Doppelmoral bei den US Open:Cornet wird verwarnt

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Männer zeigen Brusthaar und Bäuche, ohne Beanstandung. Die Französin Cornet aber wechselt ihr Trikot, wobei kurz ihr Sport-BH zu sehen ist - und wird verwarnt.

von Jürgen Schmieder, New York

Es tritt bei den US Open immer wieder ein Zuschauer während der Abendpartien in Erscheinung, der trägt 15 T-Shirts übereinander. Während der Pause nach dem Ende eines Durchgangs reißt er sich diese Hemdchen vom Leib und fordert die anderen Zuschauer auf, ihn dabei anzufeuern und mal ordentlich auszurasten. Am Ende hat er nur noch ein weißes Shirt an, auf dem das inoffizielle Logo von New York aufgedruckt ist, diese Liebeserklärung an die Stadt mit dem roten Herzen zwischen den Buchstaben "I" und "NY", und wenn die Leute ganz besonders ausflippen, dann zieht er das auch noch aus und präsentiert seinen Prachtbauch.

Am Dienstagabend führte der junge Mann wieder seinen Tanz auf, unten amüsierte sich darüber auch Roger Federer. Er hatte selbst sein verschwitztes Shirt ausgezogen, es war sehr heiß in New York, minutenlang zeigte er der Welt seine dichte Brustbehaarung. Beinahe gleichzeitig marschierte dann der Moldawier Radu Albot nach einer Toilettenpause mit nacktem Oberkörper zurück ins Louis Armstrong Stadion und verzückte die johlenden Zuschauer mit seinen beeindruckenden Bauchmuskeln. Aktuelle Bilder von Rafael Nadals gestähltem Oberkörper sind beinahe täglich zu bestaunen, er wechselt sowohl beim Training als auch während der Partien häufiger das Leibchen.

Das führt zu Alizé Cornet, die sich auf Court 13 eine packende Partie mit Johanna Larsson lieferte, wegen der Hitze gab es nach dem zweiten Durchgang eine zehnminütige Pause. Cornet kehrte pünktlich in frischen Klamotten zurück auf den Platz, und sie bemerkte erst kurz vor Wiederbeginn, dass sie das T-Shirt verkehrt herum übergeworfen hatte. Sie zog es aus und wieder an, und für neun Sekunden war der schwarz-rote Sport-BH der Französin zu sehen. Der Referee sprach sogleich eine Verwarnung aus, obwohl das Reglement des Frauen-Weltverbands WTA das gar nicht verlangt.

Es geht bisweilen ordentlich sexistisch zu bei den US Open, sei es bei der vergleichenden Beurteilung der Leistungen beider Geschlechter durch (meist ältere, männliche) Zuschauer, aber auch bei dem, was die Leute so zu sehen bekommen. Frauen dürfen also auf dem Platz keinesfalls das Hemd tauschen, müssen beim Seitenwechsel aber oft Vorsichtsmaßnahmen durchführen, damit ihnen nicht zwischen die Beine gefilmt wird. Bei der Erstrunden-Partie von Maria Scharapowa stellte der Kameramann während einer Spielpause erstaunliche Verrenkungen an, und es wirkte, als verfolge er das Ziel, dass auch ja alle sehen können, was die Russin unter ihrem knappen Kleidchen trägt.

Wie heuchlerisch und sexistisch das alles ist, war einen Tag zuvor zu bestaunen. Simona Halep verließ während der Partie gegen Kaia Kanepi den Platz, um ihr Kleidchen den Regeln entsprechend in den Katakomben zu wechseln. Was sie nicht bemerkte: Ein Kameramann eilte hinterher, weshalb nicht nur die Leute im Stadion sehen konnten, was Halep darunter trägt, sondern Millionen vor dem Fernseher. Kein Verantwortlicher wurde dafür verwarnt. Immerhin: Am Mittwoch haben sich die US Open bei Cornet entschuldigt und angekündigt, dass künftig auch Spielerinnen ihr Hemd auf dem Platz wechseln dürfen. Geht doch.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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