Deutschland bei der Hockey-WM:Verlieren für die Zukunft

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Auch die zweite Medaillen-Chance nicht genutzt: Die Spielerinnen des Deutschen Hockey-Bundes nach der Niederlage um Bronze gegen Australien. (Foto: ANP/Imago)

Die mit vielen jungen Spielerinnen verstärkte deutsche Hockey-Mannschaft hat in der WM-Endrunde zwei schwere Niederlagen erlitten. Aber das könnte die Grundlage für den Erfolg der nächsten Jahre sein.

Von Volker Kreisl, München

Irgendwann, am Abend zuvor, da muss es passiert sein. Schleichend, zunächst noch kaum spürbar, aber unaufhaltsam kehrte sich der Trend dieses Turniers, in dem die deutschen Hockeyspielerinnen eine Woche lang von einem Erfolgserlebnis zum anderen gerannt waren, einfach um.

Es war bereits später Abend in Terrassa in Spanien, dieses Halbfinale gegen Argentinien hatte sich lange hingezogen, von Viertel zu Viertel bis zur Schlusssirene. Die Deutschen hatten geführt, die Argentinierinnen glichen aus, was folgte, war das Übliche, eine kurze Pause und darauf das Penaltyschießen, in dem nicht mehr nur Taktik, Schnelligkeit und eine gute Technik an der Kelle gefragt war, sondern vor allem Nervenstärke. Die fehlte den deutschen Spielerinnen von Bundestrainer Valentin Altenburg im entscheidenden Moment.

Die Aufgaben sind groß: 2023 die WM im eigenen Land und 2024 Olympia in Paris

Zwei Shootout-Versuche hatten nicht den Weg ins Netz gefunden, und erstmals kippte die positive Entwicklung der Deutschen. Für die ging es bei dieser Weltmeisterschaft nicht mehr nach oben weiter, sondern einen Schritt zurück, und auch danach hatten sie kein Glück, verloren auch das Spiel um Bronze. Und obwohl die Tränen des vierten Platzes etwas später schon getrocknet waren, saß die Enttäuschung immer noch tief, Viktoria Huse erklärte stellvertretend für ihre Kolleginnen: "Es ist unfassbar bitter." Klar, dass zu diesem Zeitpunkt noch niemand begriff, dass gerade aus diesem Rückschlag genauso gut auch etwas Großes entstehen könnte.

Leistungssportler leben immer im Moment, vor allem in der Niederlage, die man sich zunächst irgendwie schönredet und sich dann irgendwann eingestehen muss. Und doch, mit etwas Abstand gelang es Hockeyspielerinnen wie Hockeytrainern, die beiden betrüblichen Abende auch positiv einzuordnen, aus einem Drama quasi einen Sachbericht zu machen. So weit gekommen zu sein, zweimal schon in Führung gelegen zu haben, und dann zweimal knapp zu scheitern, das hatte seine Gründe. Und wenn alle daraus lernen, so könnte aus einer talentierten Gruppe sogar ein großartiges Hockey-Team werden, eines für die nächsten wichtigen und schweren Aufgaben. Die Europameisterschaft im eigenen Land steht im kommenden Jahr an, und zwar in Mönchengladbach, sie stellt gleichzeitig die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris 2024 dar.

Die Möglichkeiten der weltbesten Nationen werden wohl so schnell nicht zu erreichen sein. Die Niederländerinnen etwa, seit Jahrzehnten im Frauenhockey die Führenden und auch bei dieser WM Goldgewinnerinnen, profitieren interessanterweise davon, dass sie ein eher kleines Land bewohnen. Die Wege sind kurz, die Nationalteams können sich häufiger zum Training treffen und sich viel mehr technische und taktische Vorteile erarbeiten. Dem Sportinformationsdienst erklärte Sportdirektor Christoph Menke-Salz: "Das können wir nicht." Den Hockeysport populärer zu machen, wäre eine langfristige Aufgabe.

Am Ende sagt der Trainer: "Die Mädels haben ihren Glauben zurückbekommen."

Das momentan größte Interesse bringt auch im Hockey eine erfolgreiche Olympiateilnahme. Dafür braucht es ein reifes Team, weshalb in Terrassa in der deutschen Teamführung eine alte Sport-Weisheit nach der Trauerphase zitiert wurde, die besagt, man müsse erst mal dramatisch verlieren, ehe man verlässlich siegen kann. Menke-Salz sagt: "Ich bin der Überzeugung, dass es diese Niederlagen braucht, um daraus zu lernen." Bei den nächsten Turnieren kann man von dieser Erfahrung profitieren, um in der Crunch-Time die entscheidenden Chancen auch nutzen zu können.

Sieht man es so, dann war der wichtigste Teil dieser WM, nämlich die Finals in Terrassa für die Zukunft der Deutschen ein voller Erfolg. In beiden Spielen konnten sie eine Führung nicht absichern und ließen sich wohl auch vom Rückschlag entmutigen. Und nach dem Ausgleich der Australierinnen, sagt Viktoria Huse, sei man nicht mit dem Pressing der anderen zurechtgekommen, irgendwann habe "die Durchschlagskraft gefehlt". Viele Probleme waren es also, die ihnen nun vor Augen geführt wurden.

Zum Glück gilt die Regel vom langfristigen Erfolg durch Misserfolg nicht auch umgekehrt. Siege und ähnliche Fortschritte schaden eher nicht. Somit kann sich die Mannschaft von Coach Altenburg über einige Etappenschritte freuen, die es bei dieser schlauchenden Weltmeisterschaft in der Hitze durchaus auch gab. Jüngere Talente wie Jette Fleschütz, 19 Jahre alt, Pauline Heinz, 21, oder die mit 18 Jahren Jüngste, Linnea Weidemann, haben sich im Team nachhaltig angeboten, das gesamte Mannschaftsgefühl ist gestärkt, und auch statistisch hat sich dieses Team gesteigert mit dem Halbfinaleinzug bei einer WM. Altenburg fasst durchaus zu Recht zusammen: "Die Mädels haben den Glauben zurückgewonnen, dass sie an der Weltspitze mithalten können. Das ist vielleicht der größte Gewinn des Turniers."

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