Deutsches Springderby:Respekt vor Wall und Grab

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Drei Meter in die Tiefe oder lieber nicht? Das niederländische Pferd Labors Wonderboy verweigert auf dem Großen Wall. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)
  • Zum Jahreshöhepunkt kommen die besten Springreiter nach Hamburg.
  • Die meisten wegen der gut dotierten Champions Tour am Samstag.
  • Immer weniger riskieren den schweren Ritt im Deutschen Derby mit dem Abgang am Wall oder "Pulvermanns Grab".

Von Gabriele Pochhammer, Hamburg

"Auf den ersten Blick kann ich nicht sehen, dass sich was verändert hat", sagt Carsten-Otto Nagel. Der zweimalige Sieger des Deutschen Springderbys schaut sich auf dem Rasen in Hamburg-Kleinflottbek um. Die vollmundig angekündigten Erleichterungen für das 86. Derby am Sonntag sind jedenfalls nicht gleich auszumachen.

Die obere Kante des Großen Walls wurde etwas abgerundet, aber immer noch müssen die Pferde mehr als drei Meter in die Tiefe klettern - schon manchem Ross hat dies den Schneid abgekauft. Die beiden Graswälle rechts und links vom Einritt wurden ebenfalls etwas freundlicher gestaltet. Die übrigen Hindernisse sind im Prinzip unverändert, und das seit 94 Jahren.

Unter den Bahnschranken wollte Winklers Hengst einst lieber durchkriechen

Vorwiegend in schlichten Farben - grau, rotbraun, weiß - sind sie der Holsteiner Landschaft entlehnt, wie sie mal war Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu den Klippen gehört neben den Wällen vor allem "Pulvermanns Grab", eine Kombination aus zwei Steilsprüngen und einem tiefer gelegenen Graben in der Mitte. Hier scheiterte der "Erfinder" des Derbys, der Hamburger Kaufmann Eduard Pulvermann, bei der Premiere im Jahre 1920. Das nach ihm benannte Hindernis schaffte es sogar bis in Günther Jauchs Millionen-Quiz.

Auch andere Hindernisse haben ihre Geschichte, die beiden Eisenbahnschranken etwa, zwei einzelne rote Stangen, die luftig auf 1,50 Meter Höhe hängen. Hier versuchte das Pferd des legendären Hans Günter Winkler einst, unten durchzukriechen, desgleichen der Hengst Lacroix von Dirk Schröder, der in den beiden Folgejahren konsequent schon hundert Meter vor den Schranken die Bremse zog.

Reiter, deren Pferde schon mehrmals in Klein-Flottbek waren, wie Nisse Lüneburg, der Sieger von 2013 und 2014, sind sich sicher: Ihre Tiere wüssten bereits, was auf sie zukommt, wenn sie am Sonntag vor 30 000 Zuschauern in die Arena traben. "Er spürt genau, dass es jetzt drauf ankommt", sagt Lüneburg. Sein mittlerweile 18-jähriger Holsteiner Wallach hat bei der ersten Qualifikation am Donnerstag gezeigt, dass er fit ist für einen dritten Sieg. Wie immer es ausgeht, am Sonntag wird er in den Ruhestand verabschiedet.

Die Linienführung ist gemessen an den trickreichen modernen Kursen über bunte Stangen eher schlicht, dreimal rechts herum, dreimal links herum. 1250 Meter mit 17 Hindernissen - der Dinosaurier des Springsports erfordert mehr Kraft und Kondition als jeder andere Wettbewerb. Und die Stangen fallen heute sehr viel leichter aus den Auflagen. Ein Pferd muss also nicht nur mutig, sondern auch vorsichtig sein. Dabei war der Kurs schon immer schwer. Nur 150 Ritte blieben über die Jahrzehnte fehlerlos, der erste gelang erst 15 Jahre nach der Premiere.

Eines hat sich beim Hamburger Springderby allerdings geändert: die Starterliste. Es sind längst nicht mehr die besten Reiter mit ihren besten Pferden, die sich um das Blaue Band bemühen. Es sind vor allem die norddeutschen Reiter der zweiten Reihe, die im Derby ein respektables Ergebnis anstreben. Manche von ihnen sind überfordert, 2014 schieden 13 von 31 Startern aus.

Topreiter dagegen treten nur an, wenn sie ein geeignetes Pferd haben, mit dem sie die typischen Klippen zuvor geübt haben. So wie in diesem Jahr die Teamweltmeister von 2010, Janne Friederike Meyer und Carsten-Otto Nagel. Der Grund dafür, warum die Cracks das aufwendige Training für das Derby scheuen, liegt für Holger Wulschner, den Sieger von 2000, auf der Hand: Es geht ums Geld. "Wäre das Derby höher dotiert", sagt er, "würde sich mancher auch die Mühe machen, ein Pferd vorzubereiten."

London, Paris, Klein Flottbek - die Global Tour etabliert den Sport in den feinen Kreisen

Insgesamt werden im Derby, das zugleich eine Station der Riders Tour ist, 120 000 Euro ausgeschüttet. Fast drei Mal so viel, 300 000 Euro, gibt es an selber Stelle schon am Samstag bei der Station der Global Champions Tour (GCT) zu gewinnen, Hamburg hat die einzige deutsche Ausgabe der weltweiten Serie.

Nur dank dieser Tour lockt das Derby-Wochenende weiter bekannte Springreiter. Dabei sind die Kaderreiter Christian Ahlmann, Ludger Beerbaum, Daniel Deusser und Marcus Ehning - und auch internationale Prominenz wie der Weltranglistenerste Brash Scott aus Großbritannien. Startberechtigt sind die 30 Besten der Weltrangliste plus einige zahlende Prominente wie die griechische Milliardenerbin Athina Onassis.

Die Austragungsorte der teuren Tour sind erlesen: In London reitet man auf dem Horse Guards Parade, in Paris auf dem Marsfeld unter dem Eiffelturm, in Wien vor dem Stadtschloss. Der Schöpfer der Tour, der niederländische Pferdehändler Jan Tops, hat sein Ziel erreicht: den Springsport in den feinen Kreisen zu etablieren, auf Augenhöhe mit der Formel 1 oder dem Tennis-Grand-Slam. Ohne Tops würde es das Springderby wohl nicht mehr geben und den Traum vom Sieg im schwersten Springen der Welt, den jeder Reiter hegt, wäre für immer geplatzt.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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