Der Flügelflitzer:Klinsi gefährdet unsere Jugend!

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Yoga-Kurse und Kampftänze im Fußballtraining: Was in der Bundesliga als fortschrittlich gilt, bereitet Jugend-Trainern Kopfzerbrechen.

Michael König

Christoph Daum war seiner Zeit voraus. Als Trainer von Bayer Leverkusen ließ er seine Spieler über zerbrochene Glasscheiben und glühende Kohlen laufen - barfuß. Das sollte der Motivation dienen, sorgte nebenbei aber auch für ein großes Hallo in den Medien: Daum sei verrückt geworden, hieß es. Von Psycho-Hokuspokus war die Rede. Neun Jahre später darf sich Daum bestätigt fühlen. Wer in diesen sommerlöchrigen Tagen die Sport-Gazetten durchblättert, sieht Hokuspokus überall. Vorneweg der FC Bayern, der dank Reformer Jürgen Klinsmann mit Buddha-Statuen, einem Kino-Saal und Sprachkursen aufwartet. In Dortmund ist man gespannt, ob Jürgen Klopp - wie zu Mainzer Zeiten - den Haka einsetzt, einen neuseeländischen Kriegstanz zur Einschüchterung der Gegner. Selbst finanzschwächere Klubs huldigen dem Fortschritt: Arminia Bielefeld probierte es im Trainingslager mit Wildwasser-Rafting, der VfL Bochum ging auf Mountainbike-Tour. Die TSG Hoffenheim lud Ironman-Gewinner Norman Stadler ein, um "neue Impulse" zu bekommen.

Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann (rechts) legt sehr viel Wert auf das Gleichgewicht - auch auf das innere. (Foto: Foto: Getty)

Was ist eigentlich aus den einst so beliebten Übungen wie "fünf gegen zwei", Slalomdribbling mit Torschuss und Fußballtennis geworden? Das fragen sich derzeit Trainer von Nachwuchsmannschaften, die dank Klinsmann und Klopp vor neuen Herausforderungen stehen.

Trainingseinheit im Schlauchboot

"Meine Jungs haben nur noch Flausen im Kopf", sagt etwa Heiko Schleifer (Name geändert, d. Red.). Er trainiert die E-Junioren-Mannschaft eines Dorfvereins und möchte anonym bleiben. Schleifer verflucht die neuen Methoden der großen Klubs. "Ich kann nicht mehr vernünftig trainieren. Die Kleinen kommen mit immer neuen Wünschen, es ist zum Verrücktwerden", klagt er.

Als die Bielefeld-Fans im Team eine Trainingseinheit im Schlauchboot forderten, habe er das noch lustig gefunden, berichtet Schleifer. "Wir waren gemeinsam paddeln, das war sicherlich gut für den Mannschaftsgeist. Doch dann verlangten sie, dass ich mit ihnen den neuseeländischen Kriegstanz einstudiere!"

Schleifer lehnte ab. Er rechtfertigt sich mit der Anekdote eines Trainerkollegen, dessen B-Jugendliche ihn nach Bochumer Vorbild zu einer Mountainbike-Tour überredet hatten: "Der ging bei der ersten Abfahrt direkt über den Lenker. Seitdem lachen ihn die Spieler aus. Seine Autorität ist total hinüber."

Modernisierung nach Bayern-Vorbild

Auch mit den Eltern gebe es neuerdings Probleme. "Ein Ehepaar forderte von mir, den Jungs Englisch-Nachhilfe zu geben. Das gehöre zum Fußball ja heutzutage dazu." Außerdem sei der Vereinsvorsitzende überredet worden, nach Bayern-Vorbild das Klubhaus zu modernisieren: "Da stehen jetzt mehrere goldene Buddha-Statuen rum, eingerahmt von mannshohen Bambuspflanzen. Die Kosten waren so hoch, dass unsere Herrenmannschaft ihr Trainingslager auf Wangerooge absagen musste."

Er würde Klinsmann & Co. gerne die Leviten lesen, sagt Schleifer. "Was die machen, gefährdet unsere Jugend." Aus Protest aufzuhören, schließt er jedoch aus. Er habe sich vielmehr einige Tricks angeeignet, um die Spieler bei Laune zu halten: "Früher habe ich verlangt, dass jemand die Trikots wäscht. Heute spreche ich von 'Empowerment' und kündige an, einen 'Equipment Cleaning Account Manager' zu ernennen. Das klappt super."

Auch um Experten aus anderen Sportarten hat sich Schleifer bemüht. Weil die Chancenverwertung seiner Stürmer zu wünschen übrig ließ, lud der Trainer einen Fachmann für Treffsicherheit ein. "Die Jungs hingen an seinen Lippen. Er hat ihnen ganz neue Impulse vermitteln können", lobt Schleifer und grinst: "Es war der erste Vorsitzende des hiesigen Schützenvereins."

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