Doping im Radsport:"Die Geschichte ist nicht zu Ende"

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Spaniens Justiz stellt Ermittlungen gegen Dopingarzt Fuentes ein. Derweil rückt der Sportprozess gegen Jan Ullrich immer näher.

Javier Cáceres und Andreas Burkert

Der spanische Ermittlungsrichter Antonio Serrano will die Aktendeckel zu den aufsehenerregenden Dopingermittlungen der spanischen Polizei zuklappen. An diesem Montag wird der Richter in Madrid einen Beschluss öffentlich machen, in dem er laut Presseberichten vom Wochenende argumentieren wird, dass zwar Hinweise auf Dopingbetrügereien ,,auf der Hand'' lägen - nicht jedoch der hinreichende Tatverdacht für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Delikten gegen die öffentliche Gesundheit. Sowohl der Staat Spanien als auch die Staatsanwaltschaft wollen allerdings gegen den Beschluss Berufung einlegen. Daher dürfen die Hauptbeschuldigten im Fall des im Mai 2006 von der spanischen Polizei ausgehobenen Dopingrings nur vorerst aufatmen.

Kann noch lachen: Jann Ullrich bei der Verkündung des Karriere-Endes. (Foto: Foto: dpa)

Es handelt sich dabei unter anderem um den Gynäkologen und Sportarzt Eufemiano Fuentes, den Hämatologen José Luis Merino Batres sowie den früheren Radsport-Teamchef Manolo Saiz. Sie waren im Zuge einer Razzia, bei der unter anderem 200 Blutbeutel konfisziert wurden, vorläufig festgenommen worden. Die Radprofis, darunter der frühere deutsche Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich und weitere 50 Fahrer, die als Kunden von Fuentes genannt wurden, werden nicht einmal aus dem Schneider sein, wenn die Berufung abgewiesen wird: So oder so droht ihnen nun wohl doch ein sportrechtliches Verfahren. ,,Kein Fahrer sollte glauben, dass die Geschichte zu Ende ist, das gilt auch für Basso'', sagte jedenfalls UCI-Präsident Pat McQuaid.

Damals noch nicht strafbar

Der italienische Giro-Sieger zählt neben Ullrich zu den prominenten Verdächtigen und hatte trotz der Proteste der Konkurrenz einen Vertrag beim Discovery-Rennstall erhalten. Basso droht übrigens nun auch aus einer anderen Ecke Ungemach: Offenbar hat die Staatsanwaltschaft Bergamo in Madrid einen DNS-Abgleich angefordert. Die Behörde hatte im September in Italien eine große Razzia durchgeführt, nachdem sie in einem Fitnesscenter unerlaubte Substanzen im Wert von 300000 Euro gefunden hatte; auch die Wohnung von Bassos Schwester Elisa war durchsucht worden.

Ullrich wiederum ist in Bonn wegen Betrugsverdachts zu Lasten seines früheren Arbeitgebers angeklagt; die Bonner Staatsanwaltschaft hat in Spanien um die Blutproben gebeten, die dem Rostocker Frühpensionär zugeordnet werden. Diesem Antrag ist bereits stattgegeben worden, nachdem ein Einspruch Ullrichs abgelehnt worden war. Auch gegen die Weitergabe mutmaßlich sehr brisanter Dokumente, die Schweizer Behörden bei einer Hausdurchsuchung in Ullrichs Villa durchführten, hat der 33-Jährige Rechtsmittel einlegen lassen. All diese Vorgänge sind jedoch von der Einstellung des zivilrechtlichen Verfahrens gegen Fuentes nicht betroffen.

T-Mobile-Manager Bob Stapleton sagte zudem am Wochenende, er habe von McQuaid persönlich mitgeteilt bekommen, ,,dass die UCI mit einer schnellen Freigabe der Unterlagen aus Spanien rechnet''. Dies würde vor allem den Schweizer Radsportverband interessieren, der willens ist, Ullrich bei entsprechender Indizienlage auch nachträglich noch lebenslang zu sperren.

Sportrechtlich hat sich die Lage für die UCI entscheidend verbessert. Erst vor wenigen Wochen ist dem Antrag des Radsportweltverbandes stattgegeben worden, dem Prozess als Nebenkläger beizutreten. Damit hat die UCI vollumfassenden Zugriff auf die Ermittlungsergebnisse aus Spanien - und kann diese nun auch verwenden, sobald das Ermittlungsverfahren eingestellt ist. Also nach einer Entscheidung gegen die Berufung durch die Staatsanwaltschaft - vorher nicht. Es ist wahrscheinlich, dass über die Frage, ob die UCI auch das Material verwenden darf, das mit außerordentlichen strafrechtlichen Ermittlungsmethoden gewonnen wurde, ein Rechtsstreit entbrennt. Hierzu zählen insbesondere jene Protokolle der Telefonate sowie SMS-Botschaften, die Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage mit Fuentes in Verbindung gebracht haben.

Die Gründe für die Einstellung in Madrid erscheinen weitgehend unplausibel. In seiner 21-seitigen Schrift verweist Richter Serrano darauf, dass Doping in Spanien zum Zeitpunkt der Ermittlungen nicht strafbar gewesen sei; das galt aber schon im Mai. Weltfremd mutet der Hinweis an, bislang habe sich nicht ein einziger Fahrer gemeldet, um über mögliche Gesundheitsbeschwerden auf Grund der Behandlung von Fuentes zu klagen. Dies hätte notwendigerweise das öffentliche Eingeständnis von Doping-Praktiken bedeutet - und damit eine Sperre durch die Verbände nach sich gezogen.

Was wird aus Basso? Verwunderlich ist darüber hinaus, dass die Einstellung erfolgt, noch ehe die Fahrer gehört wurden, die erst vor wenigen Monaten als Zeugen geladen worden waren - so auch Ullrich. Sie sollten erklären, in welcher Beziehung sie zu Fuentes standen. Serrano begründet dies damit, dass die möglichen Einlassungen nichts an seiner Überzeugung ändern würden, dass kein Delikt gegen die öffentliche Gesundheit vorliege. Serrano indes, dies wird in Madrid offen erzählt, soll nie ein sonderlich großes Interesse an dem Fall gezeigt haben und musste - von der Staatsanwaltschaft - zur Recherche geradezu aufgefordert werden. Auch der Anwalt von Manolo Saiz soll seinen Einfluss geltend gemacht haben: Carlos Bueren, früher einer der obersten Richter Spaniens.

In der Radsportnation Spanien hat die Entscheidung ein geteiltes Echo hervorgerufen. Die Sportzeitung As, die im vergangenen Jahr erstmals offizieller Sponsor der Vuelta wurde, weil sie eine Antidoping-Politik fährt, beklagte, dass viel Zeit vergeudet worden sei - nicht in der Operación Puerto, ,,sondern in all den Jahren voller Skandale, die vergehen mussten, ehe es ein Antidoping-Gesetz gab''. Es habe im Land ,,viel Heuchelei und Komplizentum gegeben''. All das habe dazu beigetragen, dass ,,sich die Eufemianos die Taschen vollstopfen konnten''. Der Radsportexperte der Zeitung Marca hingegen wetterte, die Ermittlungen hätten zwar ein Dopingnetz bloßgelegt, aber auch den spanischen Sport ,,unter Generalverdacht gestellt''.

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