte ab, weil Ausbildungskurse bei der Maurer-Innung anstanden.

Pföderls Entwicklung sei "absehbar" gewesen, sagt Patrick Reimer. Man merke einfach, "dass er mittlerweile das Selbstvertrauen hat, die Schüsse zu nehmen", sagt der Ice-Tigers-Kapitän. Das zahlt sich aus - für die Ice Tigers und Pföderl: In der laufenden Saison ist der 23-Jährige noch nie in zwei aufeinanderfolgenden Spielen ohne Scorerpunkt geblieben, auch beim 5:0-Sieg gegen die Krefeld Pinguine am Freitag bereitete er wieder ein Tor vor. Pföderls Entwicklung ist sicherlich auch den Münchnern, die mit Red Bull als Eigentümer über einen der höchsten Etats der Liga verfügen, nicht entgangen. Pföderl, der seit Kindheit Fan des Fußballklubs TSV 1860 München ist, sagt, es gebe "schon einen kleinen Druck" aus dem Freundes- und Familienkreis, "irgendwann mal in München zu spielen" - die Anreise zu den Heimspielen wäre dann deutlich kürzer.

Für ihn ist das aber kein Thema: Es habe "noch nie" Gespräche mit München gegeben, betont er, schließlich sei er in Nürnberg sehr glücklich und könne sich "irgendwas anderes" momentan "überhaupt nicht vorstellen". Erst einmal geht es am Sonntag sowieso um den Sieg im Spitzenspiel - und damit, es passt in diese Geschichte über Bodenständigkeit, auch um drei Kilogramm Leberkäse. Die hat sein Kumpel Abeltshauser als Wetteinsatz ausgerufen.

© SZ vom 15.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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