Doping: Bernhard Kohl:"Es ändert sich nichts"

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Kronzeuge Bernhard Kohl steigt desillusioniert aus dem Radsport aus. Öffentlich nennt er zwar keine Namen, das Team Rabobank wird indes schon verhört.

Andreas Burkert

Dass Bernhard Kohl seine Karriere beenden würde, war abzusehen. Denn Kohl ist Radprofi gewesen bis zu seiner Überführung als Doper bei der Tour de France 2008, wo der Österreicher vom damaligen Gerolsteiner-Team zunächst als Gesamtdritter gefeiert worden war. Und Kohl, 27, hat nach der Enttarnung eben nicht geschwiegen, er brach damit das Gesetz des Schweigens, die Omertà, von der bereits der deutsche Kronzeuge Jörg Jaksche im Rahmen seiner beeindruckenden Offenbarungswelle sprach.

"Das System ist nicht anders wie vor einem Jahr, es wird sich nichts ändern." Bernhard Kohl meint seine Leidenschaft, den Radsport. (Foto: Foto: dpa)

Jaksche, 32, blutet das Herz, wenn er zurzeit an den Giro denkt und kann ihn auch im Fernsehen nicht anschauen - weil er ja selbst nirgends mehr einen Vertrag erhält, um seiner Leidenschaft nachgehen zu können: Radrennen. Doch vielleicht hat das auch etwas Gutes, denn Kollege Kohl hat bei der Bekanntgabe seines Rücktritts in Wien auch dies gesagt: "Das System ist nicht anders wie vor einem Jahr, es wird sich nichts ändern." Er meinte seine Leidenschaft. Radsport.

Was Kohl kundtat, wird das Peloton und die übrige Sportwelt, die bei der Wiener Blutbank Humanplasma verkehrte, zunächst nicht weiter aufschrecken. Denn Kohl lieferte wie Jaksche vor allem aufrichtige Einblicke in eine Sportlervita, die auf Lügen aufgebaut war. Nachdem er und die Triathletin Lisa Hütthaler im Winter der Kripo ihr Wissen über die Blutbank und Hintermänner wie den Manager Stefan Matschiner offenbarten, sei der Entschluss zum Ausstieg gereift. Kohl im APA-Interview: "Irgendwann war da die Weggabelung. Dann war mir klar, dass ich mit dem System nicht mehr leben kann. Denn ohne Doping gibt es keine Chancengleichheit im internationalen Spitzenfeld."

Kohl war in Nachtests positiv auf die Epo-Variante Cera getestet worden. Angefangen habe es jedoch bei ihm schon "mit 19 Jahren, (...), so früh fängt das an. Das ist der U-23-Bereich". Später, als Profi, sagt Kohl, " spritzt man sich das, was Medizin ist". Angst vor Kontrollen gab es nicht. "Ich sage mal, 100 (Kontrollen;d.Red.) müssten positiv gewesen sein (...) Ich habe mir in der Früh was gespritzt, eine Stunde später waren die Kontrolleure da - völlig egal. Ich sage nur Wachstumshormon: Wenn es einen Test geben würde, der einen Monat Wachstumshormon nachweist, und es geheim bleibt, bis der Rest da ist, wird es nicht mehr viele Sportler geben."

Auch den vom Weltverband UCI als Innovation gefeierten Blutpass entlarvt Kohl. "Mir hat der (Blutpass) geholfen. Ich habe den eineinhalb Jahre gehabt, und meine Blutwerte waren 1a. Deswegen habe ich auch meinen Supervertrag bekommen bei Silence Lotto. Die haben die Blutwerte gesehen und gesagt: Puh, der macht das gescheit! " Kohl sagt, am Ende habe die Sache 70000 Euro gekostet und er Doping so "professionell betrieben, dass man nicht positiv war". Von Betrug spricht er nur im Zusammenhang mit Freunden, der Familie, dem Publikum. "Die Öffentlichkeit ist getäuscht oder belogen worden. Nur: Gegen meine Mitstreiter war es trotzdem ehrlich." Weil es alle machten.

Kohl ist jetzt gespannt, was aus seinen Aussagen vor der Kripo wird. "Wenn nicht übergreifend (...) etwas gemacht wird, wird Österreich im Endeffekt übrig bleiben." Internationale Ausdauersportler sollen Kunden in Wien gewesen sein, darunter Ruderer und Winterasse. Und hier wird es für die übrigen Sportwelt eben doch interessant. Denn Kohl sagt zwar, er könne aus rechtlichen Gründen keine Namen öffentlich nennen. Aber es liegen seine Aussagen vor, und auch der Drahtzieher Matschiner soll kooperiert haben; an einer von Kohl mitfinanzierten mobile Blutzentrifuge sollen rund 50 Behandlungen anderer Sportler stattgefunden haben. Wien ermittelt jedenfalls, nach SZ-Informationen wurde etwa das holländische Radprofiteam Rabobank schon von Ermittlern einvernommen, darunter wohl der Russe Denis Mentschow. Er führt zurzeit den Giro an.

Eine Stellungnahme von Rabobank war am Montag nicht zu erhalten, und ohnehin ist es unwahrscheinlich, dass die Fahrer in den Vernehmungen Vergehen einräumten. Doch laut des Wiener Kurier sollen in den nächsten Tagen etwa 20 Anzeigen gegen Beschuldigte fertiggestellt sein - späteststens in dieser Verfahren, etwa gegen Matschiner, würden die Rabobank-Profis und womöglich auch deutsche Athleten als Zeugen vorgeladen werden. Sie stünden dann unter Eid.

Bernhard Kohl hat solche Probleme nicht mehr, er sagt: "Ich wollte nicht mehr mit der Lüge leben. Ich bin nicht der Mensch, dass ich mit so was leben kann."

© SZ vom 26.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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