Dopingfälle vor Olympia:Ende des Märchens

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Viele Sportarten verbreiten den Irrglauben, Doping bringe bei ihnen nichts. Der Fall von Fechtfavorit Baldini verrät das Gegenteil.

Volker Kreisl

Je mehr es die klassischen Ausdauerdisziplinen schafften, zu klassischen Dopingdisziplinen zu verkommen, desto mehr, so schien es, profitierte das Prestige der anderen. Sparten, in denen es um mehr geht, als um eher einförmige Bewegungen, fielen weniger durch Dopingfälle auf, was immer noch mit Standardausreden - teils scheinbar wissenschaftlich belegt - erklärt wird: Bei uns bringt das doch nichts.

Positiv getestet: Andrea Baldini, italienischer Goldfavorit im Florettfechten. (Foto: Foto: dpa)

Im Biathlon zweifeln Mediziner des Weltverbands den Wert von Blut-Doping an, weil der Rhythmus von Höchstbelastung und relativer Ruhe beim Schießen durcheinandergeriete. Da flögen die Kugeln sonstwohin. Auch im Fechten ist der Begriff der Komplexität beliebt. Man könne sich durch Doping immer nur entweder aufputschen oder beruhigen. Der Fechter müsse aber im Wettkampf beides auf einmal. Ähnlich argumentieren die Kunstturner: Wer Kraft über seine Natur hinaus aufbaue, vermassle das Spiel mit den Vektoren und Winkeln. Da flögen die Artisten sonstwohin.

Im Februar wurde die Biathletin Kaisa Varis wegen Epo-Dopings lebenslang gesperrt. Abgesehen vom Dopingskandal der österreichischen Biathleten, abgesehen davon, dass die Wiener Behörden weiter handfesten Hinweisen auf ein Blutdopingzentrum mit internationaler Kundschaft auch aus dem Biathlon nachgehen, offenbarte der Fall Varis: Doping im Biathlon bringt was. Die Finnin hatte ihr Blut beschleunigt und trotzdem die Scheiben getroffen, sie gewann den Weltcup in Ruhpolding.

Turner, Biathleten, Fechter, Pferdesportler, Golfer, Tennisspieler, Synchronspringer und viele andere müssen anders dopen; besser planen; das Techniktraining exakter auf die genommenen Substanzen abstimmen. Sollte die B-Probe des Florettfechters Andrea Baldini den Furosemidbefund von Kiew bestätigen, dann wäre ein großer Schritt zur Auflösung des Märchens vom sinnlosen Doping getan: Baldini wurde in Kiew Mannschaftseuropameister.

Der Fall des Goldfavoriten so kurz vor den Spielen hätte sein Gutes, er strahlt ab, ist spektakulär genug, um Zweifel an der Unschuld aller Disziplinen zu wecken, bei denen, wenn auch bescheiden, Geld verdient wird. Eine Sauberkeit, die nichts mit dem Fehlschlagen von Doping zu tun hat, sondern mit dem nächsten Irrglauben in den Verbänden: Ein dichtes Kontrollnetz, ein teures, ambitioniertes Anti-Dopingprogramm sei eh überflüssig.

© SZ vom 02.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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