Dritte Fußball-Liga:Langstreckenlauf mit Hindernissen

Lesezeit: 3 min

Die tiefe Krise der Würzburger Kickers geht offenkundig auf die Psyche zurück.

Von Sebastian Leisgang

Es ist nicht überliefert, ob Michael Schiele der Kaffee am Sonntagmorgen geschmeckt hat. Der Trainer des Fußball-Drittligisten Würzburger Kickers, zumindest so viel weiß man, ist grundsätzlich ein Kaffeeliebhaber - doch in diesen Tagen ist wenig so, wie es sonst ist.

Fußball kann die schönste Nebensache der Welt sein, niemals aber die schrecklichste. Wenn Fußball zäh und bedrückend daherkommt, wenn er seine Beobachter anstrengt, wenn er also schrecklich ist, dann neigt der Mensch dazu, ihn für eine Hauptsache zu halten. In Würzburg etwa, dieses Eindrucks kann man sich kaum noch erwehren, sind jetzt jene Tage angebrochen, an denen Fußball so viel mehr zu sein scheint als bloß ein Spiel, Tage, an denen der Fußball einem vielleicht sogar die Lust auf Kaffee austreibt. Um zu begreifen, wie es nur so weit kommen konnte, muss man sich nur die Pressekonferenz des vergangenen Samstags zu Gemüte führen. Schiele, 41, saß im kleinen Pressesaal des Würzburger Stadions und starrte in die Runde, apathisch, ohne jede Regung im Gesicht. Seine Mannschaft hatte soeben 0:2 gegen den FSV Zwickau verloren, und wenn es überhaupt noch eines Beleges bedurft hatte, so stand nun fest: Ja, die Kickers stecken in einer Krise, und die Krise, sie ist tief und rätselhaft.

Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass Würzburg 1899 Hoffenheim phasenweise vorgeführt und erst im Elfmeterschießen 4:5 verloren hat. Und auch wenn es kaum möglich ist, dieselbe Emotionalität und Dynamik in alltäglichen 90 Minuten gegen einen Gegner wie Zwickau zu entwickeln, so drängt sich nun doch die Frage auf: Hätte das DFB-Pokalspiel gegen den Bundesligisten nicht ein Signal sein können? Hätte der mitreißende Auftritt die Mannschaft nicht durch die nächsten Wochen tragen müssen, zumal sie sieben Tage später auch noch 3:2 gegen Preußen Münster gewann?

Man könnte jetzt sagen: Gut, Würzburg hat eben einen Umbruch hinter sich. Das braucht halt Zeit, der Abschied zahlreicher Leistungsträger hat die Mannschaft einfach zu sehr mitgenommen - doch das trifft es nicht. Dass der defensive Mittelfeldspieler Janik Bachmann zum 1. FC Kaiserslautern gegangen ist, mag die Kickers zwar tatsächlich hart getroffen haben; dass diese Mannschaft aber über für die dritte Liga überdurchschnittliches Potenzial verfügt, hat sie längst zu erkennen gegeben. Wer sieht, wie Luke Hemmerich und Fabio Kaufmann auf der rechten Außenbahn harmonieren, wer sieht, welch fußballerisches Vermögen Daniel Hägele und Patrick Sontheimer mitbringen, wer sieht, welche physische Präsenz Luca Pfeiffer im Angriff aufweist, wer all das sieht, der kann nicht die Tauglichkeit der Spieler in Frage stellen. Dass die Würzburger nach sieben Partien gerade einmal sechs Punkte gesammelt haben und auf einem Abstiegsplatz stehen, muss demnach auf ihre Psyche zurückzuführen sein. Und weil die Krise einer Mannschaft immer auch die Krise ihres Trainers ist, ist jetzt auch Schiele gefordert.

Vor ein paar Wochen haben die Verantwortlichen verkündet, in den nächsten sechs Jahren in die zweite Bundesliga zurückkehren zu wollen. Der Verein begreift die Zusammenarbeit mit Schiele also als einen sehr langen Langstreckenlauf, als Projekt, das sich nicht ausschließlich über den derzeitigen Erfolg definiert. Dennoch muss Schiele nun eine Lösung finden.

In seiner knapp zweijährigen Amtszeit hat Würzburgs Trainer schon so manche Krise gemeistert, und das ist ihm auch dieses Mal zuzutrauen. Schiele dürfte eine Idee haben, wie seine Mannschaft auf die rechte Bahn zu führen ist. Vielleicht entzieht er Eric Verstappen das Vertrauen und tauscht den Torwart aus, vielleicht degradiert er einen Stammspieler.

Vielleicht macht er aber auch weder das eine noch das andere und setzt einfach auf Simon Rhein, 21, den defensiven Mittelfeldspieler, den die Kickers am Montag bis zum Saisonende auf Leihbasis vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg verpflichtet haben. Dort sammelte Rhein ein paar Bundesliga-Einsätze, kam unter dem neuen Trainer Damir Canadi jedoch nicht mehr zum Zug.

Schiele, davon ist auszugehen, hat einen Plan - doch die Zeit drängt. Schon an diesem Dienstag (17.30 Uhr) treffen die Kickers im Landespokal auf den zuletzt so erfolgreichen Regionalligisten TSV Aubstadt. Es geht um einen Platz im Viertelfinale, also um alles. Fußball ist ja so viel mehr als bloß ein Spiel.

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: