Dirk Nowitzki:Zurück auf Null

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Es zählt nur der Titel, jedoch: Der Weg der Dallas Mavericks zur ersehnten Meisterschaft ist tückischer als es den Anschein hat

Joachim Mölter

Was war, war gut und schön für die Dallas Mavericks, so gut und so schön wie nie zuvor. Mit 67 Siegen bei nur 15 Niederlagen in der Punkterunde der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA haben sie die beste Bilanz ihrer Klubgeschichte erzielt, die beste aller 30 Klubs in dieser Saison und überhaupt eine der besten, die je verzeichnet worden ist.

Dirk Nowitzki: Der Titel muss her. (Foto: Foto: rtr)

Sie haben imposante Serien hingelegt von zwölf, dreizehn und siebzehn Siegen nacheinander, was in dieser Häufung auch nur wenigen Teams gelungen ist. Aber was war, zählt nicht mehr, wenn am Samstag die Playoffs beginnen, in welche Dallas tags darauf gegen die erst im letzten Moment qualifizierten Golden State Warriors eingreift. Für alle 16 Endrunden-Teilnehmer gilt: Die Zahlen werden zurück gestellt auf Null, und Meister wird nur derjenige, der von nun an bis Mitte Juni in vier K.o.-Runden nach dem Modus best of seven 16 Siege zusammen kriegt.

Dass die Mavericks aufgrund ihrer Vorleistungen die Titelfavoriten sind, versucht niemand in Dallas wegzudiskutieren. ,,Ja, wir haben vor, in den Playoffs zu gewinnen. Ja, wir wollen eine Meisterschaft. Ja, ja, ja!'', sagt Avery Johnson, der Cheftrainer: ,,Aber die Punkterunde spielt dafür keine Rolle mehr.'' Alles, was seine Mannschaft von ihren schönen Erfolgen hat, ist ein vermeintlicher Heimvorteil so lange sie im Wettbewerb ist: Als bestes Team der Punkterunde darf sie jede Playoff-Serie inklusive des Finales mit zwei Heimspielen beginnen - und falls sich ein Vergleich über die ganze Länge von sieben Partien hinziehen sollte, auch zu Hause beenden. Was ein Heimvorteil in der NBA wert ist, haben die Mavericks im vorigen Jahr erfahren: nichts. Da gewannen sie in der zweiten Runde das entscheidende siebte Spiel auswärts bei den San Antonio Spurs und verloren später die Finalserie daheim gegen die Miami Heat.

Diese Niederlage schmerzt die Dallas Mavericks bis heute, speziell einen: Dirk Nowitzki, ihren 28 Jahre alten Flügelspieler aus Würzburg. ,,Man weiß in dieser Liga nicht, ob man so eine Chance noch einmal bekommt'', hadert er, und fügt hinzu: ,,Es hat so viele große Spieler gegeben, die nie Meister geworden sind - zu denen will ich nicht gehören.'' Man muss anerkennen, dass der Mannschaftskapitän der Mavericks in den vergangenen Monaten alles getan hat, was in seiner Macht steht, um in diesem Sommer in den Kreis der großen Meister aufgenommen zu werden. In seinem neunten Jahr in der besten Basketball-Liga der Welt spielt Nowitzki besser denn je: Seine Trefferquoten aus dem Feld (50,2 Prozent), aus der Distanz bei Drei-Punkte-Würfen (41,6) und bei Freiwürfen (90,4) sind Spitzenwerte. Dass sein Punkteschnitt von 26,6 auf 24,6 gesunken ist im Vergleich zum Vorjahr, erscheint widersprüchlich, lässt sich aber erklären: Er wirft nicht mehr so viel, passt den Ball stattdessen öfter zu seinen Nebenleuten. 3,4 Assists pro Partie - Pässe, die direkt zu einem Korberfolg führen - sind ebenfalls eine Bestmarke in seiner Karriere.

Was seine individuelle Leistung angeht, ist Dirk Nowitzki inzwischen auf einem Niveau angekommen, auf dem er nur noch wenige Konkurrenten neben sich hat. In der Debatte um die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison, dem most valuable player (MVP), wie es im Basketball-Jargon heißt, wurde außer Nowitzki zuletzt nur noch Steve Nash von den Phoenix Suns genannt, sein einstiger Mitspieler in Dallas und zweimaliger Gewinner der Trophäe. Aus dieser persönlichen Ehre macht sich Nowitzki nichts: ,,Alles, was zählt'', sagt er, ,,ist der Titel mit der Mannschaft.''

Auf dem Papier sind die Aussichten auf Dallas' ersten NBA-Titelgewinn ausgezeichnet, von den zwölf Teams die eine Punkterunde mit 65 Siegen oder mehr beendet haben, sind elf auch Meister geworden. Aber auf dem Parkett wird nicht mit Statistiken und Zahlen gespielt, sondern mit einem Ball und einem Gegner, und das macht den Weg der Mavericks zur ersehnten Meisterschaft tückisch, schon auf der ersten Etappe gegen die Golden State Warriors. So souverän Nowitzki und Co. auch mit allen anderen Teams umgegangen sind - gegen das Team aus Oakland in Kalifornien haben sie alle drei Partien in dieser Saison verloren, zuletzt am Dienstag 82:111, als Avery Johnson jedoch seine Stammfünf bereits für die Playoffs schonte und seinen Ersatzleuten Spielpraxis verschaffte.

,,Das wird sicher ein spaßiger Vergleich'', glaubt Dirk Nowitzki angesichts des schnellen Wiedersehens. Kaum einer kennt die Mavericks ja so gut wie Warriors-Chefcoach Don Nelson, denn der war zuvor acht Jahre für Dallas tätig, wobei ihm Avery Johnson assistierte. Die beiden Trainer kennen sich seit langem, Johnson hat einst sogar noch unter Nelsons Anleitung gespielt - vor 13 Jahren in in Oakland. Angst haben die Mavericks trotz der jüngsten Niederlagen jedenfalls nicht vor den Warriors. ,,Wir glauben an uns und unsere Spielweise'', versichert Routinier Jerry Stackhouse, 32: ,,Wir helfen uns gegenseitig in der Abwehr, und im Angriff lassen wir den Ball laufen, bis einer frei werfen kann.'' Nowitzki warnt jedoch: ,,Wir dürfen uns nur nicht ihr Tempospiel aufzwingen lassen.''

Dirk Nowitzki ist ein notorischer Pessimist, er warnt auch davor, alle anderen voraussichtlichen Gegner auf dem Weg zurück ins NBA-Finale zu unterschätzen. Auch gegen die Utah Jazz, möglicher Zweitrunden-Duellant, und die Phoenix Suns, eventueller Halbfinal-Kontrahent, haben die Mavericks in dieser Saison jeweils schon zweimal verloren und nur einmal gewonnen. Zum Glück werden auch diese negativen Bilanzen auf Null gestellt.

© SZ vom 20.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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