Der Trainer :Aus der Regionalliga zum Grand-Slam-Titel

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Seit 13 Jahren coacht Torben Beltz die Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber. Er motiviert sie, er erreicht sie, er gewährt ihr Abstand. Er ist der Mann für alle Fälle.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Wenn Angelique Kerber in den letzten Tagen in Melbourne über die Tennisanlage lief, folgte ihr meist ein langer Schlaks, und man muss sagen: Man hatte schon begonnen, sich Sorgen zu machen. Sein Gesicht wuchs zu wie bei einem Yeti, von Tag zu Tag ein Stückchen mehr. Torben Beltz rasiere sich mit Absicht nicht mehr, erklärte Angelique Kerber am Freitag, noch als Nicht-Grand-Slam-Siegerin. Aus Aberglaube - und nicht, weil er keine Klingen mehr habe. Zuletzt soll er aber beklagt haben, dass die Bartborsten jucken.

Nun kann er sich endlich wieder rasieren - Kerber hat die Australian Open ja gewonnen - beim Barte des Beltz.

Beltz selbst hatte den Durchbruch als Profi nie geschafft

Torben Beltz ist 39 Jahre alt, er war früher College-Spieler in den USA, der den Durchbruch als Profi nicht schaffte. Und jetzt ist er jener Trainer, der Deutschlands beste Tennisspielerin zu ihrem ersten Grand-Slam-Sieg geführt hat. Kerber hat in Melbourne auch über ihren Coach geredet. Beltz kenne sie in- und auswendig. Er wisse, wie er sie erreiche. Wie er Kritik positiv und motivierend übermitteln muss. Er spüre auch, "wann er mich mal in Ruhe lassen muss". In Melbourne war das ja tatsächlich mal der Fall. Nach ihrem verkrampften Erstrundensieg gegen die Japanerin Misaki Doi, als sie einen Matchball abwehren musste und "bereits mit einem Bein im Flieger nach Hause" war, wollte sie für sich sein. Sie ging spazieren, am Yarra River, sie hatte auch ein Buch dabei.

So wie Kerber über Beltz sprach, wurde klar: Die Basis ihres Erfolges ist Vertrauen. Und deshalb ist es auch völlig egal, dass Beltz nicht dreimal Wimbledon gewonnen hat oder die Nummer acht oder 25 der Welt war.

Nach dem College wurde er Trainer

Beltz verstärkte nach seiner zweijährigen College-Zeit in Decatur im US-Bundesstaat Alabama den TC Alsterquelle, der in der zweiten Bundesliga spielte. In der Regionalliga-Frauenmannschaft trat damals ein talentiertes Mädchen an. Angelique Kerber war bereits eine erfolgreiche Jugendspielerin und holte zwei Titel bei den deutschen Meisterschaften der Unter-18-Jährigen. In einem lokalen Artikel des Hamburger Abendblatt wurde Beltz 2004 mit den Worten zitiert: "Ob es sich nun um Matchtraining oder das Fitnessprogramm handelt, Angie hängt sich voll rein. Die Chemie zwischen uns stimmt." Auch habe er "immer von einem Job als Tour-Trainer geträumt". Kerber wiederum sagte seinerzeit: "Wenn es um das ungeliebte Konditionstraining geht, ist Torben unnachgiebig, aber wir lachen viel beim Training. Diese Entscheidung werde ich nicht bereuen."

Torben Beltz ist 39 Jahre alt, er war früher US-College-Spieler, der den Durchbruch als Profi nicht schaffte. Jetzt ist er Angelique Kerbers Trainer. (Foto: Made Nagi/dpa)

Nein, sie bereuen sicher nichts. Im Januar 2016 sind beide, Kerber und Beltz, "nach vielen Aufs und Abs in der Karriere" am Höhepunkt ihres gemeinsamen Weges angekommen. Sie kehren als Grand-Slam-Sieger nach Deutschland zurück.

Ihr erstes großes Turnier waren einst die Australian Open

Beltz, der auch im Schleswig-Holsteinischen Verband aktiv war, begleitete Kerber bei ihren ersten Teilnahmen auf der Frauentour der WTA, ihr erstes großes internationales Turnier waren schicksalhafterweise die Australian Open, in der Juniorinnenkonkurrenz trat Kerber damals an. Ein Kreis schließt sich jetzt, wenn man es so deuten will. Die allerersten Punkte in der Weltrangliste holte Kerber mit Beltz, der damals auch weiterhin in der Heimat als Trainer im Einsatz war. Beim Frauen-Bundesligisten TC RW Wahlstedt unter anderem. Die Bande zwischen den beiden bestand aber, sie arbeiteten fester zusammen. Beltz war es, der Kerber in der ersten gemeinsamen Strecke der Zusammenarbeit an die Weltspitze führte.

Ende 2013 allerdings fühlten beide den Moment gekommen, "dass wir mal was Neues probieren wollten", wie Beltz in Melbourne erzählte. Sie trennten sich. Benjamin Ebrahimzadeh, ein Deutsch-Iraner aus Saarbrücken, der als Cheftrainer an der Schüttler-Waske-Akademie in Offenbach Kerber kennen gelernt hatte, übernahm. Sie hatten Erfolge zusammen, aber nach sportlichen Rückschlägen im Frühjahr 2015 kehrte Kerber zu Beltz zurück. Die Bande war immer noch da.

Beltz wusste, bei den Grand Slams muss Kerber erfolgreicher spielen

Wie ausgewechselt spielte Kerber gleich beim ersten Turnier auf, sie gewann in Charleston und holte 2015 drei weitere Titel. Beltz, ein aufgeräumter, geradliniger, eloquenter Mann mit viel Leidenschaft für seinen Beruf, wusste aber auch: Bei den Grand Slams, den größten Veranstaltungen, musste Kerber endlich erfolgreicher werden. Als Top-Ten-Spielerin allemal. Er war es, der in vielen Gesprächen Kerber einimpfte, dass sie zu Recht zu den Besten zählt. Dass sie die absoluten Branchengrößen nicht fürchten muss. Denn die fürchten ja auch sie.

Kurz nach dem Triumph: Kerber läuft zu Torben Beltz, ihrem Trainer, der ihr von oben auf der Tribüne gratuliert. (Foto: Tracey Nearmy/dpa)

Ein prominenter Trainer wie Ex-Profi Boris Becker ist eher ein Mastermind für den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic, er tüftelt an den letzten zwei Prozent hinsichtlich spielerischer und mentaler Strategien, die den Serben noch dominanter machen sollen. Beltz ist eher ganzheitlicher im Einsatz, er ist der Mann für alle Fälle. Klar, Kerbers Team ist auch kleiner als das von Djokovic. Seit 2015 begleitet sie noch Simon Iden als Physio; der Frankfurter ist 28 Jahre alt und sammelte schon viel Erfahrung, beim DFB kümmert er sich um die Jugend-Nationalspieler der U18-Auswahl, auch bei der deutschen Basketball-Nationalmannschaft ist er in der Verantwortung.

Kerber hat gute, professionelle Personen um sich herum, im Hintergrund stärkt sie die Familie, das ist ihr auch extrem wichtig. Vertrauensmann Beltz ist aber in der täglichen Arbeit der größte Faktor. "Torben ist großartig", sagte Kerber. Selbst nach 13 Jahren der Zusammenarbeit sieht sie das so.

© SZ vom 31.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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