Eishockey:Rauschhafter Rhythmus

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Berliner (in blau) und Kölner (in weiß) treiben das Viertelfinale auf die Spitze, hier blockt Torhüter Wesslau einen Schuss des Berliners Braun (4. v. li.). (Foto: Gregor Fischer/dpa)

2:3 im entscheidenden siebten Spiel: Rekordmeister Berlin scheitert im Viertelfinale an den Kölner Haien.

Von Ulrich Hartmann, Berlin/Köln

Am Ostermontag um 16.55 Uhr war das zweiwöchige Drama schließlich erledigt. Im schnellsten Mannschaftssport der Welt können sich die Dinge ja hinziehen. So wie in dieser Viertelfinalserie zwischen den Berliner Eisbären und den Kölner Haien, die seit dem 15. März alle zwei Tage mit alternierendem Heimvorteil gegeneinander gespielt haben. Sie haben sich so lange nicht darauf einigen können, wer ins Playoff-Halbfinale der Deutschen Eishockey-Liga einziehen darf, dass sie die Angelegenheit nun gemäß Reglement im siebten Spiel endgültig zu beenden hatten. Als die Schlusssirene ertönte, häuften sich die Kölner Haie auf Berliner Eis zu einem vibrierenden Berg. 17:13 lautete in dieser Serie nach sieben Stunden und 160 Sekunden Eishockey das Gesamt-Torverhältnis für Köln, aber ins Halbfinale ziehen sie deshalb und so knapp ein, weil sie das siebte Spiel mit 3:2 (1:0, 2:2, 0:0) in Berlin für sich entschieden. In der Vorschlussrunde spielen die Kölner ab Mittwoch zunächst auswärts gegen den EHC München, während sich im anderen Halbfinale Wolfsburg und Nürnberg duellieren. Eine denkwürdige und auch seltsame Serie ist das gewesen zwischen Berlin und Köln, weil diese spannendste von vier Viertelfinalserien zugleich eine mit umso klareren Resultaten pro Spiel war. 3:0, 4:0 und 5:1 hatten die ersten drei Siege der Kölner gelautet; 5:1 und 4:1 hatten die Berliner gewonnen - bloß im zweiten Spiel, als die Berliner in der Overtime 1:0 in Köln gewannen, war es zuvor einmal so eng zugegangen wie nun im siebten Spiel. Auf die Serie betrachtet, ist den Berlinern gegen gut verteidigende Kölner zu wenig eingefallen. Wenn Defensiven Titel gewinnen, gelten die Kölner ab sofort als Mitfavorit. Mit zehn Playoff-Spielen binnen 20 Tagen sind sie in einem rauschhaften Rhythmus. Mit München freilich müssten sie nach Mannheim und Berlin als nächstes den Meisterschaftsfavoriten eliminieren. Aber ihr Torjäger Patrick Hager ist angefixt: "Zur richtigen Zeit der Saison spielt jeder von uns an seinem Limit."

Im Showdown einer Serie, in der sieben Mal jene Mannschaft gewonnen hat, die das erste Tor erzielte, gingen die Kölner in Berlin mit 1:0 in Führung. Der gebürtige Stuttgarter Hager, der in den vergangenen zwei Jahren mit Ingolstadt im Finale gestanden hatte, holte sich an der Mittellinie den Puck und zog von der rechten Bande zum linken Pfosten des Berliner Tors. Dabei lief er Petr Pohl davon und narrte Mark Olver, den er keck ausspielte, um frei vor Torwart Petri Vehanen zu stehen und den Puck über die Torlinie zu schieben. Eine grandiose Aktion.

Die Berliner hatten zunächst bessere Chancen auf einen Treffer besessen, scheiterten aber entweder an Torwart Wesslau oder an den Kölner Abwehrreihen, die selbst dann noch einen guten Eindruck machten, als sie sich Mitte des ersten Durchgangs 80 Sekunden lang einem Drei-gegen-Fünf erwehren mussten. Dass die Berliner in dieser Phase nicht trafen, war bezeichnend. "Die Kölner waren in der ganzen Serie insgesamt aktiver", sagte Angreifer André Rankel, "sie haben aus weniger Chancen mehr Tore gemacht." Im zweiten Drittel wurde das Spiel - tatsächlich das erste 'Siebte' in der Playoff-Historie des DEL-Rekordmeisters Berlin - dramatisch. Als die Kölner 100 Sekunden lang Vier-gegen-Drei spielen durften, erarbeiteten sie sich trotz des vielen Platzes keine gute Chance. Erst bei der nächsten regulären Überzahl gelang ihnen das 2:0, als Philip Gogulla in der 32. Minute sein achtes Tor in diesen Playoffs erzielte. Das 3:0 in der 34. Minute, bei dem der Berliner Frank Hördler den Puck ins eigene Tor beförderte, wurde dem Kölner Alexander Weiß zugeschrieben. Erst jetzt, da das Spiel entschieden schien, wachten die Berliner auf und kamen im Angesicht des fast sicheren Saison-Endes binnen 106 Sekunden zurück ins Spiel. Mit zwei Treffern durch Michael DuPont (37.) und Mark Olver (39.) kamen sie noch vor der zweiten Pause auf 2:3 heran. Aggressiv gingen sie es an, aber wieder mangelte es an der Kreativität. Bei ihren Kontern hatten die Kölner bessere Möglichkeiten - doch das Drittel endete torlos. Berlin ist draußen. Köln steht nach einer weitgehend verkorksten Hauptrunde unerwartet im Halbfinale. "Seit Januar war der Druck bei uns hoch", erklärte Hager, warum seine Mannschaft im Playoff-Drama aufblühte. Unter dem neuen Trainer Cory Clouston, der am Montag im 25. Spiel an den Bande stand, haben sich die Haie zu einem Topteam entwickelt. "Was vorher war, ist jetzt egal", sagt Hager und weckte damit in Köln womöglich Titelträume. "Wir sind tierisch enttäuscht", sagte hingegen Berlins André Rankel. Nach zweimaligem Saison-Ende in den Pre-Playoffs ist die Saison für die Eisbären als Haupt- runden-Zweiter diesmal im Viertelfinale zuende.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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