Der Flügelflitzer: Wechselfehler:Leeds ist überall

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Zenit St. Petersburgs Trainer Dick Advocaat unterläuft ein peinlicher Wechselfehler - und weckt Erinnerungen an Christoph Daum, Otto Rehhagel und Giovanni Trapattoni.

Johannes Aumüller

Am vergangenen Wochenende hat Kölns Trainer Christoph Daum insofern eine besondere Startformation aufgeboten, weil beim Anpfiff der Partie elf ausländische Spielern auf dem Platz standen. Und weil die Begriffe Christoph Daum und ausländische Spieler für alle Bundesliga-Zeiten so eng zusammenhängen wie die Begriffe Christoph Daum und Haarprobe, tauchte ganz schnell wieder die Erinnerung an jene Champions-League-Saison 1992/93 auf.

Anekdoten des Trainerdaseins: Christoph Daum, Giovanni Trapattoni, Dick Advocaat und Otto Rehhagel fielen diversen Spielerkontigenten auf dem Feld zum Opfer. (Foto: Foto:)

Damals wechselte Daum als Trainer des VfB Stuttgart im Erstrunden-Rückspiel gegen Leeds United einen vierten Ausländer ein; drei waren nur erlaubt, und mit dieser Entscheidung läutete Daum erstens das Europapokal-Aus seines Klubs ein und sorgte zweitens für enormes Gelächter. Sechs Jahre später unterlief dem damaligen Kaiserslauterner Trainer Otto Rehhagel eine ähnliche Peinlichkeit, als er einen vierten Nicht-EU-Ausländer einwechselte und, eine noch größere Peinlichkeit, diesen Fehler unauffällig korrigieren wollte, indem er den Ägypter Hany Ramzy aufforderte, eine Verletzung zu simulieren, und der Abwehrspieler dann vom Feld humpelte.

Weil seit dem Bosman-Urteil in den neunziger Jahren Spieler aus dem EU-Ausland und seit der Saison 2006/07 auch Spieler aus dem Nicht-EU-Ausland unbegrenzt eingesetzt werden dürfen, sind keine neuen Fälle dazugekommen. Die Anekdotensammler unter den Fußballfans dürfen sich aber freuen, dass es noch Länder mit einer Ausländer-Limitierung gibt - und dass sich in einem dieser Länder mal wieder ein Fall wie damals in Leeds ereignete.

Im Spiel der russischen Premjer-Liga zwischen Lokomotive Moskau und Zenit St. Petersburg (Endstand: 1:1) wechselte St. Petersburgs Trainer Dick Advocaat in der 81. Minute den Türken Fatih Tekke ein - obwohl mit den Portugiesen Fernando Meira und Danny, dem Kroaten Ivica Krizanac, dem Koreaner Dong-Ji Kim sowie dem Ungarn Szabolcs Huszti schon sechs Ausländer auf dem Platz standen, und in der russischen Liga nur sechs Legionäre erlaubt sind. Nur kurze Zeit später nahm Advocaat Abwehrspieler Krizanac vom Feld (er humpelte nicht, sondern ging ganz aufrecht) und brachte den Russen Roman Schirokow. Doch es half nichts: Für vier Minuten absolvierte Zenit diese Partie mit sieben Legionären.

Nun droht St. Petersburg dasselbe Schicksal wie dem VfB Stuttgart 1992 in Leeds: eine 0:3-Niederlage am grünen Tisch. Zwar nahm Advocaat bereits die Schuld für den Fehler auf sich, sucht die Schuld aber auch bei anderen. Der Schiedsrichter hätte doch auf seinen Karten markiert, welche Spieler Ausländer sind und welche nicht, und entsprechend den Wechsel untersagen müssen! Oder: Der "vierte Mann" habe doch eigentlich darauf zu achten, dass die Grenze eingehalten werde. Die Unparteiischen konterten: Dies sei nun wahrlich nicht ihre Aufgabe.

In dieser Woche will die Liga-Kommission entscheiden. Ab der nächsten Saison verschärft sich die Ausländerregelung in der russischen Liga noch einmal. Dann sind nur noch fünf Legionäre auf dem Feld erlaubt. Damit soll Platz geschaffen werden für russische Spieler, um das Niveau der Sbornaja zu erhöhen.

Dieser Ansatz ist übrigens ganz im Sinne von Fifa-Boss Sepp Blatter, der gegen die europäische Rechtsauffassung eine 6+5-Regelung durchdrücken möchte. Falls dieses Vorhaben Realität werden würde, könnten auch die Anekdotensammler unter den deutschen Fußball-Fans wieder darauf hoffen, dass mal wieder ein Ausländer zu viel eingewechselt wird.

Bis dahin müssen sie sich damit trösten, dass ein Trainer wenigstens noch zu viele Amateurspieler einsetzen oder überhaupt zu viele Spielerwechsel vornehmen kann. So wie es dem FC Bayern in den neunziger Jahren passierte. Im April 1995 brachte Giovanni Trapattoni in der zweiten Hälfte Vertragsamateur Didi Hamann, obwohl schon drei Vertragsamateure auf dem Platz standen und nur drei erlaubt sind. Und im Mai 1996 hatten die Münchner den Sieg im Uefa-Pokal wohl so ordentlich begossen, dass sie im bedeutungslos gewordenen letzten Bundesliga-Spiel gegen Düsseldorf gleich vier Mal wechselten. Das sorgte zwar für noch mehr Lacher als Christoph Daums Fehler, blieb aber folgenlos: Die Düsseldorfer hatten den Klassenerhalt sicher und verzichteten deshalb auf juristische Schritte.

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