Doping im Radsport:Transfusionen im Hochgebirge

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Spaniens Doping-Ärzte sorgten für eine Rundumbetreuung ihrer Klienten - auch im eigenen Trainingszentrum. Dabei wurden schwere schädliche Mittel verabreicht.

Peter Burghardt

Zu Wochenbeginn trat der mutigste Kronzeuge auf, da wurde Spaniens Dopingskandal gleich noch finsterer. Auf Einladung des Sportblattes As äußerte sich Jesus Manzano bei einem Madrider Podiumsgespräch zu den Festnahmen des Radmanagers Manuel Saiz, der Ärzte Eufemiano Fuentes und Jose Luis Merino Batres sowie zweier weiterer Verdächtiger, die eine mehrfach vorbestrafte Szene noch tiefer in den Abgrund reißen.

Erstmal umsehen: Oscar Sevilla wurde gefilmt, als er die Praxis von Fuentes betrat. (Foto: Foto: AP)

Zwei Jahre lang war Manzano wie ein Nestbeschmutzer behandelt worden, nachdem er ebenfalls bei As über die Praktiken bei seinem ehemaligen Rennstall Kelme ausgepackt hatte. Weder Verband noch Justiz folgten seinen Vorwürfen, wonach die Profis bei Kelme systematisch mit Epo, Kortison, Wachstumshormonen, dem Plasma junger Kühen oder schlicht mit Koffein vollgepumpt worden seien. "Man hat mir gesagt, ich sei verrückt", berichtete Manzano. Und nun? "Die Zeit hat mir recht gegeben."

Dank einer neuen Sportpolitik der sozialistischen Regierung haben unterdessen auch die Behörden verstanden, was in den Labors und Giftküchen vorgeht. Seit Tagen beschäftigt das Thema seriöse spanische Medien, wobei die Erkenntnisse mindestens für ein Opfer zu spät kamen. So erinnert Jesus Manzano an seinen Landsmann Jose Maria Jimenez, Kletterspezialist der früheren Mannschaft Banesto, der 2003 einem Herzstillstand erlag, im Alter von 32 Jahren.

Betrüger werden langsam bekannt

"Ein Freund von mir ist schon gestorben, die Behandlung hat ihn 36000 Euro gekostet." Mit "Behandlung" meinte er die Verabreichung schwer schädlicher Mittel durch Fuentes, Manzano hatte dafür in seinem eigenen Fall 3000 Euro gezahlt, bis er sich 2004 entsetzt abwandte. "Brieftaube" nannte sich die Betreuung in der Sprache dieses Geheimbundes. Jetzt ist Manzano froh, dass endlich auch die Staatsanwaltschaft aktiv wird.

Zumindest tröpfchenweise werden die Betrüger bekannt. "Ich will niemanden begraben", sagte Manzano, "aber wenn die Liste mit den Namen heraus kommt, werdet ihr staunen. Ich glaube, dass viele Radfahrer nicht mehr ruhig schlafen, weil der Doktor Fuentes das halbe Peloton betreut hat." Gerade wurde öffentlich, dass Oscar Sevilla, Mitglied im Team T-Mobile, auf den geheimen Filmaufnahmen der Polizei vor der Praxis von Fuentes und Merino Batres in der Straße Zurbano Nummer 92 im Norden Madrids zu sehen sei - dabei hatte er seinem Arbeitgeber versichert, dort seit seinem Wechsel vom Team Kelme 2005 nicht mehr gewesen zu sein. Ihm droht nun die fristlose Kündigung, obendrein gab Oscar Sevilla nach Angaben der Zeitung El Pais zu, dass ihm der ebenfalls verhaftete Ignacio Labarta die Trainingspläne gestalte.

Codewörter für Doping

Aufgeflogen war Sevilla nach Informationen des affärenerprobten Männermagazins Interviu, laut dessen Quellen auch Jose Enrique Gutierrez von der Equipe Phonak in den entlarvenden Bändern vorkommt. Am Sonntag hatte Gutierrez noch stolz erklärt, dass nun ganz Italien seinen Spitznamen "El Bufalo" kenne, der Büffel.

Den Giro d'Italia beendet er hinter Ivan Basso auf Platz zwei. In einem mitgeschnittenen Telefongespräch entdeckten die Fahnder folgenden Satz: "Man muss dem Büffel Essen nach Italien bringen." Für die Ermittler bedeutet das nichts anderes, als dass man ihm einen Beutel Blut liefern müsse.

Die Operation Gebirgspass

Genannt wurde außerdem Phonaks Kolumbianer Santiago Botero, der bei T-Mobile angestellt war. Während seiner Zeit bei Kelme soll ihm Eufemiano Fuentes ein Gutachten über eine ungewöhnliche Testosteron-Produktion erstellt haben, um ihn vor einer Doping-Sperre zu befreien. Fuentes muss von all seinen Patienten ziemlich reich geworden sein, dabei stammt er ohnehin aus einer wohlhabenden Familie.

Auch ahnen nun sogar die naivsten Sportfreunde, wieso so prominente Berufsfahrer wie Richard Virenque und andere so gerne in den Bergen im Nordwesten Madrids trainiert haben. Dort, bei Collado Villalba, liegt ein anderes Labor von Merino Batres, des ehemaligen Chefs des Madrider Blutspendeninstituts, der seinen bekannten Klienten literweise Blut abgezapft und wieder gespritzt haben soll. Die Razzia der Guardia Civil trug den Namen Operacion Puerto, Operation Gebirgspass.

Durchbrochen wurde die Mauer des Schweigens aber keineswegs. "Es wäre möglich, wenn sich alle Radler zusammen tun würden, um Basta zu sagen", sagte Manzano, doch das glaubt er selbst nicht. "Dahinter stecken viel Geld und Leute mit viel Macht."

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