Eishockey:Die 28 unter dem Dach

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Goodbye, Franconia: Steven Reinprecht verabschiedete sich emotional. (Foto: imago)

Der frühere Stürmer Steven Reinprecht, 42, kehrt nach Nürnberg zurück - um sich zu verabschieden.

Von Christian Bernhard

Auf dem Transatlantik-Flug war die familiäre Ordnung noch gegeben, doch kaum hatte die Familie Reinprecht Nürnberger Boden betreten, war sie verflogen. Henning Reinprecht, der neun Jahre alte Sohn von Steven Reinprecht, war in der vergangenen Woche schneller weg, als sein Vater schauen konnte. Zwei Tage lang bekam Reinprecht senior den Reinprecht junior nicht mehr zu sehen, Sorgen musste man sich aber nicht um ihn machen. Henning wurde von Freunden abgeholt, besuchte seine alte Schule und übernachtete bei Freunden. Für die Reinprechts war die Reise nach Nürnberg schließlich nicht nur eine Rückkehr in eine Stadt, in der das Familienoberhaupt sechs Jahre lang seinen Beruf ausgeübt hatte. Es war ein Ausflug in ein sehr vertrautes Umfeld. Oder um es in den Worten von Mette, Reinprechts Tochter, zu sagen: in die Heimat. Sie war erst wenige Monate alt, als es die Reinprechts 2012 nach Nürnberg kamen.

Steven Reinprecht war auch wegen Geschichten wie diesen so emotional berührt, als er am Freitag in einem Trikot der Nürnberg Ice Tigers und Anzughose auf ein Pult im Mittelkreis der Eisfläche zuschritt, das nur seinetwegen da stand. "Es ist viel leichter, in einer ausverkauften Halle Eishockey zu spielen, als eine Rede zu halten", sagte er. Knapp 8000 Menschen lauschten den Worten des 42-jährigen Kanadiers, der seit Mai kein Eishockeyprofi mehr ist.

Dann blickten sie gemeinsam mit ihm und seiner Familie, die er ganz eng an sich drückte, nach oben und verfolgten, wie seine Trikotnummer 28 unter das Hallendach der Nürnberger Arena gezogen wurde. Der Freitagabend war ein hochemotionaler für das Nürnberger Eishockey. Ice-Tigers-Geschäftsführer Wolfgang Gastner nannte ihn "historisch", als er Reinprechts Verdienste aufzählte. 313 Mal hatte der Stürmer das Trikot der Franken getragen, 330 Scorerpunkte gelangen ihm. Nicht nur in Nürnberg war sein Name ein Synonym für Eleganz, Spielkultur und Sportsgeist.

"Keine Frage", sagte Münchens Coach Don Jackson, der erfolgreichste Trainer der Geschichte der Deutschen Eishockey Liga (DEL), "er war einer der Elitärsten. Ich ziehe meinen Hut vor ihm." Nürnbergs Kapitän Patrick Reimer, der jahrelang mit Reinprecht in einer Angriffsreihe auf dem Eis stand, nannte ihn einen "stillen Leader, tollen Menschen und ein Vorbild".

Die Reinprecht-Zeremonie trieb die kriselnden Ice Tigers zu einer Spitzenleistung, 4:1 bezwangen sie im Anschluss den amtierenden Meister EHC München. "Wir haben seinen Geist gespürt", sagte Reimer hinterher zwinkernd. "Wenn wir so spielen", betonte der Kapitän, "können wir jeden in der Liga schlagen." Reimer hoffte, dass der emotionale Sieg einen Wendepunkt markieren würde - wies aber auch darauf hin, dass "wir leider schon öfters hier gestanden und gesagt haben, das war vielleicht der entscheidende Sieg, den wir brauchten". Am Sonntag war der Reinprecht-Effekt dann tatsächlich schon wieder verpufft. Die Nürnberger führten im Auswärtsspiel gegen die Straubing Tigers zwar 4:2 und 5:3, verloren das Derby aber 5:6 nach Penaltyschießen. Tim Bender machte die Niederlage an zu vielen Strafzeiten und fehlender Konstanz fest. "Es sind immer diese fünf, sechs, sieben Minuten, in denen wir wieder Gegentore kassieren", sagte er, "das bringt uns einfach um." Erst einmal ist es den Franken in dieser Saison gelungen, auf einen Sieg einen weiteren Sieg folgen zu lassen. Das erklärt, warum der Rückstand auf den letzten Playoff-Rang neun Punkte beträgt.

Reinprecht hatte seinen früheren Teamkollegen noch Mut gemacht: "Die Saison ist erst zur Hälfte rum, es ist noch nicht vorbei." Am Montag kehrte er samt Familie in die USA zurück, wo er bei der Eishockey-Mannschaft der Universität von Denver seine ersten Schritte in der Trainerwelt macht. Wohin ihn diese führen werden, weiß er noch nicht. Er verriet aber, dass er auch nach Europa blicke, wenn es um zukünftige Trainer-Engagements gehe. Und dass er eine "sehr starke Verbindung" zu Nürnberg habe. "Wir werden sehen, was passiert. Ich glaube, dass sie (Nürnbergs Vereinsführung, Anm. d. Red.) im Moment auf diese Saison fokussiert sind."

Martin Jiranek, neben dessen Nummer zwölf Reinprechts 28 nun unter dem Hallendach verewigt ist, bestätigte diesen Eindruck. Momentan denke er nicht an das nächste Jahr, sagte Trainer Jiranek, der auch Nürnbergs Sportdirektor ist. Das seien Fragen, die zu einem späteren Zeitpunkt der Saison zu beantworten seien. Reinprechts Interesse dürfte aber auch er erahnen.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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