Deutsches Debakel:Umgeschaltet auf schlechte Laune

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Torsten Frings und Bernd Schneider tragen Verantwortung - für den Schüttelfrost in der DFB-Abwehr.

Philipp Selldorf

Istanbul - Als nach dem Spiel im Untergrund des Stadions die Debatten über das große Warum geführt wurden, saß Torsten Frings schon lange im Bus. Den Erörterungen zwischen Beteiligten und Beobachtern entzieht er sich ohnehin gern, und diesmal hatte er allen Grund dazu. Trotzdem war er zumindest im Geiste anwesend, denn zwangsläufig kamen alle Diskutanten bei dem Versuch, das Misslingen der Deutschen zu erklären, auf Frings und seine unerfüllte Rolle und seinen negativen Beitrag zum Spiel zu sprechen.

Persönliche Beschuldigungen werden dabei mit gewundener Rhetorik vermieden, wie es zum Beispiel Joachim Löw vormachte. "Ich will jetzt keine Einzelkritik machen", sagte der Trainer, "aber wir haben sicherlich Probleme gehabt im zentralen Bereich. Bastürk war nicht unter Kontrolle, ist immer rumgeschlichen vor unserer Abwehr und war jedes Mal anspielbar." Zuständig für Bastürk war Frings, der die Aufgabe erhalten hatte, vor der Abwehrreihe die gegnerische Attacke zu bekämpfen.

Auf diese verantwortungsvolle Rolle hatte ihn Jürgen Klinsmann seit Beginn seiner Amtsübernahme festgelegt, Frings ist bei ihm ein so genannter "gesetzter" Spieler. Diesmal war mit seiner Aufstellung obendrein die Hoffnung verbunden, er werde in Abwesenheit von Michael Ballack zum Teil die Führungsaufgabe übernehmen. Darauf hatte Klinsmann verwiesen, als er das im Februar ausgetragene Spiel gegen Argentinien (2:2) in Erinnerung rief, in dem Ballack gefehlt und Frings eine überragende Vorstellung geboten hatte. Wenn Löw nun beklagte, dass die erfahrenen Spieler nicht genügend Verantwortung übernommen hätten, meinte er vor allem Frings.

Wie mürrische Alte

Polemisch ließe sich jedoch anmerken, dass Frings und auch Bernd Schneider - mit 31 Jahren der mit Abstand älteste deutsche Feldspieler - sehr wohl Verantwortung getragen haben. Und zwar für den Schüttelfrost in der Abwehr, die sich permanent heikler Situationen erwehren musste. "Es war klar zu sehen, wie die türkischen Mittelfeldspieler immer in die Spitze gekommen sind, unbedrängt quasi. Wir hatten dadurch große Probleme", erzählte Per Mertesacker.

Auch als Jürgen Klinsmann vorausschauend von "einer ganzen Menge Arbeit im Gesamtdefensivverhalten" sprach, meinte er nicht nur die zwingend nötigen Verbesserung in der häufig desorientiert agierenden Abwehr. Sein Ausblick galt besonders den Routiniers, die sich in seinem jugendbewegten Ensemble wie mürrische Alte gebärden. Während Schneider das Duell mit seinem starken Widersacher Tümer Metin verweigerte, ließ sich Frings in der Zentrale zunächst blamabel vorführen und schaltete dann um auf schlechte Laune, beispielhaft belegt in seinem üblen, mit Gelb bestraften Foul an Halil Altintop.

Auch sein planloses Stellungsspiel schuf Gefahrenmomente. "Wir haben so gut wie nie die zweiten Bälle bekommen: Die kamen runter und dann hat ein Türke sie angenommen", kritisierte Löw und meinte Frings. Bei Metins Schuss gegen den Pfosten vor dem 0:1 hielt er vom Schützen Abstand, als ob dieser eine ansteckende Krankheit hätte. Nach einer halben Stunde befahl Klinsmann einen Rollentausch, Schneider rückte ein, Frings wechselte auf rechts, und dann fiel einem wieder auf, dass er auch beim Vorwärtsdrang auf der rechten Seite seine Mängel hat, zum Beispiel bei den meist ziellos, aktionistisch hingehauenen Flanken. Zur Pause musste er seinen Platz räumen, was besser war.

Frings hat seine Qualitäten. Die zeigt er gelegentlich daheim beim SV Werder, allerdings längst nicht mehr auf dem Posten im defensiven Mittelfeld. Auf dieser Schlüsselposition hat die Nationalmannschaft eine Lücke, die sich zur großen Gefahrenzone entwickelt, solange Frings die Aufgabe derart lustlos verwaltet. Vielleicht sollte man ihm mitteilen, dass die Abwesenheit von Dietmar Hamann noch nicht den Charakter von Endgültigkeit trägt, und dass sein Bremer Teamkollege Tim Borowski allemal eine denkbare Alternative ist.

© SZ vom 10.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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