Der Flügelflitzer:Vollgas ins Aus

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Absurder Modus: Im Eishockey-Pokal gewinnen Klubs ihre Spiele und scheiden dennoch aus. Die Verbandsspitzen sind froh, dass endlich voller Einsatz nötig ist.

Thomas Hummel

Daniel Nörenberg heißt der neue Pokalheld. Mit seinem Tor viereinhalb Minuten vor dem Ende hat der Stürmer des Oberligisten EV Landsberg den Bundesligisten Nürnberg Ice Tigers aus dem Deutschen Eishockey-Pokal geworfen. Das ist der Traum eines jeden Unterklassenstürmers - wenn es denn seiner Mannschaft genutzt hätte.

Zweimal gewonnen, trotzdem Abflug: Jens Baxmann und die Eisbären Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Nörenberg traf nämlich nach 55:25 Minuten nicht zum 1:0, sondern zum 1:7. An ein Weiterkommen des kleinen EV Landsberg war längst nicht mehr zu denken, aber durch dieses 1:7 schieden auch die großen Nürnberger aus. Und das kam so:

Die Verbände Deutsche Eishockey-Liga (DEL), Eishockeyspielbetriebsgesellschaft (ESBG) und Deutscher Eishockey-Bund (DEB) organisieren seit dem Jahr 2002 den Pokal. Die meisten Klubs der ersten Liga haben allerdings wenig Interesse an dem Wettbewerb. Wenig Tradition, wenig Zuschauer, wenig Geld - so heißen die Argumente. Und wer hat schon Lust auf diese Kämpfe Groß gegen Klein mit immanenter Blamage-Gefahr? Jetzt ist die Liga auf 16 Vereine aufgestockt worden, es warten 52 Partien allein in der Hauptrunde. Die DEL-Klubs forderten eine Reduzierung der Pokal-Spiele. Die Verbände gaben nach.

"Kinderkram"

Aus der ersten Pokal-Runde wurde ein Turnier mit Gruppen zu je vier Mannschaften, der Erste kam ins Viertelfinale. Als Termin wurde das Wochenende vor dem Liga-Start ausgeguckt, doch ein Wochenende hat nur zwei Tage, und so kann man eben nur zwei Spiele spielen. Was nun? Die schöne Idee: In jede Gruppe lost man zwei Erstligaklubs, die aber nicht gegeneinander antreten müssen, sondern nur gegen die beiden unterklassigen Vereine.

Nun zurück zu Daniel Nörenberg. Der freche Landsberger schießt also das 1:7, einen Ehrentreffer, den man jedem Underdog gönnt. Doch die Nürnberger hatten nach den Partien in Landsberg und in Füssen (9:1) nun ein Torverhältnis von nur 16:2, wohingegen der DEL-Konkurrent aus Iserlohn nach seinen Partien ein Torverhältnis von 17:2 vorwies. Ergebnis: Nürnberg war raus.

Genauso erging es den DEL-Kollegen aus Ingolstadt, Krefeld und Hamburg, auch Titelverteidiger Eisbären Berlin hatte zweimal gewonnen und war ausgeschieden. Es folgte ein Aufschrei. "Kinderkram. Ein eigenartiger, unlogischer Modus, der dem Zufall Tür und Tor öffnet", schimpfte Eisbären-Nationalspieler Stefan Ustorf. Iserlohns Spieler Robert Hock taten vor allem die kleinen Gegner leid: "Das war traurig für die Oberligisten, dass man sie abschießen musste, um weiterzukommen." Während DEL-Ligenleiter Gernot Tripcke frohlockte: "Auf den zweiten Blick hat es auch seine Vorteile, da jedes Tor zählt, muss jedes Spiel mit vollem Einsatz bestritten werden." Auch Oliver Seeliger, Geschäftsführer der ESBG, wies Kritik von sich: "Den Modus finde ich nicht so schlecht, die DEL-Clubs müssen Vollgas geben."

"Schande von Weißwasser"?

Immerhin, Karl-Heinz Fliegauf, Sportdirektor von Grizzly Adams Wolfsburg, lieferte einen ersten, vorsichtigen Verbesserungsvorschlag: "Man müsste vielleicht überlegen, ob man die Spiele in einer Gruppe am zweiten Tag zeitgleich ansetzt." Seeliger stimmte spontan zu. Dabei müsste eigentlich spätestens seit der Fußball-WM 1982 bekannt sein, dass nacheinander ausgetragene Fernduelle in Gruppen zu Ungemach führen können. Damals stellten die Kicker aus Deutschland und Österreich nach elf Minuten den Spielbetrieb praktisch ein, weil das 1:0 durch Horst Hrubesch beide weiterkommen ließ, Algerien, das bereits alle Spiele bestritten hatte, schied aus. Das Spiel ging als "Schande von Gijon" in die WM-Annalen ein.

Grizzly Adams Wolfsburg übrigens gab am Sonntag im letzten Drittel bei den Lausitzer Füchsen Weißwasser noch einmal alles, der DEL-Klub erzielte weitere vier Tore zum 8:1. Wolfsburg war deshalb in der Endabrechung um zwei Tore besser als der DEL-Rivale Hamburg Freezers. Von der "Schande von Weißwasser" ist aber noch nicht die Rede.

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