Doping-Razzia:Schlimmer als 1998

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Es könnte der größte Dopingskandal seit dem Drama um das Festina-Team bei der Tour de France vor acht Jahren werden.

Javier Cáceres

"Ihr scherzt", sagte Lance Armstrong zu Journalisten, als er in New York vom bislang größten Coup gegen das organisierte Doping in Spanien erfuhr, "das kann nicht sein." Unter dem Codewort Operación Puerto (Operation Bergpass) hatte eine Sondereinheit der spanischen Polizei am Dienstagnachmittag in Madrid und in Saragossa zugeschlagen und ein Speziallabor ausgehoben, das Profisportler mit präparierten Blutkonserven versorgte, vor allem Radrennfahrer. Fünf Männer wurden vorläufig festgenommen, unter ihnen der Gynäkologe und berüchtigte Sportarzt Eufemiano Fuentes sowie der sportliche Leiter der Mannschaft Liberty Seguros, Manuel Manolo Saiz, eines der Schwergewichte des Radsports. "Eufemiano? Manolo?", fragte Armstrong ungläubig, der mittlerweile zurückgetretene siebenmalige Tour-de-France-Sieger. Und er wog sodann die Dimension des Skandals ab - mit der gleichen Kennerschaft, mit der ein Sommelier einen Bordeaux degoutiert: "Dies wird schlimmer als Festina."

Auch Ivan Basso könnte betroffen sein. (Foto: Foto: dpa)

"Festina" steht für die Tour de France 1998, großangelegte Razzien und umfassende Geständnisse von Radprofis, kurz: für den bislang größten Dopingskandal im Radsport. Operación Puerto dürfte tatsächlich darüber hinaus weisen. Die erste Konsequenz war, dass die Versicherung Liberty Seguro sich am Donnerstag mit sofortiger Wirkung als Sponsor des Teams von Saiz zurückzog. Davon betroffen sind unter anderen die Fahrer Jens Jaksche (Ansbach) und Tour-Favorit Alexander Winokurow.

Der Dopingring um Fuentes und den ebenfalls festgenommenen Hämatologen José Luis Merino Batres war schon seit längerem im Fadenkreuz der spanischen Ermittler. Seit sich die dortige Regierung in Sachen Doping einer Null-Toleranz-Politik verschrieben hat und mit dem Ruf des Königreichs als Dopingparadies aufräumen will, spüren sie den Drogen im Sport eifrig nach. Am Dienstag schlugen sie zu, als sie im Café eines Madrider Hotels eine Übergabe beobachteten: Saiz hatte von Fuentes eine Kühltasche erhalten. Wie sich herausstellte, enthielt sie Sinactene, Kortison. Bei Saiz wurden zudem 60000 Euro in bar sichergestellt. Daraufhin wurden fünf Hausdurchsuchungen angeordnet - unter anderem in einem Labor von Merino Batres, das in unmittelbarer Nähe des Cafés liegt. In der Szene gilt es als Zentrum, in dem Fuentes das Blut von Radlern manipulieren lässt. Von Merino Batres ist bekannt, dass er sich zumindest zeitweilig in Madrid einen Geschäftsraum mit Miguel Angel Peraíta teilte. Dessen Name spielte unlängst im Magdeburger Doping-Prozess gegen den Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein eine Rolle. Unter dem Decknamen "Top Doc" soll Peraíta mit Springstein per Mail über Dopingmethoden gefachsimpelt haben.

Die Liste der am Dienstag beschlagnahmten Substanzen und Apparaturen hat es in sich: Trainingspläne, Dopingunterlagen, Anabolika, Steroide, Epo, Wachstumshormone chinesischer Herstellung, Medikamente aus Deutschland. Und als besonderer Leckerbissen: eine Gefrierkiste mit mehr als einhundert Beuteln mit gefrorenem Blut à 450 Milliliter, blutverschmierte Kanülen sowie hundert weitere Beutel mit nicht gefrorenem Plasma. Die Beutel waren säuberlich codiert. Ob die spanischen Ermittler die Klarnamen bereits zuordnen konnten, war am Donnerstag noch nicht bekannt, dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein. Laut der Tageszeitung El País haben die Ermittler Karteikarten und Listen mit Namen von 200 Radprofis aus dem In- und Ausland gefunden, die zu den Kunden von Fuentes gezählt haben sollen. Fast alle bekannten Radler seien auf der Liste, zitiert El País einen Ermittler. Zudem seien Sportler aus anderen Disziplinen beim Betreten der Klinik in Madrids Zentrum gefilmt worden.

Weil einige Konserven mit dem angereicherten Blut bereits gebrauchsfertig waren, wird spekuliert, dass sie für Spitzenfahrer des derzeit laufenden Giro d'Italia bestimmt waren. Fuentes, soll eng mit dem italienischen Trainer Luigi Cecchini zusammengearbeitet haben, der seit einigen Jahren auch mit dem deutschen T-Mobile-Profi Jan Ullrich kooperiert. Beim T-Mobile-Team lösten die Enthüllungen in Spanien nervöse Recherchen aus. Team-Sprecher Stefan Wagner erklärte, bei der medizinischen Abteilung der Uniklinik Freiburg, die die T-Mobile-Profis betreut, sei nichts über eine Zusammenarbeit von Ullrich mit Fuentes bekannt. "Das höre ich zum ersten Mal, da ist nichts dran", versicherte Mannschaftsarzt Lothar Heinrich. Ivan Basso, Führender beim Giro und auch von Luigi Cecchini betreut, dementierte ebenfalls, den Arzt Fuentes konsultiert zu haben.

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