DOSB-Präsident:Der lange Weg zu den 95 Prozent

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DOSB-Boss Alfons Hörmann und der Ethikchef Thomas de Maizière, damals noch als Bundesinnenminister, bei einer Pressekonferenz zur Leistungssportreform. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Wie Alfons Hörmann eine eigene Umfrage zu einer Zustimmung der deutschen Athleten zur Reform des Leistungssports umdeuten wollte.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Frage sieben ist besonders schwierig. "Welchen Charakter sollte Deiner Meinung nach ein Deutsches Haus haben?", heißt es dort, und zu den Antwortmöglichkeiten zählen etwa: a) Ort, um Medaillen zu feiern, b) Lounge zum Essen und Trinken, c) Ort zur Generierung von Content, und dazu noch ein paar andere Optionen mehr. Diese Worte sind Teil einer Umfrage, die kürzlich die DSM als Marketing-Tochter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) unter den deutschen Startern von Sotschi und Rio de Janeiro gestartet hat. Es geht da nicht um die große Sportpolitik, eher ums Binnenklima einer Olympia-Mannschaft; um die Qualität des DJ im Deutschen Haus, um die Leistung des Mannschaftsbüros oder um die Frage, welchen Charakter eigentlich die Willkommensfeier haben sollte, solche Sachen.

Aber nun gewinnt diese Umfrage plötzlich enorm an Bedeutung und Aufmerksamkeit. Denn nur mit ihr ist ein bemerkenswerter Auftritt von DOSB-Boss Alfons Hörmann zu verstehen. Vergangenen Donnerstag saß dieser neben dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin, um das Konzept für die Leistungssportreform vorzustellen. Er sprach über die Eckpunkte dieser Reform, und dort baute er auch eine Passage ein, die seitdem für viel öffentliches Kopfschütteln und ebenso viel Unmut bei den Athleten sorgt. Und die Hörmann vor der Mitgliederversammlung seines DOSB in Magdeburg, bei der zu seinem in der Sportfamilie umstrittenen Vorzeige-Projekt durchaus kontroverse Debatten möglich sind, mal wieder in schrägem Licht dastehen lässt.

Der DOSB-Chef trug nämlich zwischen seinen Anmerkungen zur Reform vor, dass der Verband rund 500 Athleten einbezogen und etwa ein Fünftel davon sehr umfangreich zu Zielstellungen, Motiven, Sorgen und Bedenken befragt habe. Und er ergänzte, dass ein frisch vorliegendes "Manifest" des Olympia-Teams eine "Zustimmung von über 95 Prozent" signalisiere. Zusammengefasst klang das so, als hätten 95 Prozent von 500 Athleten gesagt: Ja, wir finden die kritisierte Reform gut.

Aber dem ist nicht so. In Wirklichkeit ist der Vorgang viel komplizierter.

Inzwischen hält der DOSB fest, dass die besagte Befragung nicht Teil der Leistungssportreform gewesen, sondern "parallel im Zuge eines üblichen Markenprozesses" abgelaufen sei. Dafür seien zunächst "Interviews mit Athleten, Verbandsvertretern und vielen Sportinteressierten in Deutschland" geführt worden. Konkrete Nachfragen zu diesem Punkt beantwortet der DOSB nicht, etwa wie viele Athleten genau in diese Interviews involviert waren.

Danach wurden gemäß DOSB die Antworten aus den Interviews "als Haltung für die weitere Ausgestaltung formuliert" und den Teilnehmern von Sotschi und Rio zugeschickt. Das bedeutet konkret, dass die Athleten an einer Online-Umfrage teilnehmen konnten, bei der es vor allem um die Qualität des DJ im Deutschen Haus und Ähnliches ging - und die tatsächlich einen übergeordneten Aspekt umfasste. Frage eins bestand aus einem länglichen Text, der von den schönen Seiten des Sports schwärmt und in der es auch um eine Position gegen Doping und unsportliches Verhalten geht. Und am Ende hieß es: "Wie stark identifizierst Du Dich persönlich mit Dieser Haltung?" Möglich waren fünf Antworten, von "gar nicht" bis "sehr stark".

Noch laufe die Umfrage, aber bisher hätten sich 95 Prozent der abstimmenden Athleten mit dieser Einstellung identifiziert, sagte der DOSB am Freitag. Hörmann sprach von etwas mehr als 100 Rückmeldungen. Ob das alles Athleten waren, ist streng genommen nicht mal klar; denn im Internet konnte bis Montagnachmittag jeder mitmachen, der den Link kannte, auch jeder Nicht-Olympia-Teilnehmer. Nachdem die SZ den DOSB damit konfrontierte, erscheint unter dem Link nur noch ein Hinweis, die Umfrage sei abgelaufen.

Jedenfalls war dies offenkundig für Hörmann Grundlage genug, eine 95-prozentige Zustimmung der Athleten zur Reform zu suggerieren. Die Sportler irritierte das. Fechter Max Hartung etwa, Mitglied der DOSB-Athletenkommission, sagte dem sid: "Das ist mindestens verwunderlich. Wie es dazu kommen konnte, dass er die Sache in einen Kontext mit der Spitzensportreform stellt, ist mir völlig unverständlich." Und auch aus der Politik kam Kritik. "Es wird mit Methoden gearbeitet, die ich persönlich ablehne", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag: "Wer so agiert, disqualifiziert sich selbst."

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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