Eishockey:Bills Geheimnis

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Die Adler Mannheim drohten die Playoffs zu verpassen, Fans protestierten, die sportliche Leitung musste gehen. Nun stehen sie im Halbfinale gegen München - und Trainer-Haudegen Stewart spricht vom Titel.

Von Christian Bernhard

Daniel Hopp hat turbulente Monate hinter sich. Erst musste der Geschäftsführer der Adler Mannheim mit ansehen, wie seine Mannschaft abstürzte, er dachte an einen Neuanfang im Sommer, die aktuelle Saison hätte er wohl am liebsten einfach abgehakt. Und jetzt kann der Sohn von Dietmar Hopp plötzlich von der Meisterschaft träumen. Am Donnerstag starten die Adler mit einem Auswärtsspiel bei Meister EHC Red Bull München ins Playoff-Halbfinale der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Mannheim mit Chancen aufs Finale? An Weihnachten hätte er diese Konstellation "auf jeden Fall blind unterschrieben", sagt Hopp.

Nach einer enttäuschenden Spielzeit war Anfang Dezember die gesamte sportliche Leitung freigestellt worden. Trainer Sean Simpson und Manager Teal Fowler mussten gehen. Bill Stewart, der die Mannheimer schon 2001 trainiert hatte, übernahm und hatte zunächst mit den Altlasten zu kämpfen. Er erkannte eine "zerbrechliche Mentalität" in der Spieler-Kabine und verlor neun seiner ersten zwölf Spiele. Die Wende zum Guten kam nach einem der bittersten Momente der Hauptrunde. Nach einer 0:5-Niederlage in Köln war die Playoff-Teilnahme in Gefahr, der Mannschaftsbus wurde im Januar bei seiner Rückkehr nach Mannheim nachts von rund 150 aufgebrachten Fans empfangen. Es folgte eine Aussprache mit Kapitän Marcus Kink, David Wolf und Dennis Endras. Das habe die Mannschaft aufgeweckt, sagte Stewart. Kink sagte: "Wir haben uns die Kritik zu Herzen genommen."

Die Mannheimer, siebenmaliger Meister und dank Hopps SAP-Millionen wie immer mit einem der teuersten Kader der Liga gestartet, schafften es mit einem starken Endspurt noch auf Rang fünf, obwohl sie zwölf Spieltage vor Ende der Hauptrunde noch den drittletzten Tabellenplatz belegt hatten. Was intern passiert war, verriet Kink nicht. Er wolle nicht so genau darauf eingehen, sagte der Kapitän, "aber Bill hat viel Neues in die Kabine gebracht. Das hat uns neuen Schwung gegeben."

Stewart, 60, gilt als Trainer mit harter Hand, er war einst für Eskapaden berüchtigt, noch im Oktober war er beim Tabellenletzten Straubing freigestellt worden. Doch seine ausgeprägten Analyse-Fähigkeiten scheinen ihm geholfen zu haben, das Mentalitätsproblem in den Griff zu bekommen. Außerdem verbesserte er die Fitness der Spieler. "Bill hat einen hervorragenden Job gemacht", sagte Wolf. "Es hat seine Zeit gebraucht, aber wir sind zum Ende der Saison topfit."

Die Silbermedaille bei Olympia gab sechs Mannheimern einen Euphorie-Schub

Die Adler profitierten auch vom Silber-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft. Das Mannheimer Sextett - nur München stellte mit sieben ein größeres Kontingent - kam laut Stewart "völlig euphorisiert" von den Winterspielen aus Pyeongchang zurück und steigerte sich noch einmal. Endras hielt im Viertelfinale gegen Ingolstadt stark und wurde von Stewart bei jeder Gelegenheit gelobt: "Ohne Dennis hätten wir kein Spiel gewonnen." Sinan Akdag ist der punktbeste DEL-Verteidiger der Playoffs (sechs Scorerpunkte), Angreifer Wolf (drei Tore) ließ sich auch durch Provokationen nicht von seinem Spiel abbringen. In den fünf Viertelfinalspielen saß er nicht einmal auf der Strafbank. "Das Herz ist wieder am rechten Fleck, die Leidenschaft stimmt", erklärte Endras den Adler-Aufschwung. Nur so könne man Spiele gewinnen - "siehe deutsche Nationalmannschaft".

Der Konkurrenzkampf in der laut Ingolstadts Thomas Greilinger "mit am besten besetzten Mannschaft der Liga" tat sein übriges. In Ryan MacMurchy (132 Scorerpunkte in 137 DEL-Spielen), Aaron Johnson (291 NHL-Spiele) und Niki Goc (502 DEL-Spiele) saßen drei Prominente in den Playoffs bislang nur auf der Tribüne, für den angeschlagenen Devin Setoguchi (516 NHL-Spiele) rückte ab Spiel drei Christoph Ullmann (736 DEL-Spiele) ins Team. "Unser breiter Kader hat uns natürlich auch geholfen", sagte Endras. Noch besser wurde dieser im Februar durch die Verpflichtung des US-Verteidigers Patrick Mullen.

Zwar gewannen die Münchner alle vier Hauptrunden-Spiele gegen die Adler, Mannheim ist Außenseiter. Doch Stewart nannte die Münchner im Mannheimer Morgen die "perfekte Messlatte für uns". Er sagte: "Die Entwicklung der letzten 21 Spiele spricht für sich." Und: "In den Playoffs willst du nicht nur dabei sein, sondern das letzte Spiel gewinnen." So wie 2015, als die Adler zuletzt Meister wurden.

Stewart wird nach der Saison seine Trainerkarriere beenden, im Sommer übernimmt der langjährige Wolfsburger Trainer Pavel Gross, der den früheren Serienmeister wieder zu dem konstanten Spitzenklub machen soll, der er mal war. Aber vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass nun noch ein letztes Mal Stewart die Verantwortung trägt, und seine ganz eigenen Methoden anwendet. 2001 täuschte er in der Endspiel-Serie gegen München an der Bande einen Schwächeanfall vor, damit sich einige seiner Spieler die Schlittschuhe reparieren lassen konnten. Mannheim gewann das Spiel - und wurde Meister.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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