Eishockey:Heimlicher Erster

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Die DEL-Tabelle weist Iserlohn nur als Dritten aus, aber die Sauerländer haben weniger Spiele bestritten als die Klubs vor ihnen. Das Geheimnis des Erfolgs: Kreativität auf dem Transfermarkt.

Von Christian Bernhard, Iserlohn/München

18.37 Uhr war es, als Zach Hamill am Freitag in Iserlohn aus dem Auto stieg. Der 27-jährige Kanadier hatte soeben eine rund 800 Kilometer lange Flug- und Auto-Reise hinter sich gebracht, die im Süden der Schweiz begonnen hatte. Das hinderte ihn aber nicht daran, bereits eine knappe Stunde später seinen Beruf auszuüben. Hamill betrat die Kabine der Iserlohn Roosters, zog sich um - und stand um 19.30 Uhr für seinen neuen Arbeitgeber auf dem Eis. Weitere zweieinhalb Stunden später konnte sich der Kanadier über seinen ersten Sieg in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) freuen.

Obwohl sein neuer Trainer Jari Pasanen verletzungsbedingt auf fünf potenzielle Stammspieler verzichten musste, hatte seine Mannschaft keine Probleme mit dem EHC München. 5:1 schlugen die Roosters die Bayern und verteidigten damit ihren dritten Tabellenplatz. Bereinigt man die Tabelle, sind die Sauerländer sogar der heimliche Tabellenführer, denn die auf Rang eins liegenden Adler Mannheim haben nur zwei Punkte Vorsprung auf die Sauerländer, aber drei Spiele mehr bestritten; die Eisbären Berlin als Zweiter einen Punkt, aber auch ein Spiel mehr.

Gleich neun Deutsch-Kanadier stehen im Kader

Die Eingewöhnung dürfte für Hamill ohnehin kein Problem sein, schließlich sind die Roosters die mit Abstand "kanadischste" Mannschaft der Liga. Gleich neun Deutsch-Kanadier stehen im Kader der Sauerländer, nur drei Spieler, von denen zwei derzeit verletzt sind, kamen in Deutschland zur Welt. Dazu kommen neun "reine" Nordamerikaner: Exakt so viele Ausländer dürfen pro Partie in der DEL eingesetzt werden. Warum die Roosters diesen Weg eingeschlagen haben, kann Manager Karsten Mende leicht erklären. "Sehr gute deutsche Spieler sind finanziell für uns nicht zu realisieren", betont er, daher müsse man "besonders kreativ" und schnell sein. Der ehemalige Nationalmannschaftskapitän Michael Wolf etwa, der neun Jahre lang in Iserlohn gespielt hat und dort viel mehr als nur Kapitän war, wechselte im Sommer 2014 nach zahlreichen Abwerbe-Versuchen zum EHC München, wo Eigentümer Red Bull besonders gute Gehälter zahlt.

Die Roosters halten Ausschau nach nordamerikanischen Spielern, die die Möglichkeit haben, aufgrund ihrer Familiengeschichte oder der Zeit, die sie schon in Deutschland sind, einen deutschen Pass zu bekommen. "Einige haben den schon länger, anderen helfen wir, einen zu bekommen", erklärt Mende, der in der vergangenen Saison zum DEL-Manager des Jahres gewählt worden war, den Iserlohner Weg. Trainer Pasanen hat aus der Nordamerika-Gruppe das Überraschungsteam der Saison gemacht. Als einzige Mannschaft der Liga haben die Roosters in jedem ihrer Heimspiele gepunktet, insgesamt blieben sie nur in vier ihrer 24 Saisonpartien ohne Punkte - auch das ist mit großem Abstand Ligaspitze.

Die Verantwortlichen stapeln bewusst tief

Die Eissporthalle am Seilersee ist meistens ausverkauft und berüchtigt für ihre Stimmung. Fällt das Wort Hexenkessel im deutschen Eishockey, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass gerade von der Heimstätte der Iserlohner die Rede ist.

Trotz der hervorragenden Konstellation und der Einschätzung von Stürmer Nick Petersen ("Wir haben diesmal schon von Beginn der Saison an gewusst, wozu wir in der Lage sind") machen die Verantwortlichen nicht den Eindruck abzuheben. "Wenn man beginnt, die Nase hoch zu tragen und meint, man sei etwas Besonderes, dann ist das schon der Weg nach unten", betont Mende. Pasanen weist darauf hin, dass seine Mannschaft "keine Supermacht" sei und erklärt: "Wir dürfen nicht träumen." Das passt zum 51-jährigen, stoisch ruhigen Finnen, der gerne auf Understatement macht. Vor dem Duell mit München hatte er den EHC als "glasklaren Favoriten" bezeichnet, Ende November sprach er noch vom Punktesammeln "für den Einzug in die Pre-Playoffs". Dafür reicht Platz zehn - die Roosters waren damals schon Tabellenzweiter.

© SZ vom 13.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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