Eintracht Braunschweig:Dreimal Rot

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Rüdes Spiel torpediert die Mission Aufstieg: Eintracht Braunschweig wird bei Jahn Regensburg mit drei Platzverweisen bestraft, verliert erstmals in dieser Saison 1:2. Und muss zu allem Übel in der nächsten Woche drei Spieler ersetzen.

Von Johannes Kirchmeier, Regensburg

Wer den Braunschweiger Fußballtrainer Torsten Lieberknecht kennt, der weiß, dass er nicht immer zufrieden ist mit den Entscheidungen der Schiedsrichter auf dem Feld. Das rührt in jüngster Zeit vor allem daher, dass er mit seinem Team wegen eines umstrittenen Elfmeterpfiffs in der Relegation gegen den niedersächsischen Rivalen VfL Wolfsburg unterlag und dann den Bundesliga-Aufstieg Ende Mai verpasste. Und so tigerte Lieberknecht auch am Samstagnachmittag einige Male genervt durch die Coaching Zone, winkte ab oder diskutierte mit dem Vierten Offiziellen, Asmir Osmanagic, an der Seitenlinie über Entscheidungen des Schiedsrichters Tobias Reichel.

So weit, so normal: Lieberknecht ist ein streitbarer Mensch. Aber am Samstag musste er hinterher feststellen: "Heute haben wir uns selbst geschlagen." Drei Braunschweiger stellte Reichel bei der 1:2 (1:0)-Niederlage im Zweitligaspiel beim SSV Jahn Regensburg vom Platz. Alle drei waren berechtigt, fand Lieberknecht nach dem Videostudium in der Kabine. "Wir haben die Größe zu sagen, wir waren mit Sicherheit mit Schuld", sagte er geknickt.

Lieberknecht weiß am besten, wie unnötig diese Niederlage in Regensburg war für die Braunschweiger. Diese Saison soll ja im besten Falle mit dem direkten Aufstieg für die Niedersachsen enden. Nachdem die hoch ambitionierten Stuttgarter und Hannoveraner, die sich im Mai noch als zu stark für die Eintracht erwiesen, nach oben entflohen sind, wird vielen Mannschaften der Aufstieg zugetraut, allen voran der Eintracht. Sie starten ihren zweiten Anlauf.

Schuh im Gesicht: erstes Rot

Als Favorit zog Braunschweig also in die Regensburger Arena ein, die Lieberknecht unter der Woche schon "Schmuckkästchen" nannte, in die dann aber zum Spiel nur relativ überschaubare 8432 Zuschauer kamen. Die Braunschweiger taten sich anfangs überraschend schwer gegen die kompakten Regensburger. Nur wenige Teams stehen in der zweiten Liga so eng zusammen wie das von Achim Beierlorzer, der seinen Fußballstil des schnellen Umschaltens aus einer sicheren Defensive heraus aus Leipzig in die Oberpfalz mitgebracht hat.

Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht bricht aus vor Wut. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Das funktionierte in der ersten Viertelstunde prächtig, doch dann wurde das Spiel zusehends ruppiger. "Kernige Zweikämpfe" erkannte Beierlorzer, die bereits in der 26. Minute zur ersten roten Karte führten: Der Braunschweiger Salim Khelifi trat Marc Lais auf der Suche nach dem Ball ins Gesicht. Referee Reichel schickte ihn vom Platz, es war die erste rote Karte des Schiedsrichters in einem Zweitliga-Spiel, nachdem er vor zwei Wochen Ingolstadt gegen Aue geleitet hatte. Zum zweiten Mal musste er also in Altbayern ran - und zum zweiten Mal musste er sich "Schieber"-Rufe anhören. Diesmal von den Gästen. Dennoch gingen die Braunschweiger nach einem Freistoß von Jan Hochscheidt, den am Ende der Innenverteidiger Joseph Baffo über die Linie köpfelte, in Führung (42.). Die Regensburger bauten dagegen in Überzahl deutlich ab.

Angriff mit dem Knie: zweites Rot

Gleich nach der Halbzeit waren allerdings die Regensburger, die umgestellt hatten, wieder stärker, und die Partie drehte sich. So ganz kamen die Braunschweiger als dezimiertes Team nicht mit der Favoritenrolle zurecht. Beierlorzer schickte Offensivmann Sebastian Stolze als Rechtsverteidiger aufs Feld. Der sprintete nach vorne, flankte hoch in den Strafraum, Kapitän Marco Grüttner setzte sich gegen die zuvor im Angriff noch so kopfballstarken Verteidiger Gustav Valsvik und Baffo durch und köpfelte den Ausgleich (47.).

Und auch im Anschluss sah Torhüter Jasmin Fejzic die Jahn-Angreifer nur so auf sich zustürmen. Nach einer starken Kombination setzte Stolze seinen Abschluss an den Pfosten (49.), schoss später übers Tor (52.), und Sargis Adamyan köpfelte an die Latte (58.). Dann sah Braunschweig zum zweiten Mal Rot, diesmal nach einer Tätlichkeit: Der für die Defensive als Verstärkung eingewechselte Maximilian Sauer hakelte nach einem Zweikampf mit seinem Knie gegen Alexander Nandzik nach. Regensburg wurde noch stärker, die Eintracht postierte sich mit allen Mann um den Strafraum: Jonas Nietfeld köpfelte Millimeter am Tor vorbei (65.) und Fejzic fischte einen Kopfball vom Regensburger Top-Torschützen Jann George gerade noch weg (69.). Und dann traf Nietfeld: wieder nach einer Flanke von rechts. Der 1,77 Meter kleine George köpfelte zum freistehenden Kollegen Nietfeld, und der drückte die Kugel mit seinem linken Fuß ins Netz.

Gegner umnieten: drittes Rot

Die Braunschweiger Fans hatten nun erst einmal genug. Sie waren ruhig, bis Mirko Boland nach einem Frustfoul an der Eckfahne die gelb-rote Karte sah: Er trat Lais geradewegs um (90.). Dann sangen die Braunschweiger: "Einer geht noch, einer geht noch raus." Humor haben sie offenbar.

Dreimal Rot: Die Braunschweiger Salim Khelifi, Maximilian Sauer und Mirko Boland wurden alle des Feldes verwiesen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Nur beim nächsten Anlauf in die Bundesliga holpert es. Viermal spielte die Eintracht in dieser Saison schon 1:1, bevor sie am Mittwoch Fürth 3:0 besiegte. Doch die erhoffte Wende war der Sieg nicht. Stattdessen steht die erste Saisonniederlage in Regensburg zu Buche. Zudem fehlt den Braunschweigern in der kommenden Woche im Derby gegen den FC St. Pauli das Trio der vom Platz gestellten Kicker.

Mit der Situation seines Teams wollte sich Lieberknecht aber nicht allzu lange beschäftigen. Viel wichtiger war ihm etwas anderes in der Pressekonferenz: Nach dem Spiel stürzte ein Braunschweiger Anhänger offenbar ohne Fremdeinwirkung vom Zaun, er verletzte sich schwer und wurde ins Krankenhaus gebracht. "Wir wünschen unserem Fan, dass es glimpflich ausgeht", sagte er. Das bleibt zu hoffen.

© SZ vom 24.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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