Handball-Duell Deutschland vs Ukraine:"Ein Spiel im Ausnahmezustand"

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Rückkehr im Nationaltrikot: Julia Behnke, hier im Einsatz gegen die Niederlande, spielt gegen die Ukraine wieder für Deutschland. (Foto: Marco Wolf/dpa)

Die geplante Partie der deutschen Handballerinnen gegen Israel ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Das EM-Qualifikationsspiel gegen die Ukraine findet dagegen statt. Es ist der Auftakt zu einer höchst spannenden Phase.

Von Ulrich Hartmann

Mit der Ukraine und Israel als Auftaktgegner binnen drei Tagen haben die deutschen Handballerinnen in der EM-Qualifikation zwei Nationen zugelost bekommen, die derzeit ganz andere Sorgen haben. Das Spiel gegen die Ukraine an diesem Donnerstag (20.15 Uhr, Sport1) in Wetzlar findet trotzdem statt, während die Partie in Tel Aviv am Samstag auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Es war nicht so einfach für die deutschen Spielerinnen, sich angesichts der Bilder aus beiden Ländern im Trainingslager in Großwallstadt auf Handball zu konzentrieren. "Ein Spiel im Ausnahmezustand", nennt die Kapitänin Emily Bölk die Partie in Wetzlar. Der Bundestrainer Markus Gaugisch sagt: "Was wir für uns so als Probleme wahrnehmen, ist im Vergleich zu den schrecklichen Ereignissen in den beiden Ländern natürlich verschwindend gering."

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Und trotzdem müssen sie in die Partie gegen die Ukraine alles hineinlegen. "Es ist unsere Aufgabe zu gewinnen", sagt die Bietigheimer Rückraumspielerin Xenia Smits, die ihr 100. Länderspiel absolvieren wird. Dieses Spiel, auch wenn es nur das erste von sechs Qualifikationspartien für die Europameisterschaft Ende 2024 ist, stellt für die deutschen Handballerinnen den sportlichen Auftakt zu einer spannenden Phase dar: Im Dezember ist in Skandinavien eine Weltmeisterschaft, bei der sich das Team mit dem Einzug ins Viertelfinale einen Platz beim Olympia-Qualifikationsturnier im April sichern will. Die Sommerspiele in Paris wären dann Ende Juli. Und am Horizont erahnt man bereits die Heim-WM Ende 2025 in Deutschland und den Niederlanden.

Es ist lange her, dass die deutschen Handballerinnen etwas erreicht haben

Für solch ein Großereignis gilt es mit Weitblick auch schon zwei Jahre zuvor, sich sukzessive miteinander einzuspielen. Gaugisch ist sich der Bedeutung der kommenden zehn Monate bewusst: "Wir haben ein entscheidendes Länderspieljahr 2023/24 vor uns, mit vielen Möglichkeiten, etwas zu erreichen."

Es ist lange her, dass die deutschen Handballerinnen etwas erreicht haben. Die letzte Medaille gab es 2007 (WM-Bronze), die letzte Halbfinal-Teilnahme bei einem großen Turnier 2008 (EM-Vierter) und im selben Jahr in Peking auch die letzte Olympia-Teilnahme. Dass in den kommenden 24 Monaten die Chancen nur so sprudeln, sollte die Spielerinnen vor der Partie gegen die Ukraine allerdings möglichst wenig beschäftigen. "Wir müssen Schritt für Schritt denken", sagt Smits. Anders lässt sich solch eine Fülle an Herausforderungen kaum seriös bewältigen.

Der Trainer Gaugisch, bis zum vergangenen Sommer in Doppelfunktion Bundestrainer und Bietigheimer Meistercoach, kann sich nunmehr exklusiv auf seine Aufgabe mit der Nationalmannschaft fokussieren. Sein Credo: "Wir müssen einen einfachen Handball spielen, nicht zu kompliziert, weil wir nicht die Zeit haben, uns wie im Verein tage- und monatelang aufs Timing einzustellen - deshalb müssen die Abstimmungen möglichst einfach sein."

Vier Verletzte - und eine Rückkehrerin ins Nationalteam

Zu diesem Zweck hat er für das Ukraine-Spiel einen Kader berufen, der "aus einem starken Stamm besteht, der seit letztem Jahr dabei ist und unsere Spielidee bereits bestens kennt". Kurzfristig ausgefallen sind ihm in den drei Rückraumspielerinnen Alicia Stolle, Julia Maidhof und Mia Zschocke sowie der Rechtsaußen Amelie Berger zwar vier relevante Spielerinnen, gegen die Ukraine ändert dies aber nichts am klaren Auftrag: gewinnen. Zudem kehrt nach knapp drei Jahren die Kreisläuferin Julia Behnke (TuS Metzingen) zurück ins Nationalteam. Sie hatte sich seinerzeit mit dem damaligen Bundestrainer Henk Groener überworfen.

Gaugisch nutzt das Ukraine-Spiel auch als Sichtung für seinen WM-Kader. Am 20. November kommt die Mannschaft wieder zusammen zur WM-Vorbereitung, am 30. November heißt der ersten Gruppengegner im dänischen Herning dann Japan, danach warten an selber Stelle Iran (2. Dezember) und Polen (4. Dezember). Als verbesserungswürdig erachtet der Trainer Abwehrverhalten, Tempospiel, Überzahlsituationen und das Herausspielen sogenannter einfacher Tore. In den Griff müssen die Spielerinnen bei all dem auch ihre Nerven bringen, denn die haben ihnen in entscheidenden Spielen oft versagt.

Gaugisch ist da zuversichtlich. "Wir haben eine Truppe beisammen, die Lust hat, sich weiterzuentwickeln und die zusammenwachsen und die handballerischen Herausforderungen angehen will", sagt er. Seit seinem Amtsantritt im April 2022 verfolge man einen Plan. Dieser Plan wird in den kommenden Wochen auf den Prüfstand gestellt. Schon bei der WM im Dezember eröffnet sich freilich eine große Chance, denn die Handballerinnen könnten einem Olympia-Qualifikationsturnier aus dem Weg gehen, wenn sie am 17. Dezember in Herning Weltmeister würden. Dieser Triumph würde das Olympia-Ticket beinhalten.

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