Dopingfall um Jan Ullrich:Nun steigt die Politik ein

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Die Zeit, da eine von Funktionären ersonnene Sportgerichtsbarkeit rechtsfreie Räume besetzt, ist vorbei. Nun muss der Sport auch staatliche Rechtsordnung beherzigen, wenn es um Dopingfälle geht.

Thomas Kistner

Dass Ullrichs Fall im Bundestag aufgearbeitet werden soll, setzt das richtige Signal. Von den Funktionären im Deutschen Olympischen Sportbund ist ja nach aller Branchenrealität nichts für die Wahrheitsfindung zu erwarten, wie auch: In Zeiten, da ein Antidopinggesetz näher rückt, ist das System voll damit beschäftigt, sich selbst zu schützen.

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Jan Ullrich ist einer der populärsten Sportler des Landes, mit seinem Sieg bei der Tour de France 1997 steigt er zur Radsport-Ikone auf und löst eine Begeisterungs-Hysterie aus. Dann fährt allerdings Lance Armstrong stets schneller und bald schon beginnt seine lange, zähe Doping-Geschichte.

Die Karriere in Bildern

Zumal in einem Verband, dem der Chef der weltweit gültigen Sportjustiz vorsteht, Thomas Bach. Ihm passt die Causa Ullrich gewiss nicht in den Kram, die fromme Betrugsbekämpfung des Sports steht ja auch so schon auf tönernen Beinen: In der Vorwoche hob erstmals das Schweizer Bundesgericht ein Urteil des in Lausanne ansässigen Weltsportgerichtshofs Cas auf.

Geklagt hatte Tennisprofi Guillermo Canas, der sich zu Unrecht als Doper gesperrt sah, und ohne den Fall hier zu vertiefen, ist festzuhalten, dass er die Wende markiert: vorbei die Zeit, da eine von Funktionären ersonnene Sportgerichtsbarkeit rechtsfreie Räume besetzt. Nun muss der Sport auch staatliche Rechtsordnung beherzigen, wenn es um Dopingfälle geht.

In der Kritik ist die Beweislastumkehr, das Sonderrecht, mit dem der Sport Betrug bekämpft: Nur wer positiv getestet wird, bekommt Probleme, allen anderen Betrüger kann man nicht beikommen, weil sich der Sport staatliche Einmischung verbittet. Deshalb trifft es in der Regel lediglich Athleten, die sich mit Grippesprays oder Beipackzetteln vertun, oder die dumm genug sind, statt (siehe Akte Ullrich:) Epo, Eigenblut, Insulin, Wachstumshormone und bestimmte Anabolika eines der harmloseren Mittel zu nehmen, die nachgewiesen werden können. Fachdopern kommt der Sport so nicht bei, weshalb sich jede umfassendere Affäre den Ermittlungen von Polizei, Zoll- und Steuerfahndern verdankt. Wie der Fall Jan Ullrich.

Nun steckt eine große Chance in einem Ausschuss, der Namensstifter Ullrich zwar eher nicht sehen wird, dafür aber interessante Leute aus dessen Umfeld. Etwa die Freiburger Ärzte, die sich in einer Doperbranche der Extraklasse so unglaubwürdig verhalten wie Erwachsene, die stur behaupten, immer noch an den Osterhasen zu glauben.

© SZ vom 5.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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