Eishockey:Der Torwart hat Spaß

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In Hochform: Mit dem sensationellen Gegentorschnitt von 1,11 pro Partie führt ERC-Torhüter Timo Pielmeier die Liga an, seine Fangquote von 96,5 Prozent ist ebenfalls Spitze. (Foto: Thomas Frey/imago)

Die Defensive ist das Fundament des ERC Ingolstadt: Mit 26 Gegentreffern stellen die Oberbayern die beste Abwehr der DEL.

Von Christian Bernhard

Eishockey kann sehr einfach sein, wenn man das kann, was Brandon Buck am vergangenen Sonntag zeigte. Der Stürmer des ERC Ingolstadt hatte in Minute 54 hinter dem eigenen Tor Tempo aufgenommen, spielte sich die Scheibe über die Bande selbst zu, lief am ersten Düsseldorfer vorbei, dann zwischen zwei Gegenspielern hindurch und vollendete sein Solo mit einem platzierten Handgelenkschuss. Die Eishockey-Sprache hat für solche Tore die Bezeichnung "From coast to coast" geprägt. Von Küste zu Küste.

Bucks Treffer war nicht nur sehr schön, sondern auch entscheidend. Er war das erste von zwei Toren, das dem ERC den 2:0-Sieg in Düsseldorf einbrachte. So schön er allerdings auch war: Der zentrale Faktor, warum der ERC sich mittlerweile auf Platz vier der Deutschen Eishockey Liga (DEL) festgesetzt hat - noch vor den Titelkandidaten Köln und Mannheim - ist ein anderer: die Defensivstärke.

Die mannschaftliche Arbeit in der Rückwärtsbewegung hat sich deutlich verbessert

Die Oberbayern gewannen am vergangenen Wochenende beide Spiele zu Null, dem 2:0 in Düsseldorf war ein 3:0 zuhause gegen Wolfsburg vorangegangen. ERC-Torhüter Timo Pielmeier sorgte mit insgesamt 71 Paraden dafür, dass kein einziger Schuss der Gegner in seinem Netz zappelte. Mit 26 Gegentreffern stellt Ingolstadt die beste Abwehr der Liga, fünf Zu-Null-Spiele an den ersten 13 Spieltagen hat es in der DEL noch nicht gegeben. Die Ingolstädter Defensivstärke ist umso erstaunlicher, als der ERC in der vergangenen Spielzeit für das Gegenteil stand. Er traf zwar oft, da er über eine talentierte Offensive verfügte, kassierte aber nahezu gleich viele Gegentore und hatte von den besten acht Mannschaften der Liga die schlechteste Hauptrunden-Abwehr.

Der Hauptgrund für die neue Ingolstädter Abwehrstärke ist die deutlich verbesserte mannschaftliche Arbeit in der Rückwärtsbewegung. "Ein Torhüter profitiert auch von der Arbeit seiner Vorderleute", erklärt Trainer Tommy Samuelsson. "Wenn konsequent verteidigt wird und der Gegner nur von außen oder aus der Distanz schießen kann, hat der Torhüter einen leichteren Job. Das hat meine Mannschaft zuletzt oft sehr gut gemacht."

Das "Fundament" - so nennt der Schwede gerne seine Abwehr - sitzt. Dabei hat sich beim Abwehrpersonal gar nicht viel verändert, neu sind lediglich Matt Pelech und Sean Sullivan. Pelech verleiht dem ERC mit seinen 1,93 Metern und 107 Kilogramm vor dem eigenen Tor eine neue Wucht, die speziell die gegnerischen Stürmer zu spüren bekommen. Da eine gute Abwehrarbeit nicht nur von den Verteidigern abhängt, haben auch die Stürmer ihren Anteil an der neuen Balance. Laurin Braun, Darin Olver, Mike Collins und Kael Mouillierat, die alle neu sind, übernehmen etwa zentrale Rollen im Unterzahlspiel, das nun mit 87 Prozent das zweitbeste der Liga ist. Letzte Saison war es noch auf Rang zehn.

"Die Mannschaft spielt super. Die Jungs vor mir schmeißen sich in alles, was aufs Tor kommt. Das macht einfach Spaß", sagt Pielmeier. Er bedankt sich dafür mit beeindruckenden Statistiken: Mit dem sensationellen Gegentorschnitt von 1,11 pro Partie führt er die Liga an, seine Fangquote von 96,5 Prozent ist ebenfalls Spitze. "Timo hält momentan so gut wie schon lange nicht mehr", sagte Bundestrainer Marco Sturm kürzlich.

Pielmeier war in den vergangenen Jahren stets die unangefochtene Nummer eins in Ingolstadt gewesen, die Spiele, in denen er nicht das ERC-Tor hütete, konnte man fast an einer Hand abzählen. Torhüter spielen am liebsten immer, das Problem an solch einer klaren Hierarchie ist allerdings: Pielmeier spielte auch dann, wenn er nicht so gut in Form war. Ihm fehlte der Druck eines arrivierten, auf Augenhöhe, agierenden Konkurrenten. Den bekam er im Sommer in Person von Jochen Reimer.

Reimer erzeugt einen Konkurrenzkampf, der Pielmeier und der Mannschaft gut tut

Der frühere Nürnberger erzeugte einen Konkurrenzkampf, der Pielmeier und der Mannschaft gut tut. "Die erfolgreichsten Teams in der DEL haben zwei starke Torleute, die sich gegenseitig pushen", betonte Sportdirektor Larry Mitchell vor der Saison. Exakt dieser Fall ist eingetreten.

Die Verpflichtung von Reimer habe "auf alle Fälle" einen "extra Fokus dazu gebracht", sagte Pielmeier der Eishockey News. Die Tatsache, dass bei den Olympischen Spielen im Februar die zwei deutschen NHL-Torhüter Thomas Greiss und Philipp Grubauer aufgrund des NHL-Boykotts nicht dabei sein werden, tut ihr übriges: Pielmeier, der bei der diesjährigen Heim-Weltmeisterschaft nicht dabei gewesen war, hat in dieser Form sehr gute Chancen, nach Südkorea zu fliegen. Der 28-Jährige glaubt, mit dem ERC auf einem guten Weg zu sein. Dieser sei aber noch lang. Wohin dieser führen soll, ist für ihn klar: Am Ende, sagt er, zähle, "dass wir unter den Top sechs stehen".

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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