Der Flügelflitzer:Lotto, Tanke, Intimhygiene

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Es muss nicht immer TV-Experte sein: Wenn Fußballer nach ihrer Karriere berufstätig werden, hat das nicht zwangsläufig mit Sport zu tun.

Michael König

Dass man als Fußballer einen gewissen Intelligenzquotienten nicht überschreiten darf, um Erfolg zu haben, ist eine böse Unterstellung. Allerdings hält sich hartnäckig der Mythos, ein Stürmer dürfe beim Torschuss bloß nicht nachdenken. Verdächtig ist auch, dass Nationalspieler Christoph Metzelder gleich "Professor" gerufen wird, nur weil er unfallfrei Interviews gibt. Stutzig macht nicht zuletzt ein Bonmot des Rostockers René Rydlewicz: "Wenn man was im Kopf hätte, wäre man kein Fußballer geworden."

Schöngeist: Torwart Rudi Kargus lernte nach seiner Karriere expressive Malerei. (Foto: Foto: dpa)

Es gibt dieses Zitat in vielen Varianten von vielerlei Urhebern, Spielern wie Trainern. Ein fehlender Schulabschluss, lautet die Botschaft, ist im Profifußball offenbar nicht hinderlich. Knifflig wird es erst nach dem Ende der Karriere - vor allem, wenn es der Profi zu seiner aktiven Zeit nicht in Sphären geschafft hat, in denen es Millionen Euros zu verdienen gibt.

Deutschlands Weltmeister von 1954 bekamen für ihr Wunder von Bern 1000 Mark Prämie. Das mag für damalige Verhältnisse viel Geld gewesen sein - bis ans Lebensende gereicht hat es sicher nicht. So gingen die Helden nach dem Ende ihrer Karriere ganz ordinären Berufen nach: Horst Eckel heuerte als Angestellter eines Stahl- und Eisenwerkes an, später wurde er Sportlehrer. Karl Mai eröffnete ein Schreibwarengeschäft, Max Morlock eine Lottoannahmestelle. Der bemitleidenswerte Ottmar Walter übernahm eine Tankstelle - weil er das Kleingedruckte des Vertrags übersah, ging sein gesamter Besitz später auf den Eigentümer des Grundstückes über.

Die expressive Kunst des Torwarts

Noch tragischer ist die Geschichte des ersten farbigen Nationalspielers, Erwin Kostedde. Der Münsteraner war Mitte der siebziger Jahre der Star bei Kickers Offenbach, später schoss er den gerade abgestiegenen SV Werder zurück in die Bundesliga. Nach dem Karriereende verlor er den größten Teil seines Vermögens bei dubiosen Finanzgeschäften. 1990 wurde er fälschlicherweise verdächtigt, eine Spielhalle überfallen zu haben.

Etwas bürgerlicher ging und geht es bei einem Weltmeister von '74 zu: Seit Jahr und Tag steht "Katsche" Schwarzenbeck in seinem Münchner Schreibwarenladen in der Ohlmüllerstraße. Schöngeistiger erwischte es Rudi Kargus. Der ehemalige Keeper des HSV lernte an der Kunsthochschule Blankenese expressive Malerei und verdient heute sein Geld als Maler und Galerist. Torhüterkollege Jürgen Rynio, immerhin 186 Mal in der Bundesliga aktiv, gründete in Niedersachsen eine Wohn-Einrichtung für Behinderte und ist Repräsentant für die Fußball-Weltmeisterschaft für Menschen mit Behinderung.

Die noch aktiven Stürmer Mario Gomez (22) und Carsten Jancker (33) tun angesichts negativer Beispiele gut daran, früh an die Zeit nach dem Karriereende zu denken. Gomez will ein Restaurant eröffnen - was schlüssig erscheint, sind doch schon seine Tore für den VfB Stuttgart für viele ein Genuss.

Handtaschen für glatzköpfige Hünen

Carsten Jancker hilft derweil, so oft es sein Engagement beim österreichischen Erstligisten SV Mattersburg zulässt, in der Boutique seiner Gattin aus. Im Angebot sind Handtaschen und Deko-Artikel. Das passt zwar überhaupt nicht zu dem glatzköpfigen Hünen, der 2001 mit dem FC Bayern Meister und Champions-League-Sieger wurde. Doch es ist immer noch logischer als das Werbe-Engagement des Leverkuseners Carsten Ramelow, der im Sommer seine Karriere beenden wird.

Der 46-fache Nationalspieler ist seit 2006 Botschafter der Intimhygiene. Er macht Reklame für ein sogenanntes Dusch-WC, eine Toilette mit eingebauter Duschbrause. Auf Knopfdruck schießt ein Wasserstrahl in die Höhe und reinigt "sanft, aber gründlich", wie Ramelow in der Pressemitteilung des Herstellers schwärmt. Bei der Präsentation des Dusch-WCs "Balena 8000" stellte Ramelow zudem noch eine CD mit selbstgeträllerten Liedern vor. Der Verkaufserlös des Tonträgers mit dem Titel "Sing when you're winning" kommt einer Stiftung zugute, die den Namen "Die gute Hand" (sic!) trägt.

Absurd? Mag sein, aber immerhin baut Ramelow für die Zukunft vor. Rostocks René Rydlewicz hingegen, wie Ramelow 34 Jahre alt und damit der zweitälteste Spieler seines Teams, antwortet in seinem Steckbrief auf der Hansa-Homepage auf die Frage, was er nach dem Karriereende tun wolle: "Ist noch zu lange hin. Vielleicht was im Sport."

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