Der Flügelflitzer:Modische Zipperlein

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Wenn Ribéry einen Syndesmoseband-Riss hat, zwickt es auch bei Hobbyfußballern. "Prominente" Verletzungen scheinen im Trend zu liegen. Sportmediziner sind amüsiert.

Michael König

Die Fußball-Bundesliga hat Vorbildcharakter. Was in Deutschlands Beletage zur Mode wird, sieht man kurz darauf überall: Bunte Schuhe zum Beispiel. Auch so manche Frisur wurde zum Renner. Bei den Trainern ist es der Hang zum Offensivfußball, der sich allmählich flächendeckend durchsetzt: Selbst unterdurchschnittliche Kreisliga-Teams versuchen sich an der Viererkette und ziehen ein 5:4 einem 1:0 vor - Bremen und Hoffenheim lassen grüßen.

Bayerns Franck Ribéry hatte beim EM-Spiel zwischen Italien und Frankreich einen Riss im Syndesmoseband erlitten. (Foto: Foto: AP)

Der neueste Trend, der aus der Bundesliga in den Amateurfußball schwappt, hat mit Verletzungen zu tun: Seit Bayern-Star Franck Ribéry einen Syndesmoseband-Riss hatte, meinen die Helden der Kreisliga, ähnliche Schmerzen zu spüren. Ein Sportmediziner, der anonym bleiben möchte, berichtet: "Die Spieler wissen meist schon, was sie haben, wenn sie zu mir in die Praxis kommen. Zumindest glauben sie das."

Mückenstich statt Kreuzbandriss

Offenbar muss man heutzutage nicht mehr Medizin studiert haben, um Diagnosen stellen zu können. Das aufmerksame Verfolgen der "Sportschau" reicht völlig aus - der "gläserne Patient" ist in der Bundesliga schließlich Realität. So lernt man dank akribischer Berichterstattung allerlei Zipperlein kennen, die man bei sich selbst diagnostizieren kann, wenn es mal wieder zwickt.

"Früher sagten die Patienten: Herr Doktor, ich habe Schmerzen. Heute sagen sie: Hilfe, Herr Doktor, ich habe Adduktoren!" Die Trefferquote sei bei diesen Laien-Diagnosen eher gering, berichtet der Sportmediziner. In einem besonders kuriosen Fall sei ein Fußballer felsenfest davon überzeugt gewesen, sich das Kreuzband gerissen zu haben - genau wie Dedé, Mittelfeldspieler seines Lieblingsvereins Borussia Dortmund. Der Doktor konnte ihn beruhigen: "Die Schwellung war durch einen Mückenstich entstanden, der sich entzündet hatte."

Die Schlafkrankheit des Stürmers

Während sich Ärzte über den Trend amüsieren, sehen sich Lokalsport-Reporter vor eine neue Herausforderung gestellt. "Ich würde am liebsten nur noch Medizinstudenten als freie Mitarbeiter einstellen", erzählt ein Redakteur. "Wenn dir ein Bezirksliga-Trainer erzählt, sein wichtigster Stürmer komme wegen Hypersomnie nicht für die Startelf in Frage, bist du anschließend eine halbe Stunde damit beschäftigt, herauszufinden, was das ist." Hypersomnie ist eine Schlafkrankheit - der Stürmer hatte mehrfach das Training verpennt.

"Die Spieler haben heute Verletzungen, die gab es bei uns damals gar nicht", lästert der ehemalige Fußballprofi und aktuelle Trainer der Bayern-Amateure, Hermann Gerland. Das betrifft nicht nur den Fußball. Auch in anderen Sportarten ist Aufmerksamkeit gefragt, um im Dickicht der Zipperlein nicht durcheinanderzukommen. So wollte ein englischer Reporter beim ATP-Tennisturnier in Halle/Westfalen von Tommy Haas wissen, wie es seinem Handgelenk gehe. Der deutsche Profi antwortete: "Das müssen Sie Nicolas Kiefer fragen. Ich habe Probleme mit der Schulter."

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